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Willkommen in der Schattenjäger-Akademie - Legenden der Schattenjäger-Akademie (01)

Cassandra Clare, Maureen Johnson

 

Verlag Arena Verlag, 2015

ISBN 9783401805009 , 64 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

2,99 EUR


 

Das Problem war, dass Simon nicht wusste, was er packen sollte … was so ein knallharter Typ packen würde.

Gepäck für einen Campingausflug – easy. Für eine Übernachtung bei Erik nach einem Wochenendgig – alles klar. Für ein paar Tage am Strand, mit seiner Mom und Rebecca – kein Problem. Simon konnte Sonnencreme, Shorts, passende Band-T-Shirts und saubere Unterwäsche in kürzester Zeit in eine Reisetasche werfen. Für ein normales Leben war er bestens gerüstet.

Aber er hatte einfach keine Ahnung, was er für den Aufenthalt in einem Elitecamp einpacken sollte, in dem dämonenbekämpfende Halbengel namens Schattenjäger versuchen würden, aus ihm ein Mitglied ihrer Kriegerrasse zu machen.

In Büchern und Filmen wurden die Helden entweder in den Klamotten, die sie am Leib hatten, in ein magisches Land transportiert, oder der Teil, wo der Held seine Sachen packte, wurde einfach übergangen. Jetzt hatte Simon das Gefühl, dass die Medien ihm diese entscheidende Information vorenthalten hatten. Sollte er ein paar Küchenmesser in die Tasche packen? Oder den Toaster mitnehmen und zu einer Waffe aufmotzen?

Simon tat weder das eine noch das andere. Er ging lieber auf Nummer sicher: saubere Unterwäsche und T-Shirts mit schrägen Sprüchen. Die Schattenjäger standen doch auf T-Shirts mit schrägen Sprüchen, oder nicht? So was mochte schließlich jeder.

»Ich bin mir nicht sicher, was man in der Militärakademie von T-Shirts mit anzüglichen Sprüchen hält«, wandte seine Mutter ein.

Simon wirbelte herum – zu schnell, denn sein Herz machte einen schmerzhaften Satz. Seine Mom stand mit verschränkten Armen in der Tür. Ihr dauerbesorgtes Gesicht zeigte zusätzliche Sorgenfalten, aber sie betrachtete ihn mit einem eher liebevollen Blick. So, wie sie es immer getan hatte.

Nur mit dem Unterschied, dass Simon sich in einem völlig anderen Strang von Erinnerungen, zu dem er kaum Zugang hatte, in einen Vampir verwandelt hatte. Und dass seine Mutter ihn damals aus dem Haus geworfen hatte. Das war einer der Gründe, weshalb Simon jetzt für die Schattenjäger-Akademie packte und seiner Mutter etwas darüber vorgelogen hatte, unbedingt auf diese Militärakademie zu wollen. Magnus Bane, ein Hexenmeister mit Katzenaugen – Simon kannte wahrhaftig einen echten Hexenmeister mit echten Katzenaugen! –, hatte für ihn ein paar Unterlagen gefälscht, um Simons Mutter davon zu überzeugen, dass ihr Sohn ein Stipendium für diese erfundene Militärakademie erhalten hatte.

Simon hatte sich diese ganze Sache mit der Akademie ausgedacht, weil ihn der Anblick seiner Mutter jeden Tag aufs Neue daran erinnerte, auf welche Weise sie ihn damals angesehen hatte, als sie sich vor ihm gefürchtet hatte. Ihn gehasst hatte. Als sie ihn verstoßen hatte.

»Ich denke, ich hab meine T-Shirts schon richtig ausgewählt«, erwiderte Simon nun. »Ich bin ein ziemlich umsichtiger Typ. Keine zu schicken Sachen fürs Militär. Einfach nur solide Klassenkasperklamotten. Vertrau mir.«

»Natürlich vertraue ich dir. Sonst würde ich dich gar nicht gehen lassen«, sagte seine Mom. Sie machte einen Schritt auf ihn zu, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und reagierte überrascht und gekränkt, als Simon zurückzuckte. Aber sie ging nicht weiter darauf ein, nicht an seinem letzten Tag. Stattdessen schlang sie die Arme um ihn. »Ich liebe dich. Vergiss das nicht.«

Simon wusste, dass er unfair war: Seine Mutter hatte ihn damals rausgeworfen, weil sie ihn nicht mehr für ihren Sohn, sondern für ein gottloses Monster mit Simons Gesicht gehalten hatte. Dennoch fand er, dass sie ihn hätte erkennen und trotz allem lieben müssen. Er konnte einfach nicht vergessen, was sie getan hatte.

Auch wenn sie es vergessen hatte. Auch wenn das Ganze für sie und fast alle anderen auf der Welt überhaupt nicht passiert war.

Und deshalb musste er fort.

Simon versuchte, sich in ihrer Umarmung zu entspannen. »Ich hab ziemlich viel um die Ohren«, sagte er und legte eine Hand auf ihren Arm. »Aber ich werde versuchen, mich daran zu erinnern.«

Seine Mutter löste sich von ihm. »Das ist die Hauptsache. Bist du dir sicher, dass es kein Problem ist, wenn deine Freunde dich mitnehmen?«

Sie meinte Simons Schattenjäger-Freunde (die er als seine Kumpel von der Militärakademie ausgab und die ihn angeblich dazu überredet hatten, sich ebenfalls dort anzumelden). Simons Schattenjäger-Freunde waren der andere Grund, warum er aus New York wegwollte.

»Ja, ich bin mir sicher«, sagte Simon. »Tschüss, Mom. Ich hab dich lieb.«

Und das meinte er auch so. Er hatte nie aufgehört, seine Mutter zu lieben, ob nun in diesem Leben oder in irgendeinem anderen.

Ich liebe dich bedingungslos, hatte seine Mutter ein oder zwei Mal gesagt, als er noch kleiner gewesen war. Denn so lieben Eltern ihre Kinder nun mal. Ich liebe dich, ganz gleich, was auch geschieht.

Viele Leute sagten so etwas gern dahin, ohne über potenzielle Albtraumszenarien oder schreckliche Umstände nachzudenken oder darüber, dass die Welt untergehen und die Liebe einfach schwinden konnte. Niemand von ihnen käme im Traum auf die Idee, dass ihre Liebe einmal auf die Probe gestellt werden und versagen könnte.

Rebecca hatte ihm eine Karte geschickt: VIEL GLÜCK, SOLDATENJUNGE! Simon erinnerte sich daran, wie seine Schwester ihn trotz seiner Verbannung aus dem gemeinsamen Zuhause, dessen Tür für ihn in jeder erdenklichen Hinsicht verriegelt gewesen war, in den Arm genommen und ihm beruhigend ins Ohr geflüstert hatte. Sie hatte ihn weiterhin geliebt, selbst damals. Das durfte man nicht vergessen. Das war immerhin etwas, aber es reichte nicht aus.

Hier konnte er einfach nicht bleiben – gefangen zwischen zwei Welten und zwei Erinnerungssträngen. Er musste weg. Er musste fort und ein Held werden, so einer, wie er schon einmal gewesen war. Dann würde sich all das zusammenfügen, eine Bedeutung bekommen. Und dann würde es bestimmt nicht mehr so wehtun.

Simon hielt einen Moment inne, dann schwang er seine Tasche über die Schulter und machte sich auf den Weg. Er hatte die Karte seiner Schwester eingesteckt und verließ sein Zuhause für ein seltsames neues Leben. Dabei trug er ihre Liebe mit sich, so, wie er es schon einmal getan hatte.

Simon traf sich mit seinen Freunden, obwohl keiner ihn zur Akademie begleiten würde. Er hatte mit ihnen vereinbart, dass er zum Institut kommen und sich vor seiner Abreise noch kurz verabschieden würde.

Es hatte einmal eine Zeit gegeben, in der er ohne fremde Hilfe den Zauberglanz durchdringen konnte. Diesmal hatte Magnus ihm dabei helfen müssen. Simon blickte zu dem eigenartigen, imposanten Institutsgebäude auf und erinnerte sich mit einem unbehaglichen Gefühl daran, dass er früher an diesem Ort vorbeigegangen war und nur ein verfallenes Bauwerk gesehen hatte. Doch das war in einem anderen Leben gewesen. Er erinnerte sich vage an eine Stelle in der Bibel, wo von Kindern die Rede war, die die Welt wie durch einen getrübten Spiegel sahen. Aber erwachsen werden bedeutete, dass man alles klar sehen konnte. Und jetzt konnte er das Institut ziemlich deutlich erkennen: ein beeindruckendes Gebäude, das hoch über ihm aufragte. Die Art von Bauwerk, bei dessen Anblick Menschen sich wie Ameisen vorkommen.

Simon stieß das mit kunstvollen Ornamenten verzierte Tor auf, betrat den schmalen Pfad zum Institut und durchquerte den Innenhof. Die Mauer, die das Institut umgab, umschloss einen Garten, in dem kaum etwas richtig wuchs – was wahrscheinlich an der Nähe zu einer vielbefahrenen New Yorker Straße lag. Simons Blick fiel auf breite, gepflasterte Wege, Steinbänke und sogar die Statue eines Engels – der Simon nervöse Zuckungen bereitete, da er ein großer Fan der TV-Serie Doctor Who war. Der Engel weinte zwar nicht, aber er wirkte für Simons Geschmack viel zu deprimiert.

Auf einer der Steinbänke in der Mitte des Gartens saßen Magnus Bane und Alec Lightwood – ein Schattenjäger, der groß, dunkelhaarig, ziemlich stark und schweigsam war, zumindest in Simons Gegenwart. Dagegen war Magnus redselig, besaß besagte Katzenaugen und magische Kräfte. Heute trug er ein eng anliegendes T-Shirt mit Zebrastreifenmuster und pinkfarbenen Akzenten. Magnus und Alec waren schon eine ganze Weile zusammen und Simon schätzte, dass Magnus genug für sie beide reden konnte.

Hinter Magnus und Alec standen Isabelle und Clary an der Gartenmauer. Isabelle lehnte gegen die Steine und blickte über die Mauer in die Ferne. Sie sah aus, als würde sie gerade für ein unfassbar glamouröses Fotoshooting posieren. Aber so sah sie eigentlich immer aus; das war ihre große Begabung. Dagegen starrte Clary unbeirrt zu ihr hoch und redete auf sie ein. Simon hatte den Eindruck, dass Clary letztendlich ihren Willen durchsetzen und Isabelle dazu bringen würde, ihr zuzuhören. Das war ihre große Begabung.

Der Anblick der beiden versetzte Simon einen Stich in die Brust; irgendetwas an Isabelle und Clary löste in ihm einen dumpfen, beständigen Schmerz aus.

Also hielt er lieber nach seinem Freund Jace Ausschau, der allein im wuchernden Gras kniete und eine kurze Klinge an einem Stein schärfte. Simon nahm an, dass Jace seine Gründe dafür hatte. Aber möglicherweise wusste er auch einfach, wie verdammt cool er dabei aussah. Jedenfalls hätten er und Isabelle jederzeit für ein gemeinsames Shooting für die neueste Ausgabe von Knallharte Typen posieren können.

Alle waren gekommen. Nur für ihn.

Simon hätte sich geehrt und geliebt fühlen müssen. Aber er verspürte bloß ein merkwürdiges Unbehagen: Nur...