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Perry Rhodan 2842: Fauthenwelt - Perry Rhodan-Zyklus 'Die Jenzeitigen Lande'

Michelle Stern

 

Verlag Perry Rhodan digital, 2016

ISBN 9783845328416 , 64 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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1,99 EUR


 

1.


Vorfälle

Andrabasch

 

Lua Virtanen stand am Sandstrand und blickte hinaus aufs Meer. Es war kein künstlicher Strand wie in der ATLANC, sondern ein echter, der seinen ureigenen Geruch hatte. Nach Algen, Salz und Fremdheit. Manchmal auch nach Verwesung, wenn die Flut tote Leiber kleiner, schlangenähnlicher Wesen auf das Land warf, die im ungeduldigen Licht der viel zu kurzen Tage vertrockneten.

Es gab tausend neue Gerüche, tausend Bilder, die gesehen, Geräusche, die gehört werden wollten. Doch je länger Lua auf dieser wundervollen Welt war, desto schrecklicher erschien sie ihr.

Andrabasch, der ringförmige Planet in der Synchronie, das Portal in die Jenzeitigen Lande, das Abenteuer eines jeden Transterraners schlechthin – für Lua bedeutete er Einsamkeit. Obwohl er weder Geld noch Grenzen kannte, war er ein Gefängnis. Sie saß auf Andrabasch fest, während Vogel weitergereist war.

Lua kniete sich hin, hob eine ovale Muschelschale auf, strich mit dem Finger darüber und ließ sie fallen. Nichts auf dieser Welt hatte Bedeutung. Weder der Strand noch die Muschel noch die tausend anderen Dinge, die auf sie warteten. Ohne Vogel war alles belanglos.

Sie dachte an sein Gesicht, den Schnabel und die rundlichen Augen, die so überraschend viele Gefühle ausdrücken konnten. An die bunten Flaumfedern, die weich und vertraut waren. Nur seinetwegen hatte sie die schweren Aufgaben und Prüfungen in der ATLANC meistern und das Schiff retten können.

Hinter ihr knirschte Sand. Shukard Ziellos kam auf sie zu. Lua erkannte ihn an seiner stürmischen Art zu gehen, noch ehe sie sich zu ihm umdrehte.

»Was ist?«, fragte sie abweisend.

Shukard blieb neben ihr stehen, schaute wie sie hinaus auf die Wellen. »Die anderen vermissen dich. Du bist seit Stunden weg.«

»Wer mich vermisst, weiß, wo er mich findet.«

»Sie machen sich Sorgen.«

»Ihr Problem.«

Shukard, der früher immer gelächelt hatte, wirkte angespannt. Die Stirnfalten passten nicht zu ihm. Auch er hatte sich verändert, wie sie.

Inzwischen wusste Lua, warum. Sie hatte Vogel versprochen, sich um seinen Bruder Shukard zu kümmern. Gemeinsam hatten sie den Schock aufgearbeitet, unter dem Shukard gestanden hatte. Er war von der Haut eines Richters beeinflusst worden und für den Tod mehrerer Lebewesen direkt verantwortlich, was ihm hart zusetzte. Aber mittlerweile befand er sich auf dem Weg der Besserung.

Überhaupt schien sich jedes einzelne Besatzungsmitglied der ATLANC auf Andrabasch wohlzufühlen und sich dem neuen Leben mehr und mehr zu öffnen. Jeder – außer ihr. Sogar Virginie Ziellos, Shukards und Vogels Mutter, hatte sich in eine neue Aufgabe gestürzt und wollte auf einem Feld mithilfe von Robotern terranisches Korn anbauen.

»Lua, wir wollen dir helfen.«

Tränen stiegen ihr in die Augen. »Dann bring ihn mir zurück!«

»Das kann ich nicht.« Er fasste ihre Schultern. »Er hat seine Entscheidung getroffen. Willst du ihm ewig nachtrauern? Das Leben geht weiter.« Ein wenig blitzte vom alten Shukard durch – die Entschlossenheit, der Drang, etwas zu verändern, das Dasein mit allen Sinnen zu genießen.

»Und wie? Ich habe keine Aufgabe mehr.« Lua bemühte sich, nicht wehleidig zu klingen. Sie hatte kein Selbstmitleid deswegen, es war schlicht eine Tatsache. Ihre Aufgabe war es gewesen, die Besatzung der ATLANC sicher nach Andrabasch zu bringen. Dank ihr waren die Bewohner der Sektoren auf die ringförmige Welt gewechselt, um dort einen Neuanfang zu wagen. »Deena Ledoyen und die anderen kommen ohne mich zurecht. Nun, nachdem wir auf Andrabasch sesshaft sind, ist es nicht mehr hilfreich, die Tochter des ANC zu sein.«

»Dann öffne dich dieser Welt! Es gibt so viele Wunder hier.«

»Ich kann nicht. Noch nicht. Lass mir Zeit.«

Er nahm sie in die Arme. Es fühlte sich gut an. Shukard und sie hatten eine Menge zusammen durchgestanden. Er war das, was einem besten Freund in ihrem Leben am nächsten kam. Trotzdem erzählte sie ihm nichts von dem, was sie wirklich quälte. Von den Visionen, die Nacht für Nacht während ihrer Ruhetrance kamen und die ihr Vogel am Rand des Nichts zeigten. In diesen Wachträumen waren die Jenzeitigen Lande ein Abgrund aus finsterkaltem, sternenlosem Schwarz, und Vogel stürzte kopfüber hinein.

 

*

 

Da war Dunkelheit. Und Licht. Das Licht breitete sich in der Dunkelheit aus und die Dunkelheit im Licht. Unendlich erstreckte sich beides durch das Universum. Durch sämtliche Universen.

Julian Tifflor war das Zentrum dieses Vorgangs. Er schickte das Licht, schickte die Dunkelheit, war eins mit beiden. Längst hatte er jede Zeit vergessen, sogar, dass es überhaupt so etwas wie Zeit gab. Dort, wo er war, spielte es keine Rolle. Dort war einfach, was dort war.

Er schwebte in einem namenlosen, unendlichen Raum, der das Sein selbst einschloss und so viel mehr war. In diesem Raum fühlte er eine Veränderung. Sie war noch nicht lange da und ungeachtet dessen bereits dabei, die Vorgänge seiner Meditation zu stören. Das Licht breitete sich anders aus, die Dunkelheit kehrte anders zu ihm zurück. Es war kein Vorgang, den er hätte sehen können. Tifflor spürte ihn, wie er die Synchronie spürte, die ihn umgab, oder wie er in der Lage war, den Halbraum wahrzunehmen, wenn er sich an Bord eines Raumers in ihm aufhielt.

Unvermittelt wurde ihm übel. Die Raumsonde änderte abrupt ihren Kurs. Tifflors Organe schienen sich umzustülpen. Die körperliche Empfindung riss ihn mit sich, zerrte ihn zurück in das walzenförmige Raumschiff, in dem er saß: die Atopische Sonde, die Richter Matan Addaru Jabarim ihm zur Verfügung gestellt hatte.

Keuchend atmete Tifflor ein und öffnete die Augen. »Was ist das?«, flüsterte er.

Zu seiner grenzenlosen Überraschung bekam er eine Antwort. »Der Wege Freiheit in Beschneidung der Tangente war exponentiell gefährdet. Korrektur in das positive Spektrum der Existenz tat not.«

Tifflor blinzelte. Vor ihm, inmitten der Zentrale der Sonde, stand der Toloceste Aus der Lichtkluft und wackelte mit dem schwach leuchtenden Kugelkopf, der an einem langen, hakenförmigen Hals baumelte.

»Du bist an Bord?«, fragte Tifflor rau. Er hatte seine Stimmbänder seit Ewigkeiten nicht benutzt. »Ich dachte, du hättest mir lediglich die Funktion der Sonde beschrieben und sie danach verlassen.«

Der Toloceste ging einen Schritt zurück. Seine Beine waren von den Knien aufwärts zusammengewachsen, wodurch sein Gehen wie ein Wanken wirkte. Er hob eine der Hände mit den zahlreichen Fingern. In der Mitte des Fingertrichters saß ein Mund, doch die Stimme kam aus einem Amulett auf seiner Brust. »Der Morgen grüßt stets den Tag.«

Tifflor erwiderte nichts darauf, er dachte darüber nach, was der Toloceste zuerst gesagt hatte. Es erschien ihm wichtig. »Was hat der Wege Freiheit gefährdet?«

»Vorfall Nummer eins. Er wird kartografiert in den Sternen des Jenseits und den Tiefen der inneren technischen Strukturen.«

Tifflor streckte sich. Er hatte seine Muskeln und Sehnen lange Zeit nicht benutzt, dennoch fühlten sie sich weich und geschmeidig an. Sein ganzer Körper war durchdrungen von der Kraft, die ihn während der Meditation durchflossen hatte.

»Was ist Vorfall Nummer eins?« Ihn drängte die Antwort nicht, er spürte eine allumfassende Ruhe. Überhaupt hatte Tifflor alle Zeit, die ein Wesen haben konnte. Er wusste gleichwohl, dass diese Betrachtungsweise eine Illusion war. Die einzige Zeit, die man je hatte, war das Jetzt. Und das war bereits in dem Moment vorüber, in dem man dessen gewahr wurde. Im Grunde war er einzig in den Meditationen frei, wenn die Zeit ihre Bedeutung verlor und wahrhaft Gegenwart herrschte.

»Ein Ereignis mit negativem Realitätsvorzeichen.« Der Toloceste schnappte mit den Fingerkränzen. Es wirkte aufgeregt. »Verursacht vom Gesehenen-Nicht-Gesehenen und dem von ihm gesteuerten asozialen Schattenobjekt. Realitäten sind für ihn Strich und Punkt, Kreis und Quadrat in einem.«

»Ein Verleugneter, der es mit den Realitäten nicht sehr genau nimmt«, schlussfolgerte Tifflor, der wenig Mühe hatte, Aus der Lichtkluft zu verstehen. In den Millionen Jahren seiner Existenz hatte sein Geist die verschlungensten Pfade erkundet.

»Veirdandi«, spuckte der Toloceste einen Namen aus.

Er machte eine komplizierte Armbewegung, und ein Holo flammte auf. Es zeigte ein schemenhaftes Etwas, das entfernt an ein Raumschiff erinnerte. Vordergründig wirkte es wie ein dauerhaftes Blitzgewitter im Raum. Grüne Farbschlieren waberten dazwischen, ähnlich einer Aurora borealis. Im einen Moment leuchteten sie intensiv auf, wie die Lichter am Nordpol Terras, im anderen verblassten sie, bis sie kaum mehr zu erahnen waren.

»Richter Veirdandi«, echote Tifflor. Von ihm hatte er gehört. Er war ein Atope wie der, der ihm den Auftrag gegeben hatte, in die Jenzeitigen Lande zu fliegen und herauszufinden, wann ein neuer Atope in die Milchstraße kam. Offensichtlich mussten immer zwei Atopen vor Ort sein, sodass seit dem Tod von Richter Chuv der Milchstraße ein zweiter Verwalter fehlte.

Falls es Veirdandi gewesen war, der verleugnete Richter, musste das Objekt, das ihren Weg gefährdet hatte, dessen Raumschiff ZEITWEIDE gewesen sein. Vielleicht hätte es eine Kollision gegeben, wäre Aus der Lichtkluft nicht ausgewichen.

Interessant daran war, dass der Richter offenbar tatsächlich existierte. Warum verleugnete das Atopische Tribunal ihn also? Sicher steckte dahinter eine aufschlussreiche Geschichte.

»Da ist mehr«, stellte Tifflor fest. »Ein zweiter Vorfall.«

»Alles Licht ist ohne...