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Stereotype? - Frauen und Männer in der Werbung

Christina Holtz-Bacha

 

Verlag VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2008

ISBN 9783531909943 , 294 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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22,99 EUR


 

Fit und flott – und ein wenig sexy in schwarz-weiß: Die strukturelle Ambivalenz werblicher Medienangebote (S. 107-108)

Guido Zurstiege

1 Verlockende Tat-Sachen

Die Werbung sowie in Folge die mit ihr befasste Forschung haben sich leidenschaftlich dem Geschlechterdualismus verschrieben. Aber warum? Eine mögliche Antwort auf diese Frage lautet, dass die Werbung ein strategisches Interesse an der Unterscheidung zwischen Männlichem und Weiblichem besitzt. Dieses strategische Interesse gründet auf der Tatsache, dass die Unterscheidung männlich/weiblich eine jener gesellschaftlichen Basisdichotomien ist, die stärker als andere Unterscheidungen zum Kernbestand jeder Selbstwahrnehmung zählt und damit eine der wichtigsten Variablen menschlicher Identität und Differenz darstellt.

So lautet die gesellschaftliche Norm: Jeder weiß, dass er entweder ein Mann ist oder eine Frau – und in all jenen Fällen, in denen diese Zuordnung nicht reibungslos erfolgt, greifen rigide gesellschaftliche Sanktionsmaßnahmen. Dennoch zeigt sich gerade in diesen Grenzbereichen der "genderbender" und der "sexuellen Überläufer" (Baudrillard, 1992, S. 28), dass es keineswegs so einfach und selbstverständlich ist, ein Mann oder eine Frau zu werden wie ein Mann oder eine Frau zu sein. Männlichkeit und Weiblichkeit werden im Rahmen eines lebenslangen Prozesses immer wieder unter Beweis gestellt und immer wieder neu begründet. Die Sicherheit, mit der sich jederzeit das Geschlecht einer Person bestimmen lässt, ist eine Tatsache und, allem Anschein zum Trotz, zugleich eine Sache der Tat.

Und in genau dieser Ambivalenz der Sachen und der Taten liegt aus Sicht der Werbung der strategische Wert des Geschlechterdualismus. Bereits aus Gründen der eigenen Existenzsicherung setzt die Werbung vor allem auf jene Themen, die einer Dauerthematisierung standhalten, weil die Fragen und Antworten in Bezug auf diese Themen enttäuschungsresis tent sind. Die Werbung, heißt das, greift allem voran jene unbeantwortbaren und unlösbaren Fragen auf, die strukturell unfassbar sind und denen wir uns genau deswegen immer wieder von neuem stellen müssen und stellen können.

Diese Fragen bilden gewissermaßen das semantische Rohmaterial der Werbung. Mit Blick auf die hier behandelte Thematik heißt das: Indem die Werbung thematisiert, was männlich und was weiblich ist, setzt sie das intersubjektiv geteilte Tatsachen-Wissen über Männer und Frauen, Männliches und Weibliches voraus. Sie sichert sich auf diese Weise das Verständnis ihrer Zielgruppen und instrumentalisiert zugleich deren tagtägliche Konstruktionsarbeit an dieser Unterscheidung.

Aus Sicht der Werbung spricht also eine Reihe von Gründen dafür, auf die verführerische Inszenierung von Männlichkeit und Weiblichkeit zu setzen. Welchen Gewinn aber sollten ernst zu nehmende Sozialwissenschaftler- Innen ihrerseits aus der Analyse dieser Inszenierungen ziehen, die ja bekanntlich in aller Regel eben kein wahrheitsgetreues Bild abgeben? Ich möchte hier wiederum eine mögliche Antwort vorschlagen.

Es handelt sich um eine Antwort, die der Soziologe Erving Goffman (1981 [1976]) bereits Mitte der 1970er Jahre gegeben hat. Goffman ging es weniger darum, die hyper-ritualisierten Männer- und Frauendarstellungen der Werbung als falsch (und daher als schlecht) zu entlarven, sondern darum, werbliche Darstellungen von Männern und Frauen systematisch zu verwenden, um zu beobachten, was sich im wirklichen Leben eben nicht so deutlich beobachten lässt, weil es vollständig in einem natürlichen Rahmen wahrgenommen und dargestellt wird.