dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Eine lustvolle Versuchung - Roman

Celeste Bradley

 

Verlag Blanvalet, 2015

ISBN 9783641103668 , 448 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

4,99 EUR


 

Kapitel 1

England, 1818

Wenn ich nur den Mut fände, könnte ich zu den glückseligsten Frauen weit und breit gehören – wenn doch nur dieser lästige gesunde Menschenverstand mir nicht gleich eilig versichern würde, dass ich ebenso gut zu den unglückseligsten gehören könnte und dass ein Leben voller Gewissensbisse vor mir liegt, hinter mir dagegen nur süße Erinnerungen.

Ich glaube, ich würde mich lieber für die Zukunft entscheiden, egal für welche, als auch nur einen einzigen Tag länger in diesem zermürbenden Zustand von »ungeliebt« oder »übersehen« ausharren zu müssen.

Wenn ich nur den Mut fände …

Gemächlich schlenderte Mrs. Gideon Talbot über den Bürgersteig. Miranda war heute ohne ihre Zofe unterwegs, denn die arme Tildy hatte sich eine schlimme Erkältung eingefangen und mit einem heißen Tee und einer Tasse Hühnerbrühe in ihr Bett gekuschelt. Miranda schätzte es sehr, frei und ohne Begleitung unterwegs zu sein. Warum war es eigentlich nötig, dass eine Lady stets von ihrer Zofe begleitet wurde? Im Ernstfall könnte die zarte Tildy sie doch ohnehin kaum beschützen. Genauso wenig wurde sie gebraucht, um Pakete zu schleppen, denn kaum dass Miranda in einem Laden ihre Anschrift genannt hatte, wurden ihre Einkäufe garantiert und unverzüglich geliefert. Es sah danach aus, als richtete sich alle Welt nach den Wünschen einer wohlhabenden, respektablen Witwe – ehrlich gesagt ein recht erfrischender Zustand. Anstatt also die übliche Runde durch die Läden zu drehen und bei den Lieferanten vorbeizuschauen, hatte Miranda ihre Mietkutsche in eine Gegend dirigiert, die ihr weniger vertraut war. Dabei hatte sie gar nicht erwartet, ihn dort zu sehen. Nein, sie war einfach nur neugierig; sie wusste, dass er ganz in der Nähe residierte, und wünschte, ein wenig mehr über diesen Mann zu erfahren, den sie sich nicht mehr aus dem Kopf schlagen konnte. Und als ob sie ihn durch ihre Gedanken herbeigerufen hätte, trat im selben Moment ein großer dunkelhaariger Bursche aus einer Gasse, rannte quer über die Straße und wich dabei Karren, Reitern und Pferdeäpfeln aus. Miranda kannte diesen Mann. Sie wusste, wie breit seine Schultern waren und wie sein Haar sich über den Kragen kringelte. Ganz besonders gut kannte sie den harten, muskulösen Hintern des Reiters. Denn an den meisten Nachmittagen in den vergangenen vier Wochen hatte dieser Hintern auf ihrem Sofa gesessen, während sie den zugehörigen Mann mit Tee und Konversation versorgt hatte. Mr. Pollux Worthington. Mr. Worthington war wirklich ein attraktiver Bursche, auch wenn Miranda sich hauptsächlich für das lässige Lächeln und seinen verschmitzten Humor interessierte. Nachdem ihre trockene, lieb- und leblose Ehe in eine stille, verstaubte Witwenschaft übergegangen war, waren die Hitze und das Licht der Besuche von Mr. Worthington zum Höhepunkt ihrer Tage avanciert. Es ging vollkommen in Ordnung, dass ein oder zwei ehrenwerte Gentlemen sie ab und zu aufsuchten, und sie erinnerte sich an die harsche Stimme der Vergangenheit, die ihr immer wieder durch den Kopf hallte. Die Hälfte ihrer Trauerzeit hatte sie bereits hinter sich gebracht und nicht mehr als zwei ganz und gar respektablen Burschen den Schritt über ihre ganz und gar respektable Schwelle erlaubt. Die Aufwartungen hatten am helllichten Nachmittag stattgefunden und selten länger als eine angenehme halbe Stunde gedauert. Zugegeben, manchmal wanderten ihre Gedanken zu Mr. Worthingtons großen, geschickten Händen. Oder ihr Blick hing an seinen Lippen. Oder sie gab sich schwärmerisch der Einbildung hin, wie sein muskulöser Hintern sich wohl in ihren Händen anfühlen mochte … Aber es brauchte doch schließlich niemand zu wissen, was sich hinter ihren züchtig niedergeschlagenen Lidern abspielte, oder?

In den letzten Tagen hatte Mr. Worthington ihr keinen Besuch mehr abgestattet. Miranda redete sich ein, sie wünschte sich nur zu überzeugen, dass es ihm gut ginge … Obwohl ein bis drei gebrochene Knochen seine merkwürdige und plötzliche Abwesenheit nach all der Aufmerksamkeit, die er ihr geschenkt hatte, höchst zufriedenstellend erklären würden! Es lag also an nichts anderem als an freundschaftlicher Besorgnis, dass sie sich jetzt in der Nachbarschaft seines Hauses herumtrieb. Nein, nicht dass sie ihm dorthin gefolgt war, wirklich nicht. Aber da er sich nun einmal dort aufhielt und, was für ein glücklicher Zufall, sie sich auch, und da sie nun einmal über dieselbe Straße bummelten … Ja, sie konnte sich natürlich auch den ganzen Tag über damit beschäftigen sich einzureden, dass sie dem Mann nicht gefolgt war wie der Hund einer Fährte, obwohl es eine Tatsache blieb, dass sie ebengerade nichts anderes tat. Und obwohl sie nur ganz kurze Zeit getrennt gewesen waren, musste sie lächeln, als sie ihn jetzt erblickte.

Ich glaube, mir wird schwindlig. Nicht zu fassen! Ich bin viel zu erwachsen und viel zu respektabel, als dass mir schwindlig werden dürfte.

Einunddreißig Jahre alt und obendrein noch Witwe! Wie konnte es sein, dass der bloße Anblick eines bestimmten Mannes sie in ein schwärmerisches Schulmädchen verwandelte?

Es ist unerträglich. Nein, das mache ich nicht mit, ich weigere mich … auch nur einen einzigen Augenblick länger in diesem lächerlichen Zustand zu verharren!

Sah er nicht wunderschön aus, mit der frühsommerlichen Sonne, die sich wie goldener Honig über ihn ergoss und seinem hellbraunen Haar Glanz verlieh und diesen faszinierenden Schatten genau unter seinem kantigen Wangenknochen zeichnete? Er sah so unglaublich gut aus.

Schwindlig! Und verträumt! Unausstehlich!

Panik keimte in ihr auf. Was sollte sie tun? Sollte sie sich lässig und selbstsicher geben und ihn unverbindlich grüßen? Sollte sie wie eine hohlköpfige Säule dort stehen bleiben und hoffen, dass er sie erspähte? Miranda biss sich auf die Lippe, als sie über ihr Dilemma nachdachte. Oder dachte sie etwa an Mr. Worthingtons Hintern? Dieser Hintern war muskulös und hart, gekleidet in enge Reithosen, und hatte genau die richtige Form für einen Mann. Denn schließlich war es so, dass der Rücken des Mannes, wenn der Hintern zu klein war, direkt in seine Beine überging, so als ob Regen an einer Rinne heruntertropfte. War der Hintern zu groß, weckte der Bursche unglückliche Vergleiche mit einer Ente, eingeschlossen der Neigung zum Watscheln. Nein, das fragliche Gesäß war zweifellos ein ganz außerordentliches Exemplar. Und es gehörte ihr. Oder könnte ihr jedenfalls gehören, wenn sie nur den Mut finden würde. Besagter Hintern hatte an vielen Nachmittagen der vergangenen Wochen in ihrem Salon auf dem Sofa gesessen … einen Besuch nach dem anderen und viele Tassen Tee samt erfreulich geistreicher Konversation. Gute Gespräche waren für Miranda berauschender als Wein. Ihr verstorbener Ehemann war nie ein großer Redner gewesen, vom Zuhören ganz zu schweigen. Gideon war ein hochangesehener Gentleman gewesen und ein echter Fang für ein unscheinbares Mädchen wie sie – mit ihren ungelenken Ellbogen und Knien und ihrer unglücklichen Neigung zu einem flachen Busen. Es lag nicht an Gideon, dass er nicht merkte, wie sehr sie sich Gespräche wünschte. Denn während er ihr den Hof gemacht hatte, war sie von ihrer Großmutter praktisch zum Schweigen verdonnert worden. Noch einmal drang deren harsche Stimme durch den Nebel der Vergangenheit zu ihr herauf. »Du bleibst still sitzen, du bewahrst Haltung, und du nickst, aber nicht zu sehr! Denk dran, dass du lächelst, aber nicht zu breit!« Lebhaft wie immer echote ihr das Gezeter durch den Kopf. »Du wirst mir keine Schande machen wie deine Mutter, dieses wilde Luder! Dass mein erbärmlicher Sohn sich wegen ihr entehrt hat …« Nun, an den Rest verschwendete man besser keinen weiteren Gedanken.

Zeit und Reife hatten Miranda schließlich doch noch ein wenig Busen geschenkt, und sie hatte gelernt, Ellbogen und Knie elegant zu zügeln – meistens dadurch, dass sie sich um langsame und fließende Bewegungen bemühte. Allerdings war es ihr niemals gelungen, diese merkwürdigen Gedanken aus ihrem Kopf zu verbannen; sie hatte lediglich gelernt, ihre Zunge im Zaum zu halten und nicht alles auszusprechen.

Das Gesäß – äh, der Mann, den sie beobachtet hatte – verließ gerade das Gebäude, das er kurz zuvor betreten hatte, nur um sofort hastig die Straße zu überqueren und die Gasse in entgegengesetzter Richtung entlangzueilen.

Neugier – eigentlich unkleidsam für eine gesetzte, gereifte Witwe von einunddreißig Jahren – nagte erbarmungslos an ihr und verlangte Einlass in ihr Inneres. Miranda hatte die Stirn in zarte Falten gelegt und konnte nicht widerstehen, in ihrem vollkommen unschuldigen und keineswegs ungehörigen Bummel innezuhalten und in ebendiese Gasse zu starren, an der sie gerade vorbeikam. Mehr als schäbiges Kopfsteinpflaster und verschmierte Mülleimer konnte sie kaum erkennen. Die Vormittagssonne half auch nicht, den schmalen Weg zwischen den großen Backsteingebäuden zu erhellen. Miranda neigte den Kopf und lauschte sorgfältig, hörte aber nur ein paar seltsame Klopfgeräusche, die durch die enge Passage verstärkt wurden. Ladys ließen sich nicht dazu herab, in dunklen Gassen Männern nachzuspionieren – und schon gar nicht gesetzte Witwen eines gewissen Alters. Und doch war es so, dass die bisher gehemmten Empfindungen, die durch die Abwesenheit der pflichtbewussten Tildy in Miranda geweckt worden waren, einen freiheitlichen Schimmer auf ihre Gedanken warfen –...