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Perry Rhodan 2821: Im Unsteten Turm - Perry Rhodan-Zyklus 'Die Jenzeitigen Lande'

Marc A. Herren

 

Verlag Perry Rhodan digital, 2015

ISBN 9783845328201 , 64 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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1,99 EUR


 

1.


Auftritt Sternenwaag

 

Narr!

Trotz der angespannten Situation musste Atlan grinsen. Du schiltst mich einen Narren, weil ich meinem Extrasinn und seiner unbestechlichen Logik nicht geglaubt habe ... und damit sogar noch richtiglag?

Du bist ein Narr, wenn du diese Fehldiagnose als Sieg deines Instinktes über die Logik siehst. Das Leben ist so logisch nicht, als dass selbst klare Indizien und hohe Wahrscheinlichkeiten stets auf den korrekten Sachverhalt verweisen müssen.

Diese Worte werde ich mir merken und sie dir bei Gelegenheit wiederholen.

Der Extrasinn zog es vor, nicht zu antworten.

Ja, der bei der ARK SUMMIA aktivierte Logiksektor in seinem Gehirn hatte sich geirrt. Aber das kam vor, war meist nicht der Rede wert, weil auch die Logik akzeptierte, dass sie sich selbst von Zeit zu Zeit aus rein logischen Gründen widersprechen musste.

Der Extrasinn war davon ausgegangen, dass die Markleute für die Entführung der Jugendlichen verantwortlich waren. Die Indizien und das mögliche Tatmotiv – ihre Forderung nach einer genetischen Auffrischung – hatten klar gegen sie und ihren Sprecher Tycho Boltsman gesprochen.

Nachdem die Entführer mit den drei Jugendlichen aber im Sektor S – dem Schlauch – verschwunden waren, deutete alles darauf hin, dass die Pioniere hinter all dem steckten.

Womöglich gar mit der Unterstützung der Tolocesten.

Und dort lag der Hund begraben. Wenn die Konflikte weiter zunahmen ...

Atlan blickte finster auf das verschlossene und positronisch gesicherte Schott, das in den Sektor S führte, vor dem sie warteten.

»Innere Selbstgespräche, Atlanos?«

Der Arkonide zuckte zusammen.

Die Stimme des vorzeitig vergreisten Haluters mochte an Gewalt verloren haben, sie klang aber weiterhin, als stünde Atlan in die Nähe eines startenden Raumschiffes mit Impulstriebwerken.

»Du meine Güte«, murmelte Oona Fahrenhayd. Die junge Gen-Architektin sah schockiert an dem dreieinhalb Meter großen Avan Tacrol empor.

Atlan verzog die Mundwinkel zu einem nachsichtigen Lächeln. »Sachte, alter Kämpfer.«

»Entschuldigt.«

Die vier Arme des mächtigen Haluters zuckten. Er wirkte wie ein alter, morscher, von Eisengestängen notdürftig gestützter Baum, auf den eine allerletzte Sturmfront zuraste. Atlan klopfte mit der Faust aufmunternd gegen das linke Bein des Giganten.

Avan Tacrol war merklich angeschlagen. Physisch wie psychisch. In einer anderen Zeit hätte sich der Haluter in diesem Zustand wahrscheinlich zurückgezogen. Vielleicht hätte er auch im Kreise von anderen Halutern auf sein Ende gewartet.

Aber so? Aber hier und jetzt?

»Ich dachte gerade an die möglichen Auswirkungen dieser ganzen vertrackten Situation«, sagte Atlan. »Die Konflikte zwischen den verschiedenen Gruppierungen stehen kurz vor der Eskalation ... Und was immer die Pioniere und die Tolocesten wirklich beabsichtigen, etwas Gutes kann es nicht bedeuten.«

»Was können die Entführer nur mit den Geniferenanwärtern vorhaben?«, fragte Oona.

Der Zellaktivatorträger hob die Schultern. »Sag du es mir. Du hast dich eingehend mit den Jugendlichen befasst.«

»Ich kann mir echt keinen Reim darauf machen. Die Markleute hätten ein nachvollziehbares Motiv gehabt, aber die Pioniere ... Die leben doch größtenteils unter sich. Und nun wiegelt sich plötzlich die Stimmung zwischen den Sektoren auf, und diejenigen, die sich am wenigsten an dem Bordleben beteiligen, sollen die Schuldigen sein. Das ergibt doch keinen Sinn ...«

»Wir hätten früher eingreifen müssen!«, grollte Tacrol.

»Vielleicht hätten wir das.«

Du hast zu lange gewartet, meldete sich der Extrasinn zurück. Die Situation an Bord ist deiner Kontrolle längst entglitten.

Atlan nickte. Er wartete, bis eine Gruppe Transterraner in wallenden grünen Gewändern, sie passiert hatte.

»Die Situation ist, wie sie ist.«, sagte er dann leise. »Niemand hat die Besatzung wirklich darauf vorbereitet, eine Reise anzutreten, die viele Generationen dauern würde. Wir hatten keine Ahnung, welche Auswirkungen der Flug durch die Synchronie auf unsere Körper haben würde. Erst die Epoche der Genetischen Erschütterung und danach die des Genetischen Siechtums ...

Wir mussten die Zügel etwas schleifen lassen, um überhaupt adäquate Lösungen zu finden. Wir mussten ihnen Freiheiten gewähren, um ihren Geist nicht zu brechen. Ich kenne die Menschen. Sperr sie in einen engen Raum und gib ihnen tausend Regeln, an die sie sich zu halten haben, und irgendwann sprengen sie diesen Raum einzig mit ihrem Willen und ihrer Sehnsucht nach Freiheit.«

»Du musst dich nicht rechtfertigen«, flüsterte Oona. Ihre goldenen Iriden strahlten im lackschwarzen Gesicht wie zwei geschliffene Schmuckstücke aus Bernstein. »Es ist gut, wie es ist. Und Probleme sind dazu da, um gelöst zu werden, nicht wahr?«

Der Haluter schlug die Laufhände zusammen, dass es nur so krachte. »Richtig! Lösen wir eines nach dem anderen. Und das erste lautet: Wie kommen wir in den Schlauch?«

Sieh an, wisperte der Extrasinn. Die Stimme der Jugend übertüncht die Zweifel der alten Greise.

Atlan sah sich um.

Bis auf vereinzelte Spaziergänger aus dem autonomen Sektor, die offenbar Gefallen daran fanden, die riesigen Energiemeiler zu besuchen, wirkte dieser Bereich der ATLANC wie ausgestorben.

Seit einer geschlagenen halben Stunde standen sie vor dem vermaledeiten Schott, das in den Sektor S führte, den Schlauch.

Dort waren die Entführer mit den drei Nachwuchsgeniferen verschwunden. Durch dieses Schott mussten Atlan und seine Begleiter, um die Verfolgung der Jugendlichen fortzusetzen.

Die Pioniere hatten dieses Schott installiert. Nicht einmal mithilfe des ANC war es möglich, die positronische Sicherung zu knacken. Von der Sprengung des Schottes oder einer der Wände des Schlauchs sah Atlan vorerst ab.

In der aufgeheizten Stimmung unter den verschiedenen Gruppierungen innerhalb der ATLANC könnte dies der Funke sein, der das Pulverfass endgültig zur Explosion brachte.

Das durfte nicht geschehen. Nicht so kurz vor dieser neuen und womöglich entscheidenden Etappe ihrer siebenhundertjährigen Reise durch die Synchronie.

Sofern du eine geschätzte Dauer von ›zehn Tage bis fünfundzwanzig Jahre‹ als kurz betrachten magst, frotzelte der Extrasinn.

Atlan seufzte innerlich. Der Flug durch die Zehrzone innerhalb der Synchronie hatte ihm zu schaffen gemacht. Seit er den Platz des Piloten verlassen und den beiden Eisprinzen vorübergehend das Kommando übergeben hatte, fühlte er sich allerdings wieder besser.

Erleichtert, geradezu.

Trotzdem fühlte er sich nicht dazu bemüßigt, mit seinem Logiksektor jedes Duell auszufechten. Dabei verstand er die Intention des Extrasinnes nur zu gut: Er wollte Atlan geistig aktiv, ihn auf den Zehenspitzen, ständig sprungbereit halten.

»Das Betreten des Schlauches ist nur ein zwischenzeitliches Problem«, sagte Atlan. »Es wird sich hoffentlich lösen, sobald sie auftaucht.«

»Und wenn sie nicht kommt?«, fragte Oona.

»Sie wird kommen.«

Die junge Gen-Architektin blickte ihn mit einer Mischung aus Zweifel und mühsam unterdrückter Nervosität an.

Oona will sie unbedingt persönlich kennenlernen, nicht bloß als Holo.

Atlan lächelte dünn. »Sie wird kommen«, wiederholte er.

Der Zellaktivatorträger hatte um Oonas Mitarbeit gebeten, weil sie sich als Gen-Architektin nicht nur hervorragend mit der Physis der Transterraner auskannte, sie hatte sich auch eingehend mit Lua Virtanen befasst. Die Nachwuchsgeniferin war eine der drei Jugendlichen, die verschleppt worden waren – zusammen mit den Brüdern Shukard und Vogel Ziellos.

»Denkst du, dass die drei im Schlauch festgehalten werden oder in den Synkavernen?«, fragte Oona rasch.

»Gehörte ich zu den Entführern, würde ich den Fehler nur einmal machen, die Jugendlichen außerhalb der Synkavernen festzuhalten«, meinte Atlan. »Die Pioniere haben die Synkavernen im Verlauf der Jahrhunderte urbar gemacht. In ihnen genießen sie alle Freiheiten. Es ist ihr Reich, so sehr etwas an Bord jemandem gehören kann.«

»Dann werden sie sie dort auch festhalten.« Oona kaute nachdenklich auf der Unterlippe. »Ich stelle gerade fest, dass ich kaum etwas über den Schlauch weiß. Eigentlich nur, dass über ihn die Pioniere in die Synkavernen gelangen. Im Unterricht war er kaum je ein Thema. Auch zu den Pionieren war fast nichts zu erfahren. Als wäre es ein Tabuthema oder etwas in der Art.«

»Das hat damit zu tun, dass die Pioniere sich mit der Flucht in die Synkavernen vor der Genetischen Erschütterung retten wollten. Das ist zwar schon ein paar Hundert Jahre her, aber die restlichen Besatzungsmitglieder haben es ihnen ziemlich übel genommen. Damals begann die Aufspaltung in die verschiedenen Sektoren, wie wir sie heute kennen.«

Atlan fuhr sich über die Stirn, fühlte den kühlen Schweiß, wischte ihn weg. »Der Schlauch selbst ist ein Ringkorridor mit einem Durchmesser von hundertsechsunddreißig Metern. Er erweitert sich zweimal zu je einer kubischen Halle mit einer Kantenlänge von fünfzig Metern. In ihnen befinden sich die Schnittstellen, die in die Synkavernen und wieder aus ihnen herausführen. Genauer kann ich es nicht sagen, da ich noch nie Grund hatte, den Sektor S zu betreten.«

»Das klingt nicht so, als würden im Schlauch oder den Hallen...