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Die Männerlüge - Wie viel Testosteron braucht der Mann?

Robin Haring

 

Verlag Braumüller Verlag, 2015

ISBN 9783991001478 , 192 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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16,99 EUR


 

Testosteron –


mehr Mann geht nicht


Testosteron ist für alle da


Testosteron wandelt auf dem schmalen Grad zwischen Lifestyle-Medikament, Anti-Aging-Medizin und Arzneimittel. Die Behandlung ist eher freiwillig als unverzichtbar. Umso erstaunter war ich bei der Recherche zu diesem Buch, wie viele prominente Musiker, Schauspieler und Celebreties sich öffentlich zur Einnahme von Testosteron bekennen. Sexsymbol Robbie Williams verkündete jüngst, er habe „den Testosteronspiegel eines 100-Jährigen“, und lässt sich Testosteron spritzen. 1 Jane Fonda nutzte im Alter von 70 Jahren erstmals Testosteron, um ihr Liebesleben wieder etwas in Schwung zu bringen. Trotz der aufkeimenden Akne und des späteren Behandlungsabbruchs habe Testosteron einen „großen Unterschied“ in ihrem Sexleben gemacht. Immerhin, denn auf die Frage nach dem Geheimnis ihrer Schönheit antwortete sie: „30 % machen die Gene aus, 30 % sind guter Sex, 30 % verdanke ich Sport und einem gesundem Lebenswandel, und für die restlichen 10 % muss ich meinem Schönheitschirurgen danken.“2 Und auch US-TV-Star Suzanne Somers und Actionheld Rambo (a.k.a. Sylvester Stallone) sind sich einig: Jeder über 40-Jährige sollte in Testosteron investieren, denn es steigert die Lebensqualität und kann Männern wie Frauen eigentlich nur helfen. Was für eine Testosteroneuphorie!

In Zeiten von 24-Stunden-Online-Handel und Versandapotheken scheint die problemlose Verfügbarkeit von Testosteronpräparaten das Versprechen ewiger Jugend in greifbare Nähe zu rücken. Sind besagte Promis also nur einmal mehr die Vorreiter späterer, gesamtgesellschaftlicher Trends? Nehmen wir zum Beispiel die plastische Chirurgie: Berichtete die einschlägige Boulevardpresse zunächst nur bei Prominenten von ästhetischen Eingriffen, ist dieser Trend nun massenwirksam geworden. Schätzungen zufolge legen sich jährlich über 500.000 Deutsche für ein besseres Aussehen unters Messer – Tendenz stark steigend.

Tatsächlich hat sich in den letzten Jahren einiges verändert. Unvorstellbar, dass ehemalige Fußballbundestrainer wie Berti Vogts oder Rudi Völler als Werbefigur für Männerkosmetik getaugt hätten. Ganz anders kommt da der moderne „Bundescremer“ Joachim Löw rüber, der als Pflegecoach eine intensive Feuchtigkeitscreme für den Mann von heute bewirbt. Während der Umsatz von Damenkosmetik auf hohem Niveau stagniert, verdreifachen sich derzeit die Verkäufe von Beauty- und Pflegeartikeln für den Mann. So nutzt inzwischen jeder sechste Mann Anti-Aging-Produkte.3 Laut Branchenmeinung ist das aber erst der Anfang.

Die gesellschaftlichen Veränderungen, die diesen Trends zugrunde liegen, sind vielschichtig. Zum einen beschränkt sich die Männerrolle nicht mehr ausschließlich auf die Versorgerfunktion (galt früher das Motto, „Egal, wie er aussieht, Hauptsache die Kreditkarte ist gedeckt“, fordern Frauen heutzutage auch optisch mehr vom anderen Geschlecht), zum anderen ist der Körper zum Rohstoff, nicht nur für die eigene Identität, sondern auch für den beruflichen Erfolg geworden. War der Schönheitsbonus früher im Karrierekarussell von Schauspielern oder Models von entscheidender Bedeutung, ist die Erwartung jugendlich-dynamischer Vitalität inzwischen weit in die normale Arbeitswelt vorgedrungen.

So bietet auch der euphorische Testosteroneinsatz unter Prominenten mehr als nur einen Vorgeschmack auf Kommendes. Im vergangenen Jahrzehnt stiegen die weltweiten Verkaufszahlen von Testosteronpräparaten um das 12-Fache.4 Der Testosteron-Tsunami hat die Küste schon längst erreicht. In Großbritannien5 und Australien6 verdoppelten sich die Testosteronverschreibungen während der letzten 10 bzw. 20 Jahre. Mit der Einführung eines neuen Testosterongels stiegen die Absätze in Großbritannien sogar um das Fünffache. Die Ursache ist aber kein nationaler Testosteronverlust der Briten. Im Gegenteil, zwischen den Jahren 2000 und 2010 blieb die Rate an Männern mit einem diagnostizierten Testosteronmangel mit 5,2 % bzw. 6,3 % nahezu konstant. Medizinisch ähnlich fragwürdig ist der dramatische Anstieg der Testosteronverschreibungen in den USA, dem mit zwei Milliarden US-Dollar Umsatz (2012) weltweit größten Testosteronmarkt.7 Eine umfassende Anwendungsstudie unter fast 11 Millionen US-Krankenversicherten deckte auf, dass bei einem Viertel der testosterontherapierten Männer vorab überhaupt kein Testosteronspiegel gemessen wurde und dass selbst die Diagnose „Hypogonadismus“, die als Voraussetzung zur Testosterontherapie gilt, nur auf die Hälfte der Männer zutraf.8 Ein Großteil der Männer betreibt ihre Testosterontherapie offenbar völlig unabhängig vom eigenen Testosteronspiegel. Weil die explodierenden Testosteronverkäufe damit aber jeglicher medizinischdiagnostischer Grundlage entbehren, stehen die gezielten Marketingkampagnen rund um die Reizthemen Andropause, Aging-Male-Syndrom und sexuelle Unlust im Alter unter Verdacht. 9, 10 Oder haben Sie zuletzt eine Abnahme Ihrer sportlichen Fähigkeiten bemerkt? Hat sich Ihre sexuelle Lust in letzter Zeit vermindert? Spüren Sie einen Verlust körperlicher und mentaler Vitalität? Die sogenannte „direct-to-consumer“-Werbung greift solch verbreitete und durchaus herkömmliche Altersbeschwerden auf und medikalisiert diese.11 Aber auch wenn diese Art der Krankheitserfindung ein bekannter Trick zur Absatzsteigerung pharmazeutischer Produkte ist12, geht es bei Testosteron um mehr. Es geht um Gesundheit, Vitalität und Schaffenskraft in einer alternden Gesellschaft. Und das interessiert alle, nicht nur Schauspieler und Models.

Ein Steckbrief


Name:

Testosteron

Familie:

Sexualhormone

Eltern:

Cholesterin

Große Schwester:

Östrogen

Großer Bruder:

Dihydrotestosteron

Herkunft:

Hoden (95 %)

Geboren:

1935

Entdecker:

Adolf F. J. Butenandt und Leopold

Ružička

 

Bildung:

6–7 mg pro Tag

Hobbys:

Leichtathletik, Radsport, Politik und Investmentbanking

Auszeichnungen:

Nobelpreis 1939

Körperbau:

19 ringförmig angeordnete Kohlenstoffatome umgeben von Wasserstoff und Sauerstoff

Beste Freunde:

Endokrinologen, Andrologen, Profisportler (und solche, die es werden wollen)

Der Geburtsort des Testosterons liegt inmitten Zürichs, im historischen Chemiegebäude der altehrwürdigen Eidgenössischen Technischen Hochschule. Das chemische Institut lockte Ende des 19. Jahrhunderts zahlreiche Wissenschaftler mit ausgezeichneten Arbeitsbedingungen und modernen Laboratorien. Darunter waren auch die zwei Chemiker Adolf F. J. Butenandt und Leopold Ružička, denen hier 1935 zum ersten Mal die künstliche Herstellung des männlichen Geschlechtshormons Testosteron aus Cholesterin gelang.13 Für die Aufklärung der Struktur des Testosterons erhielten die beiden Chemiker im Jahr 1939 schließlich die höchste Auszeichnung der Wissenschaft: den Nobelpreis. Als Namensgeber gilt jedoch der deutsche Pharmakologe Ernst Laqueur, der das Hormon ebenfalls 1935 aus Stierhoden isolierte und ihm abgeleitet von „testis“ (Hoden) und „Steroid“ (Sexualhormon) den Kunstnamen „Testosteron“ verlieh.

Keine zwei Jahre nach der Vergabe des Nobelpreises wurde künstlich hergestelltes Testosteron erstmals zur medizinischen Behandlung sexueller Unterentwicklung eingesetzt.14 Als sich bereits ein Jahr nach der Testosteronbehandlung eine tiefere Stimmlage, vermehrter Haarwuchs und häufigere Erektionen einstellten, schien das fast 100-jährige Rätsel um die Manneskraft gelöst.15

Schon 1849 vermutete Arnold Berthold die Existenz von Hormonen. Bei seinen Experimenten an kastrierten Hähnen beobachtete der Arzt, dass die Kastration männlicher Küken die weitere Entwicklung zu Hähnen unterbindet, und auch, dass sich...