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Fünf Freunde im Gruselschloss

Enid Blyton

 

Verlag cbj Kinder- & Jugendbücher, 2015

ISBN 9783641177928 , 160 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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6,99 EUR


 

Das Schloss

»Um Himmels willen! Georg! Tim!«, rief Georgs Tante. Sie stand am Fuße der Treppe und hielt sich die Ohren zu. »Man könnte meinen, da käme nicht ein Mädchen mit seinem Hund die Treppe herunter, sondern eine ganze Horde Elefanten!«

Georg blieb auf halber Treppe, wo es einen kleinen Absatz gab, stehen und wurde rot. »Tut mir leid. Tim und ich hatten gerade solch einen Schwung drauf, da habe ich völlig vergessen, was für einen Höllenlärm das macht.«

Georgs Tante hob beide Hände. »Ist schon gut, aber bitte nimm demnächst mehr Rücksicht auf meine Nerven, ja?«

Damit drehte sie sich um und verschwand in der Küche.

Georg war die Situation peinlich, denn sie war wirklich bemüht, sich im Hause ihrer Tante und ihres Onkels, wo sie bei ihrer Cousine Anne und deren Brüdern Julius und Richard die Ferien verbrachte, ordentlich zu benehmen. Trotzdem ging ihr wildes Temperament manchmal mit ihr durch.

»Komm, Tim, jetzt gehen wir den Rest der Treppe aber mal ganz gesittet hinunter«, sagte sie.

In dem Moment ging unten eine Tür auf und Anne kam in den Flur. Sofort sprang Tim auf, um ihr entgegenzulaufen, sodass Georg, die eben die erste Stufe betreten wollte, beinahe über ihn gestolpert wäre.

»Tim, du Tölpel!«, schimpfte Georg und griff nach dem Treppengeländer. Dabei streifte ihre Schulter die Wand und schon war das Unglück perfekt: Ein Gemälde, das genau dort gehangen hatte, polterte zu Boden.

»Oh nein!«, rief Georg und hob das Bild auf.

Tim hatte ein schlechtes Gewissen und duckte sich mit eingezogenem Schwanz neben Anne.

In diesem Moment kam Annes Mutter wieder aus der Küche. Zwischen ihren Augenbrauen hatte sich eine tiefe Falte gebildet. »Was ist denn nun schon wieder los?«

Verlegen drehte Georg das Gemälde in den Händen und begutachtete es von allen Seiten, um zu sehen, ob es Schaden genommen hatte. »Es ist meine Schuld. Ich bin leider an das Bild gestoßen. Es ist runtergefallen. Tut mir schrecklich leid. Ehrlich.«

Annes Mutter stemmte die Hände in die Seiten und seufzte kopfschüttelnd. »Ist es kaputtgegangen?«

»Zum Glück nicht«, antwortete Georg. »Wie durch ein Wunder ist das Glas heil geblieben, nur der Holzrahmen ist hier auseinandergebrochen.« Georg legte den Finger auf eine Ecke des Bildes.

Anne hüpfte die Stufen zum Absatz hinauf. »Zeig mal. Ach, das kann Richard bestimmt wieder leimen. Der ist in solchen handwerklichen Sachen sehr geschickt. Komm, schauen wir mal, wo er steckt.«

Und noch ehe die Mutter etwas sagen konnte, waren die Mädchen durch die Tür nach draußen verschwunden.

Sie fanden Richard im Schuppen, wo er dabei war, sein Fahrrad zu flicken, und zeigten ihm den beschädigten Bilderrahmen.

»Kein Problem«, versicherte Richard. »Da braucht es nur ein paar Tropfen Holzleim. Dann spanne ich es in zwei Schraubzwingen, und ehe Vater etwas davon bemerkt, hängt das Bild wieder an Ort und Stelle.« Doch dann machte er ein nachdenkliches Gesicht. »Allerdings …«

»Was denn?«, fragte Georg besorgt. »Gibt’s ein Problem?«

Richard nickte. »Ja, dann habe ich noch etwas bei dir gut!« Jetzt grinste er von einem Ohr zum anderen.

Georg boxte ihm gegen die Schulter. »Jag mir nicht solch einen Schrecken ein, hörst du?«

Richard suchte in einer Schublade der Werkbank nach der Tube mit dem Holzleim. »So«, sagte er. »Zieht den Rahmen mal ein bisschen auseinander, damit der Leim in die Bruchstelle läuft. Ja, so ist es gut.«

Dann halfen die Mädchen ihm, den Rahmen in die Schraubzwingen zu klemmen.

»Jetzt heißt es warten«, erklärte Richard. »Ein paar Stunden sollten wir dem Leim gönnen.«

Einen Moment lang standen die drei schweigend um das Bild herum, bis Georg schließlich ungeduldig fragte: »Sagt mal, was ist das eigentlich für ein Schloss, das da abgebildet ist? Kennt ihr das?«

Anne zuckte die Schultern. »Darüber habe ich mir eigentlich noch nie Gedanken gemacht.«

Auch Richard hatte keine Ahnung. »Ich bin schon so oft an dem Gemälde vorbeigelaufen, dass ich es normalerweise gar nicht mehr wahrnehme.«

»Vielleicht weiß Julius, was das für ein Schloss ist«, meinte Anne. »Wo steckt der denn überhaupt?«

»Als ich ihn zuletzt gesehen habe, war er in unserem Zimmer und hat einen Brief an seinen Schulkameraden Benny geschrieben«, sagte Richard und widmete sich wieder dem kaputten Fahrradschlauch. »Ah, da ist ja das verflixte Loch! Anne, reich mir doch bitte mal die kleine Tube mit dem Vulkanisierungsmittel.«

Julius war tatsächlich noch im Zimmer der Jungen. Aber auch er wusste nicht, welches Schloss auf dem Gemälde abgebildet war.

»Ich finde, das Schloss sieht wunderschön aus, wie es da so zwischen diesen sanften Hügeln liegt«, sagte Anne. »Wo das wohl sein mag?«

Georg nickte. »Ja, mir gefällt es auch. Nicht zu protzig und trotzdem beeindruckend.«

Julius blinzelte ein wenig, als wollte er sich das Bild in Erinnerung rufen. »Ein schönes Schloss, aber ein schlechtes Gemälde, wenn ihr mich fragt. Künstlerisch wenig wertvoll.«

Er hatte nämlich seit dem vergangenen Schuljahr Unterricht in Kunstgeschichte und bildete sich viel auf sein neu erworbenes Wissen ein.

»Vater, was ist das eigentlich für ein Schloss auf dem Gemälde, das auf halber Treppe hängt?«, fragte Julius beim Abendbrot.

Richard hatte das Bild wenige Minuten vor dem Eintreffen des Vaters, der überraschenderweise früher von der Arbeit heimgekommen war, wieder an seinen Platz gehängt.

Die Mutter gab den Kindern mit einem Augenzwinkern zu verstehen, dass sie nichts von dem Malheur mit dem Bild verraten würde.

»Das ist Schloss Krähenfels«, antwortete der Vater und wischte sich mit der Serviette den Mund ab. »Im Übrigen ein sehr laienhaft gemaltes Bild, das der Schlossherr persönlich angefertigt hat. An Malbegeisterung fehlt es ihm nicht, nur an dem nötigen Talent.«

Julius grinste, da sein Vater seine Einschätzung von den schlechten Malkünsten bestätigt hatte.

Anne zog die Augenbrauen hoch. »Du kennst den Schlossherrn?«

»Allerdings«, sagte der Vater und lachte. »Ich bin sogar mit ihm verwandt.«

»Dann sind wir es auch!«, rief Anne.

»Na, so was!« Richard verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Da hängt seit Jahr und Tag dieses Bild im Treppenhaus, und wir erfahren erst heute, dass das Schloss im Familienbesitz ist!«

»Na ja, es ist nicht ohne Grund, dass über das Schloss und seinen Besitzer nie viel geredet wurde«, erklärte der Vater und faltete sorgfältig seine Serviette zusammen. Ein Zeichen dafür, dass er sich auf eine längere Erklärung einrichtete.

»Erzähl uns davon«, bat Anne. »Ist dieser Schlossherr ein echter Adeliger? Fließt in unseren Adern etwa auch blaues Blut?«

Doch der Vater winkte ab. »Nein, nein, liebe Anne, davon kann keine Rede sein. Es ist eine sonderbare Geschichte, wie Onkel Edward an dieses Schloss gekommen ist. Daher ist er in unserer Familie zu einer Art persona non grata geworden.«

»Was ist eine persona non grata?«, wollte Anne wissen.

Julius, der im Internat Latein hatte, erklärte es ihr. »Das ist jemand, der nicht gern gesehen ist. Sozusagen das schwarze Schaf in der Familie. Stimmt’s, Papa?«

Der Vater nickte.

»Und wer ist Onkel Edward?«, fragte Georg. »Ein Onkel von dir und meinem Vater?«

Aber der Vater schüttelte den Kopf. »Die Verwandtschaft besteht nur um ein paar Ecken herum: Er ist der Cousin unserer Mutter. Ein seltsamer Kauz. Als ich ihn das letzte Mal zu Gesicht bekommen habe – ich war damals noch ein junger Spund –, da hatte er einen Bart, der ging ihm fast bis zum Bauchnabel.«

Die Mutter seufzte und schenkte Hagebuttentee ein. Offenbar hätte sie selbst am liebsten gar nicht über diesen seltsamen Onkel geredet.

»Hm«, machte Georg und verzog den Mund. »Aber warum hatte die Familie Probleme mit ihm? An seinem Bart kann es doch nicht gelegen haben, oder?«

»Natürlich nicht«, antwortete der Vater. »Wie ich schon erwähnt habe, hatte es mit der Art und Weise zu tun, wie er an das Schloss gekommen ist.«

Dann verstummte er. Die Freunde aßen wortlos weiter und tauschten fragende Blicke aus. Das sollte doch wohl nicht die ganze Erklärung gewesen sein?

»Und?«, wagte Anne schließlich zu fragen. »Wie ist dieser Onkel Edward nun an das Schloss gekommen?«

Der Vater legte die Fingerspitzen zusammen und hielt die Hände wie ein Zelt. Dann holte er tief Luft. »Nun, das Schloss gehörte der Familie seiner Frau. Wie hieß sie noch gleich? Viktoria? Ja, ich glaube, so hieß sie. Alter Landadel. Ich habe sie nie kennengelernt.«

»Aber was ist so Besonderes daran?«, wollte Richard wissen. »Und was ist mit seiner Frau? Lebt sie nicht auf dem Schloss?«

Der Vater schürzte die Lippen. »Das ist ja das Fatale daran. Es hieß damals, sie sei geistig nicht ganz auf der Höhe gewesen. Sie war wohl ziemlich einfältig. Deshalb unterstellte man Onkel Edward, er hätte sie nur geheiratet, um an das Schloss zu kommen. Und tatsächlich ist Tante Viktoria schon bald nach der Hochzeit gestorben.«

Georg witterte eine Skandalgeschichte. »Ist sie etwa bei einem mysteriösen Unfall ums Leben gekommen?«

»Georg, bitte, was sind denn das für Gedanken!«, mahnte Georgs Tante. »Die Arme ist doch nicht...