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Nathan der Weise - Reclam XL - Text und Kontext

Gotthold Ephraim Lessing, Thorsten Krause

 

Verlag Reclam Verlag, 2015

ISBN 9783159607580 , 237 Seiten

3. Auflage

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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5,49 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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[7]Erster Aufzug


Erster Auftritt


Szene: Flur in Nathans Hause.

NATHAN von der Reise kommend. DAJA ihm entgegen.

DAJA.

Er ist es! Nathan! – Gott sei ewig Dank,

Dass Ihr doch endlich einmal wiederkommt.

NATHAN.

Ja, Daja; Gott sei Dank! Doch warum endlich?

Hab ich denn eher wiederkommen wollen?

Und wiederkommen können? Babylon

Ist von Jerusalem, wie ich den Weg,

Seitab bald rechts, bald links, zu nehmen bin

Genötigt worden, gut zweihundert Meilen;

Und Schulden einkassieren, ist gewiss

10Auch kein Geschäft, das merklich födert, das

So von der Hand sich schlagen lässt.

DAJA.

    O Nathan,

Wie elend, elend hättet Ihr indes

Hier werden können! Euer Haus …

NATHAN.

    Das brannte.

So hab ich schon vernommen. – Gebe Gott,

Dass ich nur alles schon vernommen habe!

DAJA.

Und wäre leicht von Grund aus abgebrannt.

NATHAN.

Dann, Daja, hätten wir ein neues uns

Gebaut; und ein bequemeres.

DAJA.

    Schon wahr! –

Doch Recha wär bei einem Haare mit

20Verbrannt.

NATHAN.

    Verbrannt? Wer? meine Recha? sie? –

Das hab ich nicht gehört. – Nun dann! So hätte

Ich keines Hauses mehr bedurft. – Verbrannt

Bei einem Haare! – Ha! sie ist es wohl!

Ist wirklich wohl verbrannt! – Sag nur heraus!

[8]Heraus nur! – Töte mich: und martre mich

Nicht länger. – Ja, sie ist verbrannt.

DAJA.

    Wenn sie

Es wäre, würdet Ihr von mir es hören?

NATHAN.

Warum erschreckest du mich denn? – O Recha!

O meine Recha!

DAJA.

    Eure? Eure Recha?

NATHAN.

30 Wenn ich mich wieder je entwöhnen müsste,

Dies Kind mein Kind zu nennen!

DAJA.

    Nennt Ihr alles,

Was Ihr besitzt, mit ebenso viel Rechte

Das Eure?

NATHAN.

    Nichts mit größerm! Alles, was

Ich sonst besitze, hat Natur und Glück

Mir zugeteilt. Dies Eigentum allein

Dank ich der Tugend.

DAJA.

    O wie teuer lasst

Ihr Eure Güte, Nathan, mich bezahlen!

Wenn Güt’, in solcher Absicht ausgeübt,

Noch Güte heißen kann!

NATHAN.

    In solcher Absicht?

In welcher?

DAJA.

    Mein Gewissen …

NATHAN.

40          Daja, lass

Vor allen Dingen dir erzählen …

DAJA.

    Mein

Gewissen, sag ich …

NATHAN.

    Was in Babylon

Für einen schönen Stoff ich dir gekauft.

So reich, und mit Geschmack so reich! Ich bringe

Für Recha selbst kaum einen schönern mit.

DAJA.

Was hilft’s? Denn mein Gewissen, muss ich Euch

Nur sagen, lässt sich länger nicht betäuben.

NATHAN.

Und wie die Spangen, wie die Ohrgehenke,

Wie Ring und Kette dir gefallen werden,

50Die in Damaskus ich dir ausgesucht:

Verlanget mich zu sehn.

[9]DAJA.

    So seid Ihr nun!

Wenn Ihr nur schenken könnt! nur schenken könnt!

NATHAN.

Nimm du so gern, als ich dir geb: – und schweig!

DAJA.

Und schweig! – Wer zweifelt, Nathan, dass Ihr nicht

Die Ehrlichkeit, die Großmut selber seid?

Und doch …

NATHAN.

    Doch bin ich nur ein Jude. – Gelt,

Das willst du sagen?

DAJA.

    Was ich sagen will,

Das wisst Ihr besser.

NATHAN.

    Nun so schweig!

DAJA.

         Ich schweige.

Was Sträfliches vor Gott hierbei geschieht,

60Und ich nicht hindern kann, nicht ändern kann, –

Nicht kann, – komm’ über Euch!

NATHAN.

    Komm’ über mich! –

Wo aber ist sie denn? wo bleibt sie? – Daja,

Wenn du mich hintergehst! – Weiß Sie es denn,

Dass ich gekommen bin?

DAJA.

    Das frag ich Euch!

Noch zittert ihr der Schreck durch jede Nerve.

Noch malet Feuer ihre Phantasie

Zu allem, was sie malt. Im Schlafe wacht,

Im Wachen schläft ihr Geist: halb weniger

Als Tier, bald mehr als Engel.

NATHAN.

    Armes Kind!

Was sind wir Menschen!

DAJA.

70     Diesen Morgen lag

Sie lange mit verschlossnem Aug’, und war

Wie tot. Schnell fuhr sie auf, und rief: »Horch! horch!

Da kommen die Kamele meines Vaters!

Horch! seine sanfte Stimme selbst!« – Indem

Brach sich ihr Auge wieder: und ihr Haupt,

Dem seines Armes Stütze sich entzog,

[10]Stürzt auf das Küssen. – Ich, zur Pfort’ hinaus!

Und sieh: da kommt Ihr wahrlich! kommt Ihr wahrlich! –

Was Wunder! ihre ganze Seele war

Die Zeit her nur bei Euch – und ihm. –

NATHAN.

80     Bei ihm?

Bei welchem Ihm?

DAJA.

    Bei ihm, der aus dem Feuer

Sie rettete.

NATHAN.

    Wer war das? wer? – Wo ist er?

Wer rettete mir meine Recha? wer?

DAJA.

Ein junger Tempelherr, den, wenig Tage

Zuvor, man hier gefangen eingebracht,

Und Saladin begnadigt hatte.

NATHAN.

    Wie?

Ein Tempelherr, dem Sultan Saladin

Das Leben ließ? Durch ein geringres Wunder

War Recha nicht zu retten? Gott!

DAJA.

    Ohn ihn,

90Der seinen unvermuteten Gewinst

Frisch wieder wagte, war es aus mit ihr.

NATHAN.

Wo ist er, Daja, dieser edle Mann? –

Wo ist er? Führe mich zu seinen Füßen.

Ihr gabt ihm doch vors Erste, was an Schätzen

Ich euch gelassen hatte? gabt ihm alles?

Verspracht ihm mehr? weit mehr?

DAJA.

    Wie konnten wir?

NATHAN.

Nicht? nicht?

DAJA.

    Er kam, und niemand weiß woher.

Er ging, und niemand weiß wohin. – Ohn alle

Des Hauses Kundschaft, nur von seinem Ohr

100Geleitet, drang, mit vorgespreiztem Mantel,

Er kühn durch Flamm’ und Rauch der Stimme nach,

Die uns um Hülfe rief. Schon hielten wir

Ihn für verloren, als aus Rauch und Flamme

Mit eins er vor uns stand, im starken Arm

Empor sie tragend. Kalt und ungerührt

[11]Vom Jauchzen unsers Danks, setzt seine Beute

Er nieder, drängt sich unters Volk und ist –

Verschwunden!

NATHAN.

    Nicht auf immer, will ich hoffen.

DAJA.

Nachher die ersten Tage sahen wir

110Ihn untern Palmen auf und nieder wandeln,

Die dort des Auferstandnen Grab umschatten.

Ich nahte mich ihm mit Entzücken, dankte,

Erhob, entbot, beschwor, – nur einmal noch

Die fromme Kreatur zu sehen, die

Nicht ruhen könne, bis sie ihren Dank

Zu seinen Füßen ausgeweinet.

NATHAN.

    Nun?

DAJA.

Umsonst! Er war zu unsrer Bitte taub;

Und goss so bittern Spott auf mich besonders …

NATHAN.

Bis dadurch abgeschreckt …

DAJA.

    Nichts weniger!

120Ich trat ihn jeden Tag von neuem an;

Ließ jeden Tag von neuem mich verhöhnen.

Was litt ich nicht von ihm! Was hätt ich nicht

Noch gern ertragen! – Aber lange schon

Kommt er nicht mehr, die Palmen zu besuchen,

Die unsers Auferstandnen Grab...