dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Der Palast der Meere - Ein Waringham-Roman

Rebecca Gablé

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2015

ISBN 9783732511808 , 957 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

11,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

Derzeit können über den Shop maximal 500 Exemplare bestellt werden. Benötigen Sie mehr Exemplare, nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf.


 

Greenwich, März 1560


»Aber irgendwen muss sie heiraten, Mylady«, sagte Don Álvaro de la Quadra, der spanische Gesandte. Es klang beschwörend.

Eleanor of Waringham zog die linke Braue in den Höhe. »Irgendwen?«

»Natürlich wäre es die beste Lösung gewesen, sie hätte sich für Seine Majestät, meinen Herrn König Felipe, entschieden, der ihr Schwager und immer ein Freund der Engländer war, aber …« De la Quadra brach kopfschüttelnd ab.

»Aber König Felipe war des Wartens müde und hat eine französische Prinzessin genommen, darum ist es jetzt wirklich müßig, davon zu reden, nicht wahr?«, bemerkte Eleanor. Sie sagte es mit leisem Spott. Verschmitzt, hätte man meinen können. Denn der spanische Gesandte sollte nicht merken, wie besorgt man am englischen Hof über Felipes eheliche Verbindung mit Frankreich war.

Ein zweistimmiges Lachen ließ sie beide aufschauen. Die Königin stand ein wenig außer Atem vor ihrem Tanzpartner. »Wollt Ihr wohl achtgeben, Ihr unmusikalischer Klotz!«, schalt sie. »Wenn Ihr die Schritte nicht auswendig kennt, müsst Ihr eben zählen. Oder war es Eure Absicht, Eurer Königin den Hals zu brechen?«

Robin Dudley verneigte sich. »Ich ersuche untertänigst, mir die Antwort zu erlassen«, erwiderte er frech.

Elizabeth schlug ihm mit dem Fächer vor die Brust – nicht gerade sanft. »Gleich noch einmal«, befahl sie, und auf ihr Zeichen setzten die Musiker wieder ein. Dudley legte die Hände um ihre Taille, sie die Linke auf seine Schulter, und er hob die Königin zu einer Drehung, als wiege sie nicht mehr als ein Strohhalm. Als er sie absetzte, fanden ihre Hände zueinander, und dieses Mal klappte die komplizierte Wende ohne Pannen.

Elizabeths Augen strahlten.

Dudley setzte zur nächsten Hebefigur an, sodass der Lord Chamberlain und der Lord Treasurer ihm eilig Platz machen mussten.

»Aber die Königin kann doch unmöglich daran denken, ihn zum Gemahl zu nehmen«, wisperte de la Quadra.

»Wie kommt Ihr nur darauf, Exzellenz?«, gab Eleanor zurück, ohne den Blick von den Tänzern abzuwenden. »Ganz abgesehen von allem anderen, hat Robin Dudley bereits eine Gemahlin.«

Der Gesandte schnaubte diskret. »In diesem Land sind Scheidungen doch leichter zu erwirken als Weiderechte …«

Eleanor wandte den Kopf und schaute ihm in die Augen. Sie hielt jeden Ausdruck aus ihrem Gesicht fern und sagte nichts. Schweigen, hatte sie gelernt, konnte manchmal mehr sagen als tausend Worte, und so war es auch dieses Mal: Dem spanischen Gesandten fiel plötzlich siedend heiß ein, dass auch Eleanors Eltern sich hatten scheiden lassen. Seine Taktlosigkeit beschämte ihn so sehr, dass er errötete. Eleanor verbuchte das als persönlichen Triumph, denn Diplomaten sah man nicht gerade oft erröten.

Für einen winzigen Moment berührte sie seinen Ärmel, um ihm zu bedeuten, dass ihm verziehen war. Dann vertraute sie ihm an: »Sie ist sich ihrer Lage sehr wohl bewusst, seid versichert. Ihr mögt die Königin für flatterhaft halten, Exzellenz, oder gar für verantwortungslos, weil sie sich noch für keinen Bräutigam entschieden hat. Aber sie ist weder das eine noch das andere.«

»Natürlich nicht«, pflichtete er ihr hastig bei, aber sie hörte, dass er nicht überzeugt war.

Kühl und grau ging der Tag vor den Fenstern des Presence Chamber zur Neige, und Regen begann gegen die Butzenscheiben zu klimpern. Die Diener gingen umher und zündeten eine verschwenderische Zahl von Kerzen an, sodass die Brokatgewänder und Juwelen der Höflinge zu funkeln begannen.

Wie meistens verbrachte Elizabeth den Nachmittag auch heute hier in der großen Audienzhalle, empfing Gesandte, Lords, Bischöfe oder andere wichtige Gentlemen, um sich ihre Anliegen oder Berichte anzuhören. Es war ein ansprechender, wundervoll ausgestatteter Raum und in der kalten Jahreszeit immer ausreichend beheizt, aber alle Anwesenden im Presence Chamber mussten stehen – und zwar oft stundenlang –, während die Königin auf einem prunkvollen Sessel saß. Und wenn sie des Stillsitzens überdrüssig wurde, kam es vor, dass sie nach den Musikern schickte und einem der anwesenden Gentlemen die Ehre erwies, eine Gaillarde mit ihm zu tanzen. Oder auch eine Volta wie gerade eben, die deutlich mehr Berührungen gestattete als die vergleichsweise züchtige Gaillarde und über die mancher Bischof den Kopf schüttelte, weil bei den Hebefiguren gelegentlich ein Blick auf die Unterröcke der Tänzerin gewährt wurde. Von sauertöpfischen Moralhütern ließ die Königin sich freilich nicht abhalten, und in letzter Zeit erwählte sie für die Volta meistens Robin Dudley. Oder genauer gesagt: immer Robin Dudley. Er war ein hervorragender Tänzer. Ebenso ein exzellenter Reiter und Fechter, er verstand sich zu kleiden, hatte mit der Königin und Eleanor zusammen die Schulbank gedrückt und war darum hoch gebildet und sprach vier oder fünf Sprachen – kurzum, Robin Dudley hatte alles, was die Königin an einem Mann schätzte.

Kein Wunder, dass der spanische Gesandte nervös war. Eleanor war es auch.

»Es wird ihr nun gar nichts anderes mehr übrigbleiben, als Erzherzog Karl von Österreich zu nehmen«, befand de la Quadra. »Wenn sie das Haus Habsburg als Verbündeten verliert, ist England endgültig isoliert. Ihr bleibt gar keine Wahl.«

»Sie ist die Königin«, erinnerte Eleanor ihn kühl. »Sie hat die Wahl, seid versichert.«

»Aber sie muss doch wissen, welch eine mächtige Allianz die Schotten und die Franzosen bilden, jetzt, da Mary Stewarts Gemahl König von Frankreich geworden ist«, zischte der Gesandte aufgebracht. »Und solange Königin Elizabeth nicht heiratet und Söhne zur Welt bringt, ist Mary Stewart als ihre Cousine ihre Erbin!«

»Es gibt andere, die als Erben ebenso in Frage kommen. Und davon abgesehen, wird Euer König Felipe England vor der französisch-schottischen Allianz schützen, wenn er weiß, was gut für ihn ist, nicht wahr? Denn sobald Frankreich seine gierigen Finger nach den spanischen Niederlanden ausstreckt, wird er England brauchen. Also droht mir nicht, denn es wird nichts nützen.«

Don Álvaro de la Quadra schüttelte den Kopf. Es betrübte ihn immer, wenn er erleben musste, dass eine Frau wie ein Mann mit ihm redete, wusste Eleanor. Das widersprach seiner Vorstellung von der gottgewollten Ordnung der Welt. De la Quadra war nicht nur der Gesandte des spanischen Königs in England, er war auch der Bischof von Aquila, darum hielt er sich für einen Experten, was die gottgewollte Ordnung der Welt anging. Eleanor musste allerdings einräumen: Nicht nur katholische Bischöfe vom Kontinent sprachen einer Königin die Fähigkeit ab, ohne einen Gemahl an ihrer Seite zu herrschen. Die protestantischen Gelehrten taten das gleiche. Ein Weib ist unausgefüllt ohne Mann und Kinder, hatte einer von ihnen in der Halle ihres Bruders erklärt, und wenn ihr Gärtchen nicht beackert wird, trübt sich ihr Geist. Gefährlich für eine Königin …

Eleanors Bruder Francis, der Earl of Waringham, hatte den Gast eigenhändig und ziemlich unsanft aus seiner Halle befördert – was ihm überhaupt nicht ähnlich sah –, aber der Mann hatte nur gesagt, was die meisten Menschen glaubten.

»Sie muss sich für einen Bräutigam entscheiden, und zwar bald«, grollte de la Quadra leise. »Wenn sie es nicht tut, wird sie ganz Europa ins Chaos stürzen. Und wenn sie diesen Fatzken nimmt, erst recht.«

Eleanors Mundwinkel verzogen sich amüsiert, als sie sich vorstellte, was Robin Dudley wohl dazu sagen würde, als Fatzke bezeichnet zu werden. Er reagierte ausgesprochen empfindlich auf Beleidigungen. Darüber hinaus war er das nicht. Er war ein Draufgänger und hatte ein Talent, andere Männer mit seiner scharfen Zunge gegen sich aufzubringen, aber er war ein großartiger Mann. Einer der besten, die Eleanor kannte. Willensstark, unerschrocken, humorvoll und in aller Regel aufrichtig. Das war ja das Schlimme. Jeder, der Robin kannte, verstand, warum die Königin so bezaubert von ihm war. Oder vielleicht war besessen das treffendere Wort …

Elizabeth war zu ihrem Thronsessel zurückgekehrt, und die Musiker hatten sich zurückgezogen. Die Königin stützte die Hände auf die Armlehnen – es war eine Geste der Entschlossenheit – und sah sich im Presence Chamber um. »Don Álvaro«, sagte sie mit einem Lächeln. »Was gibt es Neues von meinem lieben Schwager Felipe?«

De la Quadra verabschiedete sich mit einer hastigen Verbeugung von Eleanor und trat vor die Königin. »Der König ist in Sorge wegen der Hugenotten in Frankreich, Majestät«, berichtete er.

»Wie schön, dass er einmal um etwas anderes besorgt ist als mein Wohlergehen und das meiner Untertanen«, gab sie schelmisch zurück, und hier und da wurde geschmunzelt und gekichert.

»Das seinem Herzen indes niemals fern ist«, versicherte der Gesandte.

»Erinnerst du dich, wie es war, als ihr Vater König war?«, fragte Robin Dudley leise, der zu Eleanor ans Fenster getreten war.

»Das könnte ich schwerlich vergessen. Wenn mein Vater und König Henry im selben Raum waren, bekam ich kaum Luft vor Angst.«

»Ja, sie waren nicht die besten Freunde, so viel ist gewiss«, gab Robin grinsend zurück. Er hatte bemerkenswert gute Zähne, die immer ein wenig zu leuchten schienen, wenn er lächelte, weil seine Haut dunkler war als die der meisten anderen Leute. Zigeuner nannten seine zahlreichen Feinde ihn deswegen abfällig. »Wenn der alte König einen Scherz machte, brachen die Höflinge in Gelächter aus. Lang und...