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Die Frau des Teehändlers - Roman

Dinah Jefferies

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2015

ISBN 9783732513093 , 448 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

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1


Zwölf Jahre später, Ceylon, 1925

Den Sonnenhut in der Hand, lehnte sich Gwen an die salzverkrustete Reling und schaute wieder nach unten. Sie hatte die wechselnde Farbe des Meeres seit einer Stunde beobachtet und Papierschnipsel, Orangenschalen und Gemüseabfälle vorbeitreiben sehen. Da die Farbe von Dunkeltürkis zu Grau übergegangen war, wusste sie, dass es nicht mehr lange dauern würde. Sie beugte sich ein Stückchen hinaus, um einem silbernen Stück Stoff hinterherzusehen.

Als das Schiffshorn tutete, laut, anhaltend und sehr nah, ließ sie erschrocken die Reling los. Dadurch glitt ihr das Satintäschchen mit dem feinen Perlenzugband, das Abschiedsgeschenk ihrer Mutter, vom Handgelenk und fiel über Bord. Hastig griff sie danach, aber zu spät. Es wirbelte in die Tiefe und versank im schmutzigen Wasser. Mitsamt ihrem Geld und Laurence’ Brief.

Sie blickte sich um, und in ihr regte sich das Unbehagen, das sie seit der Abreise von England nie ganz hatte abschütteln können. Du kannst von Gloucestershire kaum weiter weg sein als in Ceylon, hatte ihr Vater gesagt. Während sein Satz in ihrem Inneren nachhallte, drang überraschend eine andere Stimme an ihr Ohr, die eindeutig zu einem Mann gehörte, aber ungewöhnlich schmeichelnd klang.

»Neu in Asien?«

Mit ihren violetten Augen und dem blassen Teint zog sie viel Aufmerksamkeit auf sich, daran war sie gewöhnt. Sie drehte sich um und musste in die Sonne blinzeln.

»Ich … Ja. Ich reise zu meinem Mann. Wir haben kürzlich geheiratet.« Sie stockte und konnte sich gerade noch besinnen, nicht weiterzuplappern.

Vor ihr stand ein mittelgroßer, breitschultriger Mann mit einer kräftigen Nase und hellbraunen Augen. Seine schwarzen Brauen und die dunkle, glänzende Haut machten sie sprachlos. Ein bisschen nervös starrte sie ihn an, bis er sie freimütig anlächelte.

»Sie haben Glück. Im Mai ist die See viel rauer. Ich nehme an, er ist Plantagenbesitzer, Ihr Mann«, sagte er.

»Wie kommen Sie darauf?«

»Es gibt gewisse Typen.«

Gwen schaute an sich hinunter auf ihr beigefarbenes Kleid. Es hatte eine tiefe Taille, war aber langärmlig und hochgeschlossen. Sie wollte kein »gewisser Typ« sein, sah aber ein, dass sie, abgesehen von dem Chiffonschal, trist erscheinen könnte.

»Ich habe Ihr Missgeschick gesehen. Der Verlust Ihrer Tasche tut mir leid.«

»Das war dumm von mir«, sagte sie und hoffte inständig, nicht zu erröten.

Wäre sie mehr wie ihre Cousine Fran, würde sie jetzt eine Unterhaltung mit dem Fremden anfangen. Stattdessen betrachtete sie den kurzen Austausch als beendet und drehte sich wieder zur Reling hin, um zuzusehen, wie sich das Schiff Colombo näherte. Über der flimmernden Stadtkulisse erstreckte sich ein kobaltblauer Himmel bis zu fernen violetten Bergen. Es gab Schatten spendende Bäume, und Schwärme von Möwen kreisten schreiend über unzähligen Booten. Kribbelnde Erregung erfasste sie. Laurence hatte ihr gefehlt, und einen Moment lang erlaubte sie sich, von ihm zu träumen. Träumen konnte sie mühelos, aber die Wirklichkeit war aufregend genug und verursachte ihr Schmetterlinge im Bauch. Sie atmete tief die Hafenluft ein, und statt des erwarteten salzigen Geruchs nahm sie andere kräftige Aromen wahr.

»Wonach riecht es hier?«, fragte sie und drehte den Kopf nach dem Mann, der noch an derselben Stelle stand.

Er schnupperte. »Zimt und wahrscheinlich Sandelholz.«

»Es ist etwas Süßes dabei.«

»Jasmin. In Ceylon gibt es viele blühende Pflanzen.«

»Wie hübsch!«, sagte sie. Aber zu den angenehmen Gerüchen gesellte sich ein abstoßender.

»Ich fürchte, es riecht auch nach Abwasser.«

Sie nickte. Vielleicht war es das.

»Ich habe mich noch nicht vorgestellt. Mein Name ist Savi Ravasinghe.«

»Oh.« Sie stutzte. »Sie sind … Ich habe Sie beim Dinner nicht gesehen.«

Er wurde ernst. »Kein Passagier der ersten Klasse, wollten Sie wohl sagen? Ich bin Singhalese.«

Jetzt erst bemerkte sie, dass er hinter dem Seil stand, das die Reisenden der ersten Klasse von den anderen trennte. »Es freut mich, Sie kennenzulernen.« Sie zog sich den weißen Handschuh aus. »Ich bin Gwendolyn Hooper.«

»Dann müssen Sie Laurence Hoopers neue Frau sein.«

Sie nickte verblüfft und fasste an den großen Ceylon-Saphir an ihrem Ring. »Sie kennen meinen Mann?«

Er neigte den Kopf. »Ich bin ihm begegnet, ja. Aber jetzt muss ich mich verabschieden.«

Erfreut über die Begegnung, streckte sie ihm die Hand hin.

»Ich hoffe, Sie werden in Ceylon sehr glücklich, Mrs. Hooper.« Er ignorierte ihre Geste und legte die Hände vor der Brust aneinander, wobei er eine Verbeugung andeutete. »Mögen sich Ihre Träume erfüllen!« Mit geschlossenen Augen hielt er einen Moment lang inne, dann entfernte er sich.

Gwen war ein wenig befremdet. Da sie jedoch an Wichtigeres zu denken hatte, ging sie schulterzuckend darüber hinweg. Sie sollte sich lieber ins Gedächtnis rufen, welche Anweisungen Laurence ihr in dem Brief gegeben hatte.

Zum Glück gingen die Passagiere der ersten Klasse zuerst von Bord und damit auch sie. Dabei kam ihr der Singhalese wieder in den Sinn. Sie empfand eine gewisse Faszination. Einen so exotischen Menschen hatte sie noch nicht kennengelernt, und es wäre sicher unterhaltsam gewesen, wenn er ihr weiterhin Gesellschaft geleistet hätte. Aber natürlich durfte er das nicht.

Die glühende Hitze war ein Schock. Darauf war sie nicht vorbereitet gewesen. Ebenso wenig auf die vielen leuchtenden Farben und den Kontrast zwischen greller Sonne und schwarzem Schatten. Lärm drang auf sie ein: Glockengebimmel, das Hupen der Schiffshörner, die Stimmen der Passagiere und das Summen von Insekten, die sie umschwirrten. Im Strom der Leute fühlte sie sich wie das Treibgut auf dem Wasser. Als sich lautes Trompeten in die Geräuschkulisse mischte, blickte sie staunend zum Frachtkai, wo ein Elefant den Rüssel in die Höhe reckte.

Nachdem sie sich sattgesehen hatte, betrat sie das Hafenamt und traf Vereinbarungen für ihren Schrankkoffer. Dann setzte sie sich in der feuchtheißen Luft auf eine Bank, wo ihr einzig ihr Sonnenhut Schatten spendete. Ab und an verscheuchte sie damit die Fliegen, die ihr über das Gesicht krabbeln wollten. Laurence hatte versprochen, am Passagierkai auf sie zu warten. Bisher war jedoch nichts von ihm zu sehen. Sie versuchte, sich zu erinnern, was er ihr für den Notfall geraten hatte, und entdeckte Ravasinghe, der soeben am Ausgang der zweiten Klasse das Schiff verließ. Sie vermied es, zu ihm hinzusehen, und hoffte, seiner Aufmerksamkeit zu entgehen, da sie gerade aus Verlegenheit über ihre peinliche Lage errötet war. Gwen drehte sich weg und beobachtete, wie am anderen Ende des Kais Teekisten auf einen Lastkahn geladen wurden.

Der Abwassergestank hatte die angenehmen Düfte längst überlagert, und nun kamen andere üble Gerüche hinzu: von Fett, Ochsenkot, verwesendem Fisch. Und während sich der Kai mit verdrossenen Passagieren und aufdringlichen Straßenhändlern füllte, die wertlose Edelsteine und minderwertige Seide an den Mann bringen wollten, wurde ihr vor Nervosität schlecht. Was sollte sie tun, wenn Laurence ausblieb? Er hatte versprochen, sie abzuholen. Sie war erst neunzehn Jahre alt, und er wusste, dass sie ihr Zuhause auf Owl Tree Manor bisher nur ein, zwei Mal verlassen hatte, um mit Fran nach London zu fahren. Sie fühlte sich allein und mutlos. Zu schade, dass ihre Cousine nicht mit ihr zusammen gereist war, sie war gleich nach der Hochzeit von ihrem Anwalt weggerufen worden. Obwohl Gwen großes Vertrauen zu Laurence hatte, war sie doch unangenehm überrascht.

Eine Schar halb nackter brauner Kinder flitzte durch die Menschenmenge, bot Zimt an und bettelte mit großen, Mitleid heischenden Augen um Rupien. Ein Junge, der höchstens fünf Jahre alt war, streckte Gwen ein Bündel Zimtstangen hin. Sie hielt es sich schnuppernd an die Nase. Der Junge sprach mit ihr irgendein Kauderwelsch. Leider besaß sie keine einzige Rupie, und ihr englisches Geld hatte sie verloren.

Sie stand auf und schlenderte umher. Kurz kam ein wenig Wind auf, und irgendwo setzten beunruhigende, dunkel dröhnende Schläge ein. Trommeln, dachte sie. Recht laut, aber nicht so laut, dass sich der Rhythmus erkennen ließ. Sie wollte sich jedoch nicht weiter von ihrem Handkoffer entfernen, den sie bei der Bank gelassen hatte. Plötzlich hörte sie Ravasinghe rufen, und ihr brach der Schweiß aus.

»Mrs. Hooper! Sie dürfen Ihr Gepäck nicht unbewacht lassen.«

Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Ich habe es im Auge behalten.«

»Die Menschen hier sind arm und stehlen gelegentlich. Kommen Sie, ich werde Ihren Koffer tragen und Ihnen einen kühleren Platz zum Warten zeigen.«

»Das ist sehr freundlich von Ihnen.«

»Nicht der Rede wert.« Er nahm sie nur mit den Fingerspitzen beim Ellbogen und bahnte ihr einen Weg durch das Hafengelände. »Das ist die Church Street. Schauen Sie, da drüben am Rand von Gordon Gardens, da steht ein Suriya, auch bekannt als Tulpenbaum.«

Der dicke Stamm hatte tiefe Furchen wie die Falten eines weiten Rockes und ein Blätterdach, das mit seinen leuchtend orangen, glockenförmigen Blüten einen rötlichen Schatten warf.

»Darunter ist es ein wenig kühler. Auch wenn Sie bei der Nachmittagshitze kurz vor dem Monsun wenig Linderung verspüren werden.«

»Wirklich, Sie brauchen nicht bei mir zu bleiben.«

Er lächelte skeptisch. »Ich kann Sie in unserer Stadt nicht allein lassen. Sie...