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Sturmhöhe - Wuthering Heights - Klassiker der Weltliteratur

Emily Brontë

 

Verlag e-artnow, 2015

ISBN 9788026842385 , 465 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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1,99 EUR


 

Zweites Kapitel



Gestern nachmittag setzten Nebel und Kälte ein. Ich hatte halb und halb Lust, in meinem Studierzimmer am Kamin zu bleiben, anstatt durch Heide und Lehmboden nach Wuthering Heights zu waten. Als ich jedoch vom Mittagessen aufstand (nebenbei bemerkt, ich esse zwischen zwölf und ein Uhr; die Haushälterin, eine ältere Frau, die ich laut Vereinbarung zugleich mit dem Hause übernommen hatte, konnte oder wollte meine Bitte, um fünf Uhr zu speisen, nicht begreifen), als ich also mit diesem bequemen Vorsatz die Treppe hinaufging und das Zimmer betrat, kniete dort, inmitten von Bürsten und Kohleneimern, eine Dienstmagd am Boden, die mit Haufen von Asche die Flammen erstickte und dabei einen höllischen Staub aufwirbelte. Dieser Anblick ließ mich augenblicklich entweichen; ich nahm meinen Hut und langte nach einem Marsch von vier Meilen bei Heathcliffs Gartenpforte an, gerade zur rechten Zeit, den ersten wirbelnden Flocken eines Schneegestöbers zu entrinnen.

Auf dieser kahlen Höhe war die Erde hart gefroren, und die kalte Luft ließ mich am ganzen Körper erschauern. Da ich die Kette nicht lösen konnte, sprang ich über den Zaun, lief den von Stachelbeersträuchern gesäumten gepflasterten Damm entlang und klopfte, vergeblich Einlaß begehrend, an das Tor, bis meine Knöchel schmerzten und die Hunde heulten.

›Elende Bande!‹ knirschte ich innerlich, ›ihr verdientet, für eure flegelhafte Ungastlichkeit ewig von euresgleichen gemieden zu werden! Zum mindesten würde ich meine Tür während des Tages nicht verriegeln. Mir ganz gleich — ich will hinein!‹ Mit diesem Entschluß faßte ich die Klinke und rüttelte heftig daran. Es dauerte noch eine Weile, bis das essigsaure Gesicht Josephs in einem runden Fenster der Scheune erschien.

»Was wolln Sie?« schrie er mich an. »Der Herr is drunten aufm Feld. Gehn Sie doch hinten rum, wenn Sie ’n sprechen wolln.«

»Ist denn niemand im Haus, der die Tür öffnen kann?« schrie ich zurück.

»Nee, nur die Frau, und die macht nich auf, und wenn Sie bis heut nacht weitertoben.«

»Warum nicht? Können Sie ihr nicht sagen, wer ich bin, he, Joseph?«

»Nee, ich nich! Ich will nix mit zu tun ham«, murmelte er, und der Kopf verschwand.

Der Schnee begann dichter zu fallen. Ich ergriff die Klinke, um noch einen Versuch zu machen, als ein junger Mann ohne Rock mit geschulterter Heugabel hinten im Hof erschien. Er rief mir zu, ihm zu folgen, und nachdem wir durch ein Waschhaus und einen gepflasterten Hof, an einem Kohlenschuppen, einer Pumpe und einem Taubenschlag vorbeigegangen waren, landeten wir endlich in dem großen, warmen, schönen Zimmer, in dem ich zuerst empfangen worden war. Es erstrahlte wohltuend im Schein eines gewaltigen Feuers, das von Kohle, Torf und Holz genährt wurde. Am Tisch, der für eine reichliche Abendmahlzeit gedeckt war, bemerkte ich zu meiner Freude die ›Frau‹, ein Wesen, von dessen Vorhandensein ich bis dahin nichts geahnt hatte. Ich verbeugte mich und wartete, in der Meinung, sie würde mir einen Platz anbieten. Sie blickte mich an, lehnte sich im Stuhl zurück und verharrte bewegungslos und stumm.

»Unfreundliches Wetter!« bemerkte ich: »Ich fürchte, Mrs. Heathcliff, die Tür wird infolge der lässigen Aufmerksamkeit Ihrer Diener etwas abbekommen haben. Es war ein verteufeltes Stück Arbeit, bis sie mich gehört haben!«

Sie öffnete den Mund nicht. Ich starrte sie und sie starrte mich an. Jedenfalls ließ sie ihre Augen auf eine kühle, unbekümmerte Art auf mir ruhen, die äußerst verwirrend und unangenehm war.

»Setzen Sie sich!« sagte der junge Mann mürrisch. »Er wird bald hier sein.«

Ich gehorchte, räusperte mich und lockte die böse Juno, die bei diesem zweiten Zusammentreffen geruhte, die äußerste Spitze ihres Schwanzes zu bewegen, als Zeichen, daß sie sich meiner Bekanntschaft erinnerte.

»Ein prachtvolles Tier!« begann ich von neuem. »Werden Sie die Jungen abgeben, gnädige Frau?«

»Sie gehören nicht mir«, sagte die liebenswürdige Wirtin noch abweisender, als selbst Heathcliff hätte antworten können. »O, dann sind wohl das dort Ihre Lieblinge?« fuhr ich fort und wies auf ein dunkles Kissen, auf dem anscheinend Katzen lagen.

»Eine sonderbare Auswahl von Lieblingen!« bemerkte sie verächtlich.

Unglücklicherweise war es ein Haufen toter Kaninchen. Ich räusperte mich noch einmal, rückte näher an den Kamin und wiederholte meine Bemerkung über den stürmischen Abend. »Sie hätten nicht ausgehen sollen«, sagte sie, stand auf und langte nach zwei von den bemalten Blechdosen auf dem Kaminsims.

Vorher war sie dem Licht abgewendet gewesen; jetzt erhielt ich einen klaren Eindruck von ihrer Gestalt und ihrem Gesicht. Sie war schlank und anscheinend kaum dem Kindesalter entwachsen, hatte die wundervollste Figur und das reizendste kleine Gesicht, das ich jemals gesehen habe; feine Züge, sehr schön; flachsblonde, nein, eigentlich goldene Locken, die lose über ihren zarten Nacken fielen; Augen, die unwiderstehlich gewesen wären, wenn sie einen angenehmen Ausdruck gehabt hätten. Zum Glück für mein empfängliches Herz schwankte das einzige Gefühl, das sie ausdrückten, zwischen Verachtung und einer Art Verzweiflung, und diese dort anzutreffen, mutete ganz besonders unnatürlich an.

Die Blechdosen waren für sie kaum zu erreichen; ich machte eine Bewegung, um ihr zu helfen, aber sie fuhr herum wie ein Geizhals, dem jemand beim Geldzählen helfen wollte.

»Ich brauche Ihre Hilfe nicht«, fuhr sie mich an, »ich kann sie allein herunterholen.«

»Verzeihen Sie!« beeilte ich mich zu entgegnen.

»Sind Sie zum Tee eingeladen?« fragte sie, während sie sich eine Schürze über ihr elegantes schwarzes Kleid band und einen Löffel voll Teeblätter über den Topf hielt.

»Ich würde gern eine Tasse trinken«, erwiderte ich. »Sind Sie eingeladen?« wiederholte sie.

»Nein«, sagte ich lächelnd. »Vielleicht haben Sie die Güte, es zu tun.«

Sie schleuderte den Tee, den Löffel und alles übrige zurück, nahm ärgerlich ihren Platz wieder ein, runzelte die Stirn und schob ihre rote Unterlippe vor, wie ein Kind, das weinen will. Unterdessen hatte der junge Mann einen äußerst schäbigen Rock angezogen, stellte sich aufrecht vor das Feuer und blickte aus den Augenwinkeln auf mich herab, als ob eine tödliche Fehde unausgetragen zwischen uns bestünde. Ich schwankte, ob er ein Knecht war oder nicht, sowohl seine Kleidung wie seine Sprache waren primitiv, und es fehlte ihnen gänzlich die Überlegenheit Mr. und Mrs. Heathcliffs. Seine dichten braunen Locken waren widerspenstig und ungepflegt, ein Vollbart bedeckte seine Wangen wie ein Pelz, und seine Hände waren sonnengebräunt wie die eines einfachen Landarbeiters. Und doch war sein Auftreten sicher, fast stolz, und die Art, wie er die Frau des Hauses behandelte, bekundete keine dienerhafte Unterwürfigkeit. In Unkenntnis seiner Stellung hielt ich es für das beste, sein merkwürdiges Verhalten nicht zu beachten, und fünf Minuten später befreite mich Heathcliffs Eintritt in gewissem Grade aus diesem unbehaglichen Zustand.

»Wie Sie sehen, Mr. Heathcliff, bin ich, meinem Versprechen gemäß, gekommen«, rief ich mit gespielter Munterkeit aus, »und ich fürchte, ich werde für eine halbe Stunde durch das Wetter festgehalten werden, wenn Sie mir während dieser Zeit Obdach gewähren können.«

»Eine halbe Stunde?« meinte er und schüttelte die weißen Flocken von seinen Kleidern. »Ich möchte wissen, warum Sie sich einen Schneesturm zum Umherstreifen aussuchen. Wissen Sie, daß Sie Gefahr laufen, sich im Moore zu verirren? Selbst Leute, die mit unseren Sümpfen vertraut sind, kommen an solchen Abenden oft vom Wege ab, und ich sage Ihnen, daß im Augenblick keine Aussicht auf eine Änderung besteht.«

»Vielleicht darf ich einen Ihrer Burschen als Führer haben, und er kann bis morgen früh in meinem Gehöft bleiben. Können Sie jemanden entbehren?«

»Nein, das kann ich nicht.«

»Ach, wirklich? Nun, dann muß ich mich eben auf meinen eigenen Scharfsinn verlassen.«

»Hm!«

»Wirst du jetzt den Tee aufgießen?« fragte der im schäbigen Rock und ließ seine wilden Blicke von mir zu der jungen Dame wandern.

»Soll er welchen haben?« fragte sie, sich an Heathcliff wendend.

»Mach los!« war die in einem so wütenden Tone vorgebrachte Antwort, daß ich auffuhr. Der Ton, in dem die Worte gesprochen wurden, offenbarte unverhüllte Bosheit, und ich fühlte mich nicht mehr geneigt, Heathcliff einen famosen Burschen zu nennen.

Als der Tee fertig war, lud er mich mit den Worten ein: »Na, dann rücken Sie Ihren Stuhl heran!« Wir alle, auch der bäuerliche junge Mann, vereinigten uns um den Tisch, und während wir uns mit der Mahlzeit beschäftigten, herrschte ein unfreundliches Schweigen.

Ich hielt mich zu einem Versuch verpflichtet, die Wolke, deren Ursache ich gewesen war, zu verscheuchen. Sie konnten doch nicht alle Tage so düster und schweigsam dasitzen; es war unmöglich, wie schlecht gelaunt sie auch sein mochten, daß der gemeinsame finstere Ausdruck ihr alltägliches Gesicht war! »Es ist seltsam«, begann ich in der Pause zwischen zwei Tassen Tee, »Es ist seltsam, wie stark Gewohnheit unsere Neigungen und Vorstellungen formt. Manch einer könnte sich kein Glück denken in einem Leben völliger Abgeschiedenheit von der Welt, wie Sie es führen, Mr. Heathcliff. Und doch wage ich zu behaupten, daß, umgeben von Ihrer Familie und mit Ihrer liebenswürdigen Hausfrau, die in Ihrem Heim...