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Die Throne der Mächtigen - Erlebnisse eines gefangenen britischen Offiziers in Neufrankreich

Gilbert Parker, Klassische-Erfolgsromane.Com

 

Verlag Be Yourself, 2013

ISBN 9783959265119 , 400 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz DRM

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9,99 EUR


 

Kapitel 1: Verbringung in die Zitadelle


Als Monsieur Doltaire den Salon betrat und sich müde in einen Sessel neben Madam Duvarney und ihre Tochter plumpsen ließ, während er schleppend murmelte: „Der englische Braddock, dieser Narr von General, ist in den Himmel aufgefahren, Captain Moray, und Eure Papierchen könnt Ihr ihm dorthin nachschicken“, bewegte ich mich keinen Deut, aber blickte ihn an - denn erschocken war ich fürwahr - und sagte:

„Der General ist tot?“

Ich getraute mich nicht zu fragen, ob er besiegt worden war, wenngleich dem Gesichtsausdruck Doltaires zu entnehmen war, dass es sich so verhalten haben musste, und mir wurde übel, denn in diesem Augenblick schien dies das Aus unserer Sache zu bedeuten. Aber ich tat so, als hätte ich seine Bemerkung über meine Papiere überhört.

„Mausetot, mein Höfling. Von der Bühne abberufen“, erwiderte er „und da uns jetzt nicht mehr viel zu tun bleibt, werden wir ein bisschen mit der Ratte in der Falle spielen.“

Ich hätte nicht den Mut aufgebracht, hinüber zu Alixe zu blicken, die neben ihrer Mutter stand, denn der Gesang in meinem Blut war zu hellklingend, hätte ich nicht einen kleinen Laut von ihr gehört. Daraufhin erhob ich meinen Blick und bemerkte, dass ihr Gesicht ausdruckslos war, aber ihre Augen funkelten und ihr gesamter Körper schien zu lauschen. Ich riskierte es nicht, mit meinem Blick etwas sagen zu wollen, wenngleich ich es gerne getan hätte. Sie hatte mir sehr geholfen, sie war mir eine gute Freundin gewesen, seit ich aus Fort Necessity als Geisel nach Québec gebracht worden war. Dort, an diesem kleinen Posten am Ohio, hatte Frankreich den Fehdehandschuh hingeworfen und uns den Siebenjährigen Krieg beschert.

Und auch wenn man mich voreiliger Schlüsse bezichtigen kann, bin ich der Meinung, dass sich der Auslöser zu diesem Kummer in meinem Zugriffbereich befunden hatte und dass diese lange Schlächterei hätte vermieden werden können, wenn Frankreich stillgehalten hätte, als sich Österreich und Preußen in die Haare geraten waren. Das Kriegsspiel hatte die Grande Marquise, oder die Pompadour, wie sie gemeinhin genannt wurde, zu verantworten und später wird man noch sehen, wie ich sie wider Willen dazu gebracht hatte.

Um Moniseur Doltaire zu antworten, sagte ich entschieden: „Ich bin sicher, dass er sich wacker geschlagen hat. Er hatte furchlose Männer ans seiner Seite.“

„Furchtlos, gewiss!“, konterte er. „Eure eigenen Virginier unter anderem“ (Ich verneigte mich). „Aber er war ein Tölpel, wie Ihr auch, Monsieur, denn sonst hätte Ihr ihm nicht die Pläne von unseren Forts und so freimütige Briefe geschickt. Sie wurden direkt nach Frankreich weitergesandt, mein Captain.“

Madame Duvarney schien sich in ihrem Sessel aufzurichten, denn was sollte dies anderes bedeuten, als dass ich ein Spion war? Und die hinter ihnen stehende junge Dame presste ihr Taschentuch auf den Mund, so als müsse sie ein Wort zurückhalten. Diese Vorwürfe kleinzureden, war das Einzige, was ich tun konnte, doch hatte ich wenig Lust dazu. Es gab da eine Angelegenheit zwischen Monsieur Doltaire und mir - auf die ich noch zu sprechen kommen werde -, die mir eine gewisse Hemmung auferlegte.

„Meine Kritzeleien und meine Plaudereien mit Freunden“, sagte ich „dürften für Frankreich doch ziemlich uninteressant sein“.

„Die Grande Marquise wird ihren Gefallen daran finden“, warf er mir schnippisch zu. Er, ein leiblicher Sohn von König Ludwig, hatte die Mittlerrolle zwischen der Pompadour und mir in der schwerwiegenden Angelegenheit, von der ich sprach, eingenommen.

„Es macht ihr einfach zu viel Spaß, moralische Rätsel zu lösen.“

„Sie hatte ihre Chance“, sagte ich kühn, „aber was hat die Moral damit zu tun?“

„Und ob!“ Er fingerte an seinem Taschentuch herum und hatte wieder diese schleppende Sprechweise, weshalb ich ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen hätte bringen können. „Seit wann darf denn eine Geisel mit Auflagen Skizzen von einem Fort anfertigen und sie an Freundchen verschicken, die sie dann einem dummen General zukommen lassen?“

„Wenn eine Kriegspartei ihre eidlichen Zusagen bricht, muss die andere Seite dann vertragstreu bleiben?“, fragte ich ruhig.

Ich war froh, dass in diesem Augenblick Seigneur Duvarney hereinkam, denn ich konnte spüren, dass die Luft um seine Gattin etwas kühler wurde. Zumindest er war ein guter Freund, aber als ich ihn anblickte, sah ich sofort, dass ihn etwas betrübte und er reserviert war. Er warf einen kurzen festen Blick auf Monsieur Doltaire, bückte sich, um dessen Gattin die Hand zu reichen und winkte mich dann wortlos zu sich. Dann begab er sich zu dem Platz, wo seine Tochter stand. Sie gab ihm einen Kuss, wobei sie ihm etwas ins Ohr flüsterte und er zustimmend nickte. Später erfuhr ich, dass sie ihn gebeten hatte, mich zum Abendessen mit ihnen zu bitten.

Als Nächstes wandte er sich Monsieur Doltaire zu und fragte: „Haben Sie vor meinem Haus eine Truppe Männer, Doltaire?“

Doltaire nickte gelangtweilt und antwortete: „Eine Eskorte für Captain Moray. Es geht zur Festung, zur Zitadelle.“

Nun wusste ich, dass ich in der Falle steckte und dass er den langen Sport eingeleitet hatte, das dem weißen Leichentuch glich, da es mein Haupthaar weiß werden lassen würde, bevor ich das zweiunddreißigste Lebensjahr erreicht hätte.

Die Demütigungen und Erniedrigungen, die ich überwiegend ihm verdanken sollte, sind mir noch gut im Gedächtnis ebenso wie der Umstand, dass er England um seinen größten Stolz brachte, indem er Neufrankreich übernahm, denn die Fügungen des Lebens lassen bescheidene Männer wie mich manchmal die Waagschalen des Schicksals ausgleichen, und ich war von der Position her immer bescheiden, wenngleich im Geiste etwas oberhalb meines Platzes.

Ich stand, als er diese Worte aussprach. Daraufhin wandte ich mich ihm zu und sagte: „Monsieur, ich stehe zu Euren Diensten!“

„Manchmal habe ich mir gewünscht“, erwiderte er sofort und mit einer höflichen ironischen Geste, „dass Ihr in meinen Diensten stündet - ich meine, im Dienste des Königs.“

Ich deutete eine Verneigung an, da ich über die Anmaßung hinwegsah, und antwortete: „Ich würde Euch gerne eine Kompanie in meinem Virginia-Regiment anbieten.“

„Vorzüglich!“, erwiderte er. „Ich würde einen ebenso guten Briten abgeben, wie Ihr einen Franzosen. Bis auf i-Tüpfelchen!“

Ich vermute, dass er mit diesem albernen Spiel noch eine Zeit lang weitergemacht hätte, wenn ich mich nicht Madame Duvarney zugewandt hätte, um ihr zu sagen: „Ich bin zutiefst betrübt, dass dieses Missgeschick hier passieren musste, aber ich habe mir den Ort des Schauspiels nicht ausgesucht. In unwirtlicheren Umständen, Madame, werde ich gerne an die schönen Stunden zurückdenken, die ich in Eurem Heim verbringen durfte“.

Ich denke, dass ich diese Worte mit unverbindlicher Höflichkeit gesprochen habe, aber da ich die Augen der jungen Dame auf mir spürte, klang meine Stimme vielleicht ein bisschen wärmer und hinterließ eine gewisse Wirkung bei Madame. Vielleicht war sie aber auch froh, dass mein Kontakt mit ihrer Tochter unterbrochen wurde, denn in ihrem Gesicht spiegelte sich Freundlichkeit, als sie sanft antwortete: „Ich bin sicher, es wird nur ein paar Tage dauern, bis wir Euch wiedersehen werden.“

Im Grunde, denke ich, wusste sie aber, dass mein Leben in Gefahr war. Das waren raue und ungestüme Zeiten, wenn Beil oder Seil die sichersten Mittel waren, um Unliebsamkeiten zu beenden. Drei Jahre zuvor hatte ich in Fort Necessity mein Schwert meinem Leutnant übergeben, und ihn gebeten, bei Bedarf davon Gebrauch zu machen, und als ich mit Auflagen nach Québec reiste, konnte ich mit großer Freiheit in diesem Haus ein- und ausgehen. Doch seit Alixe zu einer Frau herangewachsen war, hatte sich Madames Verhalten beträchtlich verändert.

„Auch wenn es nur wenige Tage sein sollten, werden sie zu viele sein, bis ich Eure Gastfreundschaft wieder strapazieren darf“, sagte ich. „Ich sage Euch Adieu, Madame“.

„Nein, nicht so“, sprach mein Gastgeber, „keinen Schritt weiter. Das Abendessen ist beinahe fertig und Ihr müsst beide mit uns speisen. Ich bestehe darauf.“ Aber er sah, dass ich meinen Kopf schüttelte. „Monsieur Doltaire wird Ihnen Gesellschaft leisten, nicht war, Doltaire?“

Doltaire erhob sich, blickte zur Madame, danach zu ihrer Tochter. Madame lächelte, so als ob sie seine Zustimmung erheischen wollte, denn so lasterhaft er auch war, machten ihn seine Position und vor allem seine persönliche Distinguiertheit zu einem willkommenen Gast in vielen Heimen in Québec. Alixe hielt seinem Blick stand, ohne dass ein Ja oder ein Nein erkennbar gewesen wäre. Trotz ihrer Jugend besaß sie bereits eine große Disziplin und Weisheit, wie ich mehr als alle anderen Männer immer wieder feststellen konnte. Irgendetwas in der Stimmung der Szene hatte bei ihr ein Glühen ausgelöst, das ihre Schönheit noch mehr zur Geltung brachte und ihr Würde verlieh.

Der Ausdruck ihres Blicks entflammte in diesem ausgebürgerten Höfling eine Bewunderung und ich wusste, dass eine tiefere Sache als unsere bisherigen Konflikte - welche beileibe nicht gering waren - ihn jetzt oder bald auf fatale Weise gegen mich aufbringen würde.

„Es wird mir ein Vergnügen sein, Captain Moray zu vertreten“, sagte er „und an Eurem...