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Barfuß am See

Denise Hunter

 

Verlag Francke-Buch, 2015

ISBN 9783868278361 , 304 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

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12,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

Derzeit können über den Shop maximal 500 Exemplare bestellt werden. Benötigen Sie mehr Exemplare, nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf.


 

Kapitel 1

Madison McKinley ließ ihren Blick über die Menschenmenge in der Stadthalle schweifen und fragte sich, gegen wie viele ihrer Freunde und Nachbarn sie würde kämpfen müssen, um zu bekommen, weswegen sie hier war. Die halbe Bevölkerung von Chapel Springs war erschienen, um die Feuerwehr zu unterstützen. In der Luft hing noch der schwache Geruch von Popcorn und Kaffee von der Versammlung des Rotary Clubs am vergangenen Abend und die gespannte Atmosphäre war beinahe mit Händen zu greifen.

Als sie an der Reihe war, ließ sie sich ihre Auktionsnummer geben und sah sich dann nach ihrer Mutter um. Sie entdeckte sie auf der linken Seite, in der Nähe der alten Backsteinwand.

Bevor Madison sich in Bewegung setzen konnte, kämpfte sich Dottie Meyers durch den vollen Gang zu ihr durch. „Hallo, Madison, Liebes. Ich dachte, vielleicht kann ich dich wegen Ginger fragen. Ich habe einen kleinen Knoten hinter ihrem Bein gefunden. Ich mache mir Sorgen, dass es etwas Ernstes sein könnte.“

Beim letzten Mal war es nur eine Klette gewesen. Trotzdem legte Madison eine Hand auf den Arm der Frau. „Es ist bestimmt nichts, aber ich sage Cassidy, dass sie dich morgen anrufen und Ginger dazwischennehmen soll, in Ordnung?“

„Also, meine Herrschaften“, sagte die Moderatorin ins Mikrofon. „Es wird Zeit.“

„Danke, meine Liebe“, sagte Dottie. „Ich bin ja so gespannt auf das diesjährige Theaterstück. Es heißt Liebe in Gefahr. Du spielst doch wieder mit, oder? Du wirst eine fantastische Eleanor sein.“

Das Vorsprechen war erst in zwei Monaten. „Ich freue mich schon darauf. Dann bis morgen in der Praxis.“ Madison nahm jedes Jahr an der Vorführung der städtischen Laiengruppe teil. Sie spielte gerne Theater und der Erlös war für das Tierheim bestimmt, diente also einem guten Zweck, der ihr am Herzen lag.

Sie drehte sich zu ihrer Mutter um und lief schnurstracks gegen eine Wand. „Hmpf.“

Oder einen Brustkorb. Einen harten Brustkorb.

Sie sah auf und blickte in das Gesicht des Mannes, den sie am allerwenigsten sehen und mit dem sie schon gar nicht zusammenprallen wollte. Hastig wich sie zurück, ohne dabei jedoch den Blick von seinen unergründlichen, kohlefarbenen Augen abzuwenden.

Sie nickte einmal. „Beckett.“

Er erwiderte den Gruß mit einem Nicken seinerseits. „Madison.“

Sein schwarzes Haar war zerzaust. Er trug ein Arbeitshemd vom Dewitt-Jachthafen und seine Bartstoppeln waren mindestens zwei Tage alt. Sein Unterkiefer zuckte. Sie hatte nicht mehr mit ihm gesprochen, seit sie ihn vor zwei Wochen zur Rede gestellt hatte – nicht, dass es etwas genützt hätte.

„Bitte nehmen Sie Platz“, sagte die Moderatorin.

Gerne.

Sie machte im selben Augenblick einen Schritt nach links, in dem Beckett einen Schritt beiseite machte. Er war so breit wie der Boulder Creek, der örtliche Fluss, und doppelt so gefährlich. Dieser Meinung war sie immer gewesen. Der Zwischenfall mit ihrer kleinen Schwester hatte das nur bestätigt.

„Entschuldige“, sagte sie.

Er glitt nach rechts und streckte den Arm aus, als wollte er sagen: Nach dir, Prinzessin.

Sie warf ihm einen genervten Blick zu und eilte dann den Gang hinunter, um sich auf den Metallstuhl neben ihrer Mutter fallen zu lassen.

„Hallo, Liebling. Hattest du einen guten Tag?“ Joann McKinleys kurzes blondes Haar und ihre blauen Augen funkelten in dem fluoreszierenden Licht, aber es war ihr Lächeln, das den Raum erstrahlen ließ.

„Zwölf Hunde, sieben Katzen, zwei Häschen und ein Rebhuhn im Birnbaum.“

Beckett ging an ihrer Reihe vorbei und setzte sich weiter vorne auf den freien Stuhl neben seiner Schwester. Layla hatte lange braune Haare und das hübsche Gesicht eines Models. Ihre Mutter musste eine Schönheit gewesen sein, doch Madison konnte sich nicht an sie erinnern. Beckett beugte sich zur Seite und flüsterte seiner Schwester etwas zu.

Madison riss sich von dem Anblick los und lockerte den Todesgriff, mit dem sie ihr Auktionsschild umklammert hielt. Sie würde heute nicht an Beckett O’Reilly denken.

Die Moderatorin auf dem Podium eröffnete die Veranstaltung offiziell und sprach davon, wie wichtig die Feuerwache sei und dass dringend Geld gebraucht werde, dann stellte sie den Auktionator vor – was kaum nötig war, weil er die Tankstelle im Ort betrieb. Wenige Augenblicke später war die Versteigerung in vollem Gange.

Madisons Blick wanderte zu Becketts dunklem Hinterkopf. Sie hätte schwören können, dass er sie in letzter Zeit verfolgte. Er schien überall aufzutauchen, wo sie hinging. Eigentlich hätte der Mann allen Grund gehabt, ihr aus dem Weg zu gehen. Er sollte sich schämen für … nun, für das, was er Jade angetan hatte.

Madison ging die Liste mit den Auktionsposten durch und hakte jeden ab, sobald er an den Höchstbietenden verkauft war. Eine handgearbeitete Patchworkdecke, Klavierstunden, der Kuchen des Monats, eine gemietete Hütte am Patoka Lake und Dutzende anderer Dinge, die Menschen aus dem Ort großzügig gespendet hatten.

Jemand hatte ein Modell des Stadtwappens angefertigt. Willkommen in Chapel Springs, Indiana, stand darauf. Schönste amerikanische Stadt am Fluss. Ein Redakteur der Zeitschrift Midwest Living hatte diese Formulierung zwölf Jahre zuvor geprägt und die Stadt hatte sie bis auf den letzten Tropfen ausgequetscht.

Evangeline Simmons, die mindestens fünfundachtzig Jahre alt war, belustigte alle, indem sie die Gebote in die Höhe trieb. Es war kein Geheimnis, dass die Feuerwehr ihre geliebte Perserkatze im vergangenen Monat von einem Baum gerettet hatte. Bis jetzt hatte sie mit ihrer Großzügigkeit zwei Gegenstände erworben, für die sie höchstwahrscheinlich keine Verwendung hatte. Aber Geld war für Evangeline kein Thema.

Nach und nach gingen die Zuschauer, während die Auktion weiterlief. Beckett verschwand, nachdem er bei einer Werkzeugausstattung überboten worden war. Mehr als eine Stunde später merkte Madison auf, weil endlich zur Versteigerung angeboten wurde, worauf sie es abgesehen hatte. Der Auktionator las von seinem Zettel ab.

„Und jetzt, meine Damen und Herren, ein echtes Highlight. Der Dewitt-Jachthafen war so freundlich, ein Segelpaket zu spenden. Ein Segelkurs mit Evan Higgins. Lernen Sie, wie man auf dem schönen Ohio River segelt, gerade rechtzeitig zu unserer 45. Flussregatta, und begleiten Sie Evan Higgins, der diesen Wettbewerb bereits zweimal hintereinander gewonnen hat! Also, wer bietet fünfhundert?“

Madison umfasste ihr Auktionsschild und wartete darauf, dass der Auktionator das erste Gebot senkte. Ihr stockte der Atem. Immer mit der Ruhe, Mädchen …

„Also gut, einhundert, wer gibt mir einhundert? Einhundert als Anfangsgebot …“

Madison hob wie beiläufig ihr Schild.

„Einhundert hier vorne, wer bietet hundertfünfzig? Einhundertfünfzig sind gefragt ...“

Aus dem Augenwinkel konnte Madison sehen, wie ihre Mutter den Kopf zu ihr umwandte, während Evangeline ihr Schild anhob – und damit das aktuelle Gebot.

„Einhundertfünfzig, wer bietet zweihundert? Zweihundert …“

Madison hob ihr Schild und blickte starr geradeaus.

„Zweihundert, vielen Dank, die Dame. Ich höre zwei fünfzig, zwei fünfzig …? Danke! Und jetzt dreihundert, höre ich dreihundert?“

Madison seufzte und wartete einen Augenblick, bevor sie nickte.

„Wir haben drei. Höre ich dreieinhalb? Dreihundertfünfzig …?“

Evangeline drehte sich zu Madison um. Ihre Augen funkelten. Sie hob ihr Schild.

Evangeline. Madison hatte nicht vorgehabt, so viel auszugeben. Es würde der alten Dame recht geschehen, wenn sie jetzt ausstieg. Die Vorstellung, dass diese rüstige Frau fortgeschrittenen Alters im Bug eines Segelbootes stehen und versuchen würde, mit den Tauen, Seilen oder was auch immer fertigzuwerden, mit ihren knapp ein Meter fünfzig … Sie war verlockend.

Madison könnte schließlich einfach zum Jachthafen hinuntergehen und die Stunden bezahlen – aber dann wäre nicht gewährleistet, dass sie tatsächlich gewinnen würde. Dazu brauchte sie Evan Higgins.

„Drei fünfzig, höre ich dreihundertfünfzig? Ja, wunderbar! Und jetzt vier, wer bietet vierhundert?“

Die Leute, die noch im Saal waren, fingen an zu murmeln, einige lachten über Evangelines Unverfrorenheit.

Die Frau hob ihr Auktionsschild.

„Und jetzt sind wir bei viereinhalb, vierhundertfünfzig, wer bietet fünfhundert …?“

Madison knirschte mit den Zähnen. Sie warf Evangelines silberfarbenem Hinterkopf düstere Blicke zu. Es ist für einen guten Zweck, es ist für einen guten Zweck.

„Und da haben wir fünf. Fünfhundert. Wer gibt mir fünfeinhalb? Fünfhundertfünfzig irgendjemand …?“

Das Murmeln war angeschwollen, obwohl der Saal jetzt, wo die Versteigerung beinahe vorüber war, halb leer war. Diejenigen, die geblieben waren, wurden für ihr Ausharren mit einer guten Show belohnt.

„Fünfhundertfünfzig jemand …?“

Evangeline drehte sich um und suchte Madisons Blick. Ihre dünnen Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, dann faltete sie die Hände über ihrem Schild.

„Ich habe fünfhundert, also fünfhundert zum Ersten … fünfeinhalb jemand? Fünfhundert zum Zweiten...