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Todeshandel - Ein Kurt-Austin-Roman

Clive Cussler, Graham Brown

 

Verlag Blanvalet, 2015

ISBN 9783641169268 , 512 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz DRM

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9,99 EUR


 

PROLOG

Vom Erdboden verschluckt
Durban, Südafrika, 25. Juli 1909

Sie fuhren mitten in ein Nichts hinein, zumindest kam es Chief Inspector Robert Swan vom Durban Police Department so vor.

In einer mondlosen Nacht unter einem Himmel, so dunkel wie Zeichentusche, saß Swan als bewaffneter Begleitschutz im Führerhaus eines Motorlastwagens, der in der ländlichen Gegend nördlich von Durban gerade über eine staubige Piste rumpelte. Die gelben Lichtstrahlen aus den Scheinwerfern des großen Packard flackerten und hüpften und schafften es nur unzureichend, den Weg vor ihnen zu erhellen. So angestrengt er auch in die Dunkelheit starrte, Swan konnte niemals mehr als vierzig Meter von der mit Spurrillen durchzogenen Landstraße erkennen.

»Wie weit ist es noch bis zum Farmhaus?«, fragte er und drehte sich halb zu einem schlanken, drahtigen Mann namens Morris um, der neben ihm und dem Chauffeur eingezwängt in der Mitte der Sitzbank saß.

Morris sah auf seine Uhr, beugte sich zum Fahrer und warf einen Blick auf den Kilometerzähler des Lastwagens. Nach einigen im Kopf ausgeführten Berechnungen schaute er auf die Landkarte, die er auf seinem Schoß ausgebreitet hatte. »Wir sollten bald da sein, Inspector. In zehn Minuten höchstens, meine ich.«

Der Chief Inspector nickte und suchte mit der Hand am Türrahmen Halt, während der Lastwagen seine schwankende Fahrt fortsetzte. Der Packard, auch bekannt als Three Ton, war das neueste Modell aus Amerika und eines der ersten Motorfahrzeuge, die das Durban Police Department angeschafft hatte. Er war per Schiff geliefert worden, mit umgebautem Führerhaus und Windschutzscheibe. Einfallsreiche Mechaniker des neu gegründeten Fuhrparks hatten eine Rahmenkonstruktion auf die Ladefläche montiert und eine Segeltuchplane darüber gezogen. Allerdings hatte niemand daran gedacht, für mehr Bequemlichkeit zu sorgen.

Während der Lastwagen über die von Pferdefuhrwerken zerfurchte Piste hüpfte und schlingerte, kam Swan zu dem Schluss, dass er in diesem Moment lieber auf einem Pferd gesessen hätte. Aber was dem großen Laster an Komfort fehlte, machte er mit Transportvolumen wett. Außer Swan, Morris und dem Fahrer im Führerhaus gehörten acht Polizisten auf der Ladefläche zur Besatzung.

Swan lehnte sich über den Türrand und schaute nach hinten. Vier Scheinwerferpaare folgten. Drei Personenwagen und ein zweiter Packard. Insgesamt hatte Swan fast ein Viertel der gesamten Polizeistreitmacht Durbans im Schlepptau.

»Sind Sie sicher, dass wir so viele Männer brauchen?«, fragte Morris.

Vielleicht war es wirklich ein wenig übertrieben, dachte Swan. Andererseits waren die Kriminellen, auf die sie es abgesehen hatten – ein Verein, der von den Zeitungen Klaar River Gang genannt wurde –, zahlenmäßig nicht zu unterschätzen. Die Rede war von immerhin dreißig bis vierzig Männern, je nachdem welcher Angabe man Glauben schenkte.

Obwohl sie als gewöhnliche Wegelagerer begonnen und jeden beraubt und erpresst hatten, der versuchte, im Veld auf anständige Art und Weise seinen Lebensunterhalt zu verdienen, waren sie während des vorangegangenen halben Jahres hinterlistiger und brutaler geworden. So wurden die Farmhäuser derer, die sich weigerten, Schutzgeld zu zahlen, einfach niedergebrannt. Goldgräber, Diamantensucher und Reisende verschwanden spurlos. Die Wahrheit kam ans Licht, als mehrere Angehörige der Bande bei einem versuchten Bankraub ertappt wurden. Sie wurden zum Verhör nach Durban gebracht, nur um während eines dreisten Überfalls ihrer Komplizen wieder befreit zu werden. Dabei wurden drei Polizisten getötet und vier weitere verletzt.

Dies war eine Grenze, die sie nie hätten überschreiten dürfen. »Ein fairer Kampf interessiert mich nicht«, erklärte Swan. »Muss ich Sie daran erinnern, was vor zwei Tagen geschehen ist?«

Morris schüttelte den Kopf, und Swan schlug mit der Hand gegen die Wand, die das Führerhaus von der Ladefläche des Lastwagens trennte. Eine Klappe wurde aufgeschoben, und das Gesicht eines vierschrötigen Mannes erschien und füllte die Öffnung aus.

»Sind Ihre Männer bereit?«, fragte Swan.

»Wir sind bereit, Inspector.«

»Gut«, sagte Swan. »Denken Sie daran, keine Gefangenen heute Nacht.«

Der Mann nickte kommentarlos, aber die Worte veranlassten Morris zu einem vielsagenden Seitenblick.

»Haben Sie ein Problem damit?«, blaffte Swan.

»Nein, Sir«, sagte Morris und schaute wieder auf seine Landkarte. »Es ist nur, dass … wir sind fast da. Gleich hinter diesem Hügel.«

Swan richtete seine Aufmerksamkeit erneut auf die Straße und atmete tief durch, um sich für das Kommende zu wappnen. Fast gleichzeitig nahm er den Brandgeruch wahr. Er war unverkennbar, wie von einem Lagerfeuer.

Sekunden später erreichte der Packard den Scheitelpunkt des Hügels, und die kohlrabenschwarze Nacht wurde von einem wabernden orangefarbenen Lodern auf dem Feld unter ihnen aufgerissen. Das Farmhaus brannte von einem Ende bis zum anderen. Flammen hüllten es ein und leckten bis in den Himmel hinauf.

»Verdammt!«, fluchte Swan.

Die Fahrzeuge rasten den Hügel hinab und fächerten sich auf. Die Männer stiegen aus und umzingelten das Haus.

Niemand wehrte sich. Niemand schoss auf sie.

Morris führte den Trupp näher heran. Dabei achteten sie darauf, dass sie den Wind im Rücken hatten, und drangen in den letzten Teil der Scheune ein, der noch nicht Feuer gefangen hatte. Mehrere Pferde wurden gerettet, aber die einzigen Bandenmitglieder, die sie fanden, waren bereits tot. Einige waren halb verbrannt, andere angeschossen und sterbend zurückgelassen worden.

Das Feuer löschen zu wollen war hoffnungslos. Das alte Holz und die Ölfarbe knisterten und brannten wie Petroleum. Dabei entstand eine derartige Hitze, dass sich Swans Männer zurückziehen mussten, wenn sie nicht bei lebendigem Leib gegrillt werden wollten.

»Was ist passiert?«, fragte Swan einen seiner Leutnants.

»Sieht so aus, als hätten sie Streit gehabt«, sagte Morris.

Swan überlegte. Bereits vor den Verhaftungen in Durban waren Gerüchte aufgekommen, die darauf hindeuteten, dass die Bande im Begriff war, sich aufzulösen. »Wie viele Tote?«

»Gefunden haben wir fünf. Einige von den Jungs meinen, sie hätten noch zwei weitere im Haus gesehen, kamen jedoch nicht an sie heran.«

In diesem Moment knatterten Schüsse.

Swan und Morris gingen hinter dem Packard in Deckung. Aus geschützten Positionen schossen die Beamten zurück und feuerten blindlings in das Flammeninferno hinein.

Die Schüsse dauerten an, mit seltsamen Pausen zwischen den Salven, aber Swan sah keine einzige Kugel in seiner Nähe einschlagen.

»Feuer einstellen!«, rief er. »Und die Köpfe unten behalten!«

»Aber sie schießen auf uns!«, rief einer der Männer.

Swan schüttelte den Kopf, auch wenn das Stakkato des Gewehrfeuers andauerte. »Das ist nur die Munition, die in der Hitze explodiert!«

Der Befehl wurde weitergegeben und von einem Mann zum nächsten gerufen. Trotz seiner eigenen Anweisung richtete sich Swan auf und schaute über die Motorhaube des Lastwagens hinweg.

Mittlerweile hüllten die Flammen das gesamte Farmgebäude ein. Die massiven Balken sahen aus wie das Gerippe eines Riesen auf dem Scheiterhaufen eines Wikingerstamms. Die Flammen leckten an ihnen, züngelten um sie herum und brannten grellweiß und orange mit gelegentlichen grünen und blauen Blitzen dazwischen. Es sah aus, als habe sich die Hölle geöffnet, die die Bande und ihr Versteck jetzt von innen verschlang.

Eine mächtige Explosion innerhalb des Gebäudes zerfetzte das gesamte Anwesen. Durch die Druckwelle wurde Swan zurückgeschleudert und landete hart auf dem Rücken, während Trümmer gegen die Seitenwand des Packards prasselten.

Nur wenige Augenblicke nach der Explosion fiel brennendes Konfetti vom Himmel. Tausende von winzigen Papierfetzen wirbelten durch die Luft und formten vor dem schwarzen Nachthimmel eine Wolke aus Rauch und Asche. Dort, wo nicht vollständig verglühte Feuerflocken den Erdboden berührten, setzten sie das ausgedörrte Gras in Brand.

Sofort versuchten Swans Männer die kleinen Brandherde auszutreten, um zu verhindern, dass sie von einem Buschfeuer eingeschlossen wurden.

Swan bemerkte, dass einige Papierfetzen ganz in der Nähe landeten. Er rollte sich auf dem Boden dorthin, streckte sich nach einem Teilchen aus und löschte die Glut mit der Hand. Zu seiner Überraschung erkannte er Zahlen, Buchstaben und das ernste Gesicht von König George.

»Zehner«, stellte Morris aufgeregt fest. »Zehn-Pfund-Noten. Tausende davon.«

Als die Männer begriffen, was da vom Himmel herabregnete, verdoppelten sie ihre Anstrengungen, rannten herum und sammelten die angeschmorten Reste mit einer freudigen Begeisterung, die sie beim Einsammeln von Beweisen sonst nie an den Tag legten. Einige Banknoten waren noch gebündelt und nur an den Rändern angesengt. Andere wirkten wie Laub in einem Kamin – zusammengerollt und bis zur Unkenntlichkeit verkohlt und schwarz.

»Das verleiht dem Begriff ›die Beute verpulvern‹ eine ganz neue Bedeutung«, stellte Morris fest.

Swan lachte verhalten, aber er hörte gar nicht richtig zu. Seine Gedanken waren woanders. Er betrachtete das Feuer, zählte die Leichen und entwickelte im Kopf einen Fall, so wie er es auf der Polizeischule gelernt hatte und als Polizeiinspektor gewöhnt war.

Irgendetwas stimmte nicht. Ganz und gar nicht.

Anfangs schrieb er diesen Eindruck dem widersprüchlichen Verlauf des Abends...