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ZBV 24: Testobjekt Roter Adler

K.H. Scheer

 

Verlag Bildner Verlag, 2013

ISBN 9783832850715 , 200 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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2,99 EUR

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5.


 

NEWTON, das gigantische Steuergehirn auf dem Planeten Mars, erbaut von den alten Marsianern, hatte uns einen wertvollen Hinweis gegeben.

Danach wußten wir, daß mein ursprünglicher Verdacht begründet war. Der achte Mann hatte nicht auf die Ankunft der marsianischen Nachschubgüter zu warten brauchen. Das, was er für seine teuflische Bakterienkultur benötigte, hatte er im ehemaligen marsianischen Atlantis-Stützpunkt Crutcolatia gefunden.

Es handelte sich um eine von marsianischen Wissenschaftlern erzeugte, auf bakterieller Basis beruhende Substanz, die während des Krieges gegen Deneb entwickelt worden war. Sie hatte dazu gedient, die damaligen Hilfsvölker der Marsianer für einen hypnosuggestiven Befehlsempfang vorzubereiten. Der bewußtseinsauslöschende Stoff war anscheinend auch auf der Erde verwendet worden. Wir konnten uns jedenfalls vorstellen, daß die Marsianer nach ihren katastrophalen Verlusten an eigenen Raumsoldaten auf die intelligenten Atlanter zurückgegriffen hatten. Diese Erkenntnis nützte uns aber nicht viel; es sei denn, man nahm sie als beruhigenden Faktor. Unsere Experten tippten aufgrund des Bakterien-Attentates auf einen Wissenschaftler aus den Fachbereichen der Chemie, Biochemie oder Pharmazie.

Davon gab es auf der Erde Hunderttausende. Es erschien uns ausgeschlossen, mit diesem Hinweis eine handfeste Spur zu finden. Also lief die Aktion »Testobjekt Roter Adler« wie geplant weiter. Ich war vor zwei Tagen aus der Klinik entlassen worden. Infolge der neuen Zellzüchtungsstoffe waren meine inneren und äußeren Wunden inzwischen tadellos verheilt. Man hatte es sogar riskieren können, zwölf Stunden nach der Nierenoperation die Korrektur meiner Stimmbänder vorzunehmen und nochmals sechs Stunden später meine Augen biologisch einzufärben. Ich glich nun Dr. Janus Van Haetlin auf das Haar. Jedes Detail stimmte.

Aus mir war gewissermaßen ein »schöner« Mann geworden. Hannibal dagegen war es wesentlich übler ergangen. Er hatte zwar keine schwere Operation über sich ergehen lassen müssen, aber man hatte ihn in einen schauerlich anzusehenden Gnom verwandelt.

Wegen seiner geringen Körpergröße konnte er den EURO-Wissenschaftler Professor Dr. Arturo Peroni perfekt kopieren. Allerdings -was aus der Gestalt des Kleinen geworden war, ließ sich kaum schildern.

Anomal breit in den Schultern, jedoch nur 1,54 Meter groß; das Rückgrat linksseitig verkrümmt und so weit aufgewölbt, daß der Buckelrücken nahezu den sichtbaren Hals berührte, stand er vor mir.

Arme und Beine waren erschreckend dünn, die Brust vorgewölbt. Hier hatten unsere Maskenbildner ebenfalls nachhelfen müssen. Der linke Fuß war verkrüppelt. Er glich einem dicken Mauerstein. Hannibal hatte tagelang trainieren müssen, ehe es ihm gelungen war, den schleifenden Gang des echten Peroni nachzuahmen.

Am schrecklichsten war das Gesicht verunstaltet. Für mich war es unvorstellbar, daß ein medizinisches Genie wie Arturo Peroni achtundfünfzig Jahre lang darauf verzichtet hatte, seine angeborenen Körperschäden beheben zu lassen. Die Chirurgie des Jahres 2010 war weit genug fortgeschritten, um dieses Kunststück fertigzubringen.

Ich blickte in ein froschähnliches Antlitz mit riesigen Wulstlippen, einem spitzzulaufenden Kinn und hervorquellenden Augen. Die Stirn war hoch, aber extrem vorgewölbt. Die ohnehin unheimlichen Augen erschienen dadurch noch unheimlicher.

Der wie poliert wirkende Kahlkopf war überdimensioniert. Hannibals neue Hutgröße mit dem Maß 71 hätte ihm beim Hutkauf Schwierigkeiten bereitet.

Seine Nase war schmalrückig und etwas gebogen. Am Körper dieses Europäers stimmte nichts! Sämtliche Proportionen schienen durch eine Laune der Natur verschoben worden zu sein.

»Bin ich nicht bildschön?« fragte der Kleine leise. Er war bedrückt. Ich verstand ihn gut. In einer solchen Maske verlor sogar ein humorvoller Mensch wie Hannibal die Lust am Lachen. Nach seiner Verwandlung hatte er noch kein einziges Mal gegrinst. Er verzichtete auf ein für ihn typisches Charakteristikum, weil er im Spiegel erkannt hatte, daß sein normalerweise zur Heiterkeit anregendes Bubenfeixen mit den Lippen eines Arturo Peroni zu furchteinflößend wirkte.

»Wir werden es überstehen«, entgegnete er, nach wie vor bedrückt. »Großer -ich habe mich nie im Leben so jämmerlich gefühlt. Als ich mich nach der Bio-Umwandlung erstmals im Spiegel betrachtete, verstand ich, warum Peroni geistig geschädigt ist. Ein solches Ungeheuer kann nur pervers sein. Oder irre ich mich?«

»Bestimmt sogar«, warnte ich. »Junge, du weißt doch selbst genau, daß man einen Menschen niemals nach seiner äußeren Erscheinung beurteilen darf. Auch die Hypnos haben wir toleriert. Du mußt versuchen, mit dem Schock fertig zu werden.«

»Schock ist gut«, sagte er mit seiner »neuen«, röhrend klingenden Baßstimme. »Kannst du dir vorstellen, daß ich beim ersten Anblick meiner Erscheinung abnormen Gewalttaten plötzlich gar nicht mehr so ablehnend gegenüberstand? Das ist doch fürchterlich! Kann sich das auf die Psyche eines normalen Menschen auswirken? Ich ... ach was, zum Donnerwetter, ich werde wohl einige Wochen lang mit dieser Maskerade zurechtkommen. Vergiß es.«

Er winkte heftig ab und scheute sich plötzlich nicht mehr, sein altvertrautes Grinsen zu zeigen. Als ich wegschaute, begann er zu lachen.

»Großer Mars, ich muß aussehen wie der letzte Froschkönig im Raumanzug. Okay, Langer, du hast gewonnen.«

»Du hast gewonnen«, betonte ich aufatmend. »Sehen wir darüber hinweg. Es wird Zeit. Wenn wir unsere ,Flucht' noch länger hinausschieben, verkauft die AFC zehn Millionen Konserven mehr.« Wir wurden von der Zentrale aus angerufen. Die letzte Einsatzbesprechung war auf zweiundzwanzig Uhr des 9. Juni 2010 festgesetzt.

Ein Wagen brachte uns zu den neuen Bunkerbauten nahe den Inselbergen. Es war eine schmale, dünngratige Felskette, die im Mittelpunkt von einem erloschenen Vulkan gekrönt wurde.

Reling, die anderen Abwehrchefs, etwa dreißig Wissenschaftler und die Mutantin Kiny waren bereits eingetroffen. Als wir eintraten, ernteten wir prüfende Blicke.

Hannibal gefiel sich plötzlich darin, eine lauernde Haltung einzunehmen und die Anwesenden anzufeixen. Sein Verhalten bewies mir, daß sich der Kleine endgültig gefangen hatte.

Reling räusperte sich unangenehm berührt. Fo-Tieng schüttelte fassungslos den Kopf. Das wollte für den hochgewachsenen Südchinesen etwas heißen.

Gorsskij stieß einige russische Flüche aus und verlangte nach einem Drink. Wir machten offensichtlich Eindruck.

»Runter mit den Waffen«, vernahm ich plötzlich eine scharfe Stimme. Als ich mich umdrehte, gewahrte ich Oberst Mike Torpentouf. Er drückte die Läufe der beiden Maschinenkarabiner nach unten.

Die Schnellfeuerwaffen ruhten in den Händen von zwei speziell vereidigten Soldaten des Sicherheitsdienstes. Die beiden Sergeanten waren weitgehend informiert worden, nicht aber über unsere Maskerade. Nun hatten sie uns als freie Männer in den Raum kommen sehen. Torpentouf klärte sie auf.

»Sie wirken!« meinte Reling mit einem dünnen Lächeln, das mir nicht gefiel. Innerlich war er viel zu unruhig, um überhaupt lächeln zu können. Er dachte fast ununterbrochen an einen Termin, den weder er noch sonst jemand kannte. Die Frage, wann der achte Mann zuschlagen würde, war nach wie vor offen.

Hannibal ging auf den großen im Mittelpunkt des Raumes stehenden Lagetisch zu, der elektronisch belichtet wurde und die verschiedenartigen Positionen der über und auf Henderwon stationierten Abwehrsysteme zeigte.

Ich folgte dem Kleinen und begann den Plan nochmals zu studieren. Eine Umblendung ließ den nördlich von uns liegenden Pazifiksektor bis zur Höhe des Wendekreises erscheinen.

Hier waren einige Flugzeugträger der Navy, schnelle Zerstörer und Jagd-U-Boote in Einsatzbereitschaft. In anderen Sektoren sah es ebenso aus.

»Etwas zu viel Sicherheit«, meinte Hannibal mißbilligend. Er grinste Reling an, der sofort das Gesicht abwendete. »Da kommt kein Mensch ungeschoren durch, weder unter Wasser noch auf dem Wasser oder in der Luft. Sagten Sie nicht, der achte Mann wäre mit besonderer Vorsicht zu genießen?«

»Keine Sorge, MA-23!« betonte Reling. »Mensch, feixen Sie mich nicht ständig an. Das ist ja nicht zu ertragen.«

Hannibal lachte genauso wie Dr. Arturo Peroni; laut und mit einem bellend klingenden Unterton. »Sehr echt«, nickte Dr. Mirnam zufrieden. Er gehörte zum chirurgischen Maskenbildnerteam. Früher hatte er den verstorbenen Deneber Coatla betreut.

»Sind Sie voll ausgerüstet? Ich konnte mich nicht mehr darum kümmern.« Er streifte Hannibals Buckel mit einem prüfenden Blick.

»Worauf Sie sich verlassen können, Doc. Wenn ich mit all den Sächelchen, die man mir in die elastischen Spezialhalterungen des Höckers gepackt hat, in die Luft gehe, nehme ich Sie und die halbe Südsee mit. Ich frage mich allerdings, wie lange Ihre Spezialpräparate eventuellen Röntgendurchleuchtungen standhalten.«

»Notfalls jahrelang«, behauptete Mirnam. »Das Biosynthonyl wurde in seinen strukturellen Gewebefestigkeiten, angefangen von den verkrümmten Wirbeln bis zum weichen Fettwulst der Hüften, auf das Kunstfasermaterial des Höckers aufgewuchert. Es täuscht hervorragend alle Skelettformen und die normalerweise sichtbar werdenden Organe vor. Das trifft auch für die Brustwölbung zu. Sie können sich bedenkenlos jeder Durchleuchtung unterziehen. Das Biosynthonyl wird bei Verletzungen jeder Art vorschriftsmäßig bluten. Sie versorgen es mit Ihrem Kreislauf.«

»Hannibal ist um fast dreißig Pfund schwerer als der echte Peroni«,...