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Der Ritter der Könige - Die Geraldines-Saga 3 - Historischer Roman

Sabrina Qunaj

 

Verlag Goldmann, 2016

ISBN 9783641167363 , 704 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

Pembrokeshire, Südwestwales, März 1145

Sein Tod war gewiss. Der Gedanke ärgerte ihn mehr, als dass er ihm Angst einjagte. Aber er konnte ihn auch nicht vertreiben, als der Windhauch eines vorbeizischenden Pfeils ihn an der Wange streifte. Die Geschosse kamen von überallher, brachen aus dem Nebel, der zwischen den dichtstehenden Nadelhölzern waberte und das Unterholz in einen milchigen Schleier hüllte. Die Angreifer verhielten sich ruhig, da war einzig das Surren der Pfeile, immer und immer wieder aus dem Nichts.

»Holt mir diese dreckigen Waliser aus dem Gebüsch!«, rief der Constable of Pembroke über das Geschrei der Männer. Der Constable war Maurice’ Herr, und für gewöhnlich gehorchte er ihm ohne zu zögern, aber dieser Befehl war Selbstmord.

Ein Geschoss nach dem anderen schwirrte an ihm vorbei; das Geräusch wirkte unwirklich laut und schien jedes andere zu verschlucken. Es hüllte Maurice ein, und der Ursprung war einfach nicht auszumachen.

Nach Deckung suchend drehte er sich in der baumumstanden Senke im Kreis. Seine Hand umklammerte das Heft seines Kurzschwertes, das er noch nicht lange besaß und auch noch nie benutzt hatte. Am liebsten hätte er sich den viel zu großen Helm vom Kopf gerissen. Der Nasenkolben tanzte in seinem Blickfeld und gaukelte ihm eine feindliche Bewegung vor, aber er war sein einziger Schutz vor den Walisern. Außer dem gepolsterten Wams, das seinen Oberkörper kleidete, trug er nichts, das Hiebe oder Stiche dämpfen könnte.

Vierzehn Winter hatte er bereits überlebt, und er hatte nicht vor zu akzeptieren, dass dieser Tag sein letzter war. Sie hatten die Rebellen, die unweit von St. Issels gesichtet worden waren, stellen wollen, aber jetzt fanden sie sich in einem Hinterhalt wieder.

»Komm schon, Mann!«

Maurice fuhr herum und entdeckte seinen besten Freund Meilyr, der einem Ritter folgte, Kurzschwert in der Hand, bereit zum Kampf. Meilyr war ebenfalls ein Knappe im Dienst des Constable und nur wenig jünger als Maurice. Dafür aber sehr viel unüberlegter.

Mit einem Fluch auf den Lippen rannte Maurice los, seinem Freund hinterher. Seine Stiefel pflügten durch knöcheltiefes Laub, Zweige knackten unter ihm und verfingen sich zwischen seinen Beinen, doch in all dem Nebel konnte er nicht erkennen, wohin er trat. Er sah nur den Ritter, der einen Schritt vor Meilyr niederbrach.

»Meilyr, komm zurück!«

Aber Meilyr blieb nicht stehen, er eilte Ruhm oder Tod entgegen, und Maurice beschleunigte seine Schritte, streckte die Hand aus. »Beim Gekreuzigten, willst du dich umbringen?« Mit eisernem Griff packte er Meilyrs Schulter und zerrte ihn fort, ungeachtet der Gegenwehr. »Der Constable hat sich auch schon zurückgezogen, komm endlich, hier gehen wir drauf!«

»Lass los, den krieg ich!«

Maurice warf einen gehetzten Blick zum Gestrüpp aus knorrigen Sträuchern und hatte das Gefühl, die hasserfüllten Augen des Feindes zu sehen und eine Pfeilspitze auf sich gerichtet zu spüren. Er konnte nicht länger warten, verstärkte den Griff um Meilyrs Arm und rannte, ohne loszulassen.

Den Blick auf die schwarzen Schemen der Baumgerippe gerichtet torkelte er vorwärts, setzte einen Schritt vor den anderen, stets das Gefühl im Nacken, jeden Moment getroffen zu werden. Er blickte zurück, sah eine huschende Bewegung im Nebel und schob Meilyr aus einem Impuls heraus vor sich. Nicht mehr weit, sagte er sich, gleich haben wir es geschafft. Er sah den Constable, der seine Männer sammelte, und wähnte sich bereits in Sicherheit, als ein brennender Schmerz seinen linken Arm durchzuckte. Es war, als traf ihn ein Feuerstrahl, der sich tief ins Fleisch brannte, und ein schmerzvolles Stöhnen entkam ihm. Beinahe stürzte er, doch er biss die Zähne zusammen und taumelte weiter. Noch war er in der Lage, seine Glieder zu bewegen und Schmerz zu fühlen. Das bedeutete, er war noch am Leben.

Ein unsanfter Stoß in den Rücken warf ihn gegen den Stamm einer Ulme, sein Helm prallte dagegen, und einen Moment lang tanzten Sterne vor seinen Augen. Als er aber über sich das Knurren des Constable hörte, wusste er, wer ihn empfangen hatte.

»Verfluchte Narren, was lauft ihr hier wie die Hühner in der Gegend herum, als wäre Markttag?«

»Ihr habt befohlen, die Waliser aus dem Gebüsch zu holen, Onkel!«, begehrte Meilyr an seiner Seite auf, während Maurice noch zu sich kam und versuchte, aus dem See des Schmerzes aufzutauchen.

Der Constable schnaubte. »Aber nicht kopflos und ohne organisiertes Vorgehen. Außerdem ist das keine Aufgabe für Kinder, ihr haltet euch zurück, habt ihr mich verstanden?«

Maurice blinzelte. Er warf einen Blick auf seinen Arm und atmete erleichtert auf. Er hatte erwartet, das gefiederte Ende eines Pfeils daraus hervorragen zu sehen, doch er war nur gestreift worden.

»Es sind nicht mehr als zehn«, riss ihn die Stimme seines Herrn vom Anblick des Blutes auf seinem Ärmel. »Eher acht. Und da drüben noch einmal so viele.«

»Zwei hinter den verdammten Haselnusssträuchern dort drüben«, fügte einer der Männer des Constable hinzu, was Maurice mit Staunen erfüllte. Es hätte ihn nicht gewundert, wären sie von hundert Angreifern umzingelt gewesen, aber er vertraute auf die Einschätzung seines Herrn. Zwar konnte er kaum verstehen, wie es dem Constable gelang, die Zahl der im Nebel verborgenen Schützen zu erfassen, aber der bejahrte Ritter wusste sicherlich, wovon er sprach. Schließlich war er im Kampf gegen Rebellen aufgewachsen.

Maurice wagte einen kurzen Blick am Stamm vorbei und meinte, eine Silhouette auf der gegenüberliegenden Seite der Senke auszumachen. Oben am Hang bewegte sich etwas Dunkles.

Ein weiterer Pfeil zischte knapp an ihm vorbei, nur dieses Mal kam er aus der anderen Richtung. Maurice fuhr zurück, sah sich um und atmete auf, als er bemerkte, dass das Geschoss aus den eigenen Reihen stammte. Der Feind saß nicht in seinem Rücken. Zwar befanden sich in ihrer Begleitung nur eine Handvoll Schützen, zwei mit einer nur langsam ladbaren Armbrust, aber sie stellten die vor ihnen aufragende Hangseite unermüdlich unter Beschuss. Der Rest ihrer Truppe wartete in nervenzerreißender Anspannung. Sie waren nicht mehr als zwei Dutzend Mann, und wenn den Walisern nicht bald die Pfeile ausgingen, bliebe niemand übrig. Zwei lagen schon mitten in der Senke, mit Pfeilen gespickt. Die anderen drückten sich genauso wie Maurice gegen die Stämme der jahrhundertealten Bäume dieses Waldes, die mit Efeu überwuchert waren.

»Warte nur, bis ihre Köcher leer sind.« Meilyr stieß ihn an, was Maurice mit einem zischenden Laut des Schmerzes beantwortete.

»Was ist? Haben sie dich etwa getroffen? Ist es schlimm?«

Maurice winkte ab, er konnte nichts sagen, doch Meilyr schien zufrieden, denn er fuhr sogleich aufgeregt fort: »Heute werde ich einem von ihnen die Kehle durchschneiden.« Er klopfte mit seinem geweihten Kurzschwert auf die Erde und grinste. Augenscheinlich konnte er es nicht erwarten, die Waffe zum Einsatz zu bringen, die er genauso wie Maurice vor zwei Wochen zur Erhebung zum Knappen erhalten hatte. Maurice hingegen konnte darauf verzichten, den Rebellen von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen. Zwar war er ebenso stolz auf seinen Fortschritt in der Ausbildung zum Ritter und auch darauf, dass sein Vater ihm ein Kurzschwert geschenkt hatte, doch dies schien kein kluger Moment, um Gottes Segen zu testen. Pater Simon hatte das Schwert geweiht, so wie bei allen Knappen, aber Maurice fragte sich, inwiefern ihn diese Gnade gegen die tödlichen Pfeile der kampferprobten Waliser schützen konnte.

»Was ist mit dir, Mann? Keine Lust auf eine Schlägerei? Lass uns zu denen hinüberlaufen und ihnen zeigen …«

»Hör zu, Meilyr, ich erwarte keine Dankbarkeit dafür, dass ich dich gerade davor bewahrt habe, wie ein Wildschwein abgeschossen zu werden, aber wenigstens etwas Verstand! Mach einen Schritt hinter diesem Baum hervor, und ich hätte dich gleich ins Verderben laufen lassen können. Hätte mir ein Hemd erspart.«

Meilyr hob die Schultern. »Dann sterbe ich wenigstens mit Ruhm und Ehre.«

»Mit Ruhm und Ehre? Was soll daran ruhmreich sein, in den sicheren Tod zu laufen?«

»Besser, als sich hier zu verstecken. Wenn du Angst hast …«

»Maul halten!« Der Constable warf ihnen von seinem Stamm aus einen vernichtenden Blick zu, und Maurice drückte sich noch ein wenig fester gegen den Baum in seinem Rücken. Meilyr mochte ihn für ängstlich halten, aber für Maurice gab es einfach einen Unterschied zwischen Mut und unbedachter Waghalsigkeit, den Meilyr nicht verstand. Irgendwann würde sein Freund noch in ernsthafte Schwierigkeiten geraten. Maurice kannte die Konsequenzen eines kopflosen Vorsturms. Von einem Waliser niedergestreckt zu werden, war wohl das kleinere Übel, wenn man die Wutausbrüche des Constable bedachte. Meilyr hingegen kümmerten die Folgen seiner Taten selten, Maurice hatte schon viel zu oft als Stimme der Vernunft gedient. In den sieben Jahren Freundschaft hatte er gelernt, den hitzköpfigen Kameraden zu bändigen, ohne ihn zu verlieren. Dies war anscheinend wieder ein solcher Moment, und so ließ er den Jüngeren nicht aus den Augen.

»Pfeile«, knurrte plötzlich einer der Bogenschützen und erinnerte ihn an seine Pflichten. Die Pferde waren beim ersten Geschoss aus dem Dickicht durchgegangen und mit Bündeln voller Pfeile und Proviant verschwunden, doch die Bogenschützen hatten ein paar Beutel, die jetzt direkt neben ihnen...