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Jerry Cotton 3049 - Erbarmungslos

Jerry Cotton

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2015

ISBN 9783732520275 , 64 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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1,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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Seit zwei Tagen saßen Phil und ich im Büro und erledigten Verwaltungsarbeit, Papierkram, wie Phil es nannte. Da wir damit mehr oder weniger fertig waren, versuchten wir zu erraten, wohin uns der nächste Fall bringen würde.

»Also ich tippe mal auf den Großraum Boston«, sagte ich. »Und falls es nicht Massachusetts ist, dann fliegen wir ins Ausland, Mittelamerika, würde ich sagen.«

»Mittelamerika?«, erwiderte Phil und verzog das Gesicht. »Nein, danke, ich würde lieber hier bei uns bleiben. Weniger Korruption, weniger Drogenkartelle – da sind mir unsere Gangster wirklich lieber.«

»Welche Gangster sind Ihnen lieber, Phil?«, ertönte plötzlich die Stimme von Dorothy Taylor, die ihren Kopf in mein Büro steckte.

»US-Gangster«, erwiderte Phil und winkte ab.

Dorothy trug ein relativ auffälliges rotes Oberteil und eine eng anliegende, ebenfalls rote Hose.

Phil lächelte. »Sie haben Glück, dass die McCarthy-Ära vorbei ist. Diese Farbe hätte dem Kommunistenjäger sicherlich nicht gefallen.«

»Das gilt wohl auch für meine Hautfarbe«, erwiderte sie schlagfertig. »Aber zum Glück ist diese Ära vorbei. Davon abgesehen bin ich sicher keine Kommunistin. Also, was soll’s.«

»Das ist lange her«, sagte ich und wandte mich an Dorothy. »Sieht auf jeden Fall schick aus. Aber Sie sind bestimmt nicht nur hier, um uns Ihre neueste Modekollektion vorzustellen, oder?«

»Nicht nur«, sagte sie lächelnd. »Mr High möchte Sie in seinem Büro sprechen. Und wenn ich die Zeichen richtig deute, will er Ihnen einen Fall übertragen.«

»Die Zeichen?«, fragte Phil interessiert. »Was für Zeichen?«

»Der besorgte Gesichtsausdruck des Chefs, eine höhere Frequenz von Telefongesprächen, die Anweisung, alte Akten zu besorgen – eben all das«, antwortete sie.

»Wir sind gleich bei ihm«, sagte ich, stand auf und zog mir mein Sakko über.

Als wir kurz darauf Mr Highs Büro erreicht hatten und eingetreten waren, wusste ich, dass Dorothy recht gehabt hatte. Es gab einen Fall. Und zwar etwas, das Mr High ziemlich aufwühlte.

»Sie wollten uns sprechen, Sir?«, sagte ich.

Er nickte. »So ist es, Jerry. Es gibt Arbeit. Arbeit, die schon vor achtzehn Jahren hätte erledigt werden sollen.«

»Sir?«

Mr High holte tief Luft. »Haben Sie schon vom ›Brautmörder‹ gehört?«

Phil schüttelte den Kopf.

»Der ›Brautmörder‹ ist ein Serienmörder, der vor mehr als achtzehn Jahren im Osten der USA sein Unwesen trieb. Er hat insgesamt sieben Frauen entführt und getötet. Nachdem er sie getötet hatte, hat er ihnen Brautkleider angezogen. Daher hatten ihm damals die Journalisten diesen passenden oder unpassenden, je nachdem wie man es sieht, Namen verpasst.«

»Er ist wieder da? Nach achtzehn Jahren?«, fragte ich. »Hat man ihn damals nicht gefasst?«

Mr High schüttelte den Kopf. »Nein, hat man nicht. Mehrere Field Offices an der südlichen Ostküste hatten in dem Fall ermittelt, aber den Täter nicht gefasst. Als er dann irgendwann aufhörte, hoffte man wohl, dass es vorbei wäre. Doch das war, wie wir jetzt wissen, ein Irrtum.«

»Also sollen wir ihn finden«, stellte ich fest.

Mr High nickte. »Ja, und zwar so schnell wie möglich. Ich weiß nicht, wieso er wieder da ist und was er tun wird. Vielleicht ist sein Plan, oder wie man es bezeichnen will, wieder, sieben Frauen zu töten. Vielleicht hatte er aber auch die letzten achtzehn Jahre nicht die Chance, seiner perversen Neigung nachzukommen. Auf jeden Fall müssen wir ihn fassen, damit er nie wieder die Chance bekommt, jemandem etwas anzutun.«

»Natürlich, Sir«, sagte ich.

Mr High deutete auf einen Aktenstapel, der auf seinem Schreibtisch lag. »Das sind die alten Fallakten beziehungsweise die Kopien, die wir hier in D.C. haben. In den einzelnen Field Offices, die damals an den Ermittlungen beteiligt waren, könnte es mehr geben. Vielleicht sind auch die Informationen der ermittelnden Agents von Interesse, wobei ihre Untersuchungsergebnisse und Vermutungen recht genau niedergeschrieben sind. Sie sollten anfangen, damit zu arbeiten.«

»Und das Opfer?«, fragte ich. »Wenn er wieder aufgetaucht ist, bedeutet das doch, dass es ein Opfer gibt, nicht wahr?«

Mr High nickte. »Dana King, vierundzwanzig. Sie wurde in der Nähe von Nashville, Tennessee gefunden, genauer gesagt in Fairview, was ein paar Meilen südwestlich von Nashville liegt. Ihre Leiche wurde gestern Abend gefunden, das örtliche Field Office hat die Ermittlungen übernommen. Wie es aussieht, ist sie schon mehrere Tage tot. Es wäre möglich, dass sich der Täter schon das nächste Opfer ausgesucht hat oder es bald tun wird. Daher ist Eile geboten. Ich möchte, dass Sie so schnell wie möglich nach Nashville fliegen und die Leitung der Ermittlungen übernehmen. Leider liegen mir noch keine Details über DNA-Spuren, Fingerabdrücke und dergleichen vor. Darum können Sie sich vor Ort kümmern.«

»Werden wir, Sir«, sagte ich. »Wir verschaffen uns einen kurzen Überblick über den Fall und sind dann unterwegs.«

Mr High stand auf. »Dann bleibt mir nur noch, Ihnen viel Erfolg zu wünschen.«

Wir nahmen die Akten und verließen sein Büro.

»Und? Wohin soll es gehen?«, fragte Dorothy.

»Nach Nashville«, antwortete ich. »Könnten Sie uns bei der Buchung eines Fluges unter die Arme greifen? Wir könnten ein oder zwei Stunden für die Sichtung der Akten brauchen und uns dann auf den Weg machen.«

Sie nickte. »Klar, ich frage eben bei den Kollegen an, damit sie einen passenden Flug raussuchen. Sollte kein Problem sein. Worum geht es denn?«

»Um einen Serienmörder, der als der ›Brautmörder‹ bezeichnet wird«, antwortete Phil.

»Hört sich gar nicht so schlimm an, eher nett«, bemerkte sie.

»Das werden die acht Frauen, die er auf dem Gewissen hat, sicher anders sehen«, sagte Phil.

Wir gingen in unser Büro und legten damit los, die Fallakten durchzugehen.

***

»Puh, das ist echt abstoßend«, meinte Phil. »Die Hochzeit soll ja eigentlich der schönste Tag im Leben einer Frau sein. Und der Kerl verkehrt das auf seine geisteskranke Art ins Gegenteil. Schwer vorstellbar, dass man einer Frau so etwas antun kann.«

Ich nickte. »Ja, er ist in hohem Maße verhaltensgestört, zumindest, was diese Sache angeht. Wahrscheinlich hat er mit Frauen generell Probleme. Und irgendein Trauma, das mit Hochzeit zu tun hat. Der Profiler von damals schreibt, dass der Täter bei seinen Morden immer wieder dieselben Aktionen durchläuft. Er entführt eine gut aussehende Frau, lässt sie drei Tage hungern, setzt sie dann unter Medikamente, sodass sie das Bewusstsein verliert, und macht dann einen Aderlass, und zwar so lange, bis das Opfer aufgrund des Blutverlustes stirbt. Dann entkleidet er sie, wäscht sie und zieht ihr ein weißes Hochzeitskleid an. Kurz darauf lässt er sie zurück.«

»Der Kerl ist wirklich krank«, meinte Phil.

Ich nickte. »Ja, sicher. Diese Informationen hatte größtenteils auch die Presse. Theoretisch könnte es sich in Fairview auch um einen Nachahmungstäter handeln. Das können wir nicht ausschließen.«

»Dann hätten wir es mit zwei Tätern zu tun, die beide einen Knall haben«, meinte Phil. »Wie auch immer: Laut Profiler von damals ist der Mörder ein Weißer, zwischen fünfundzwanzig und fünfzig Jahre alt. Plus achtzehn kommen wir heute auf etwa dreiundvierzig bis achtundsechzig. Damit bleiben aber immer noch ein paar Millionen Möglichkeiten. Ich hätte das gerne mehr eingegrenzt.«

»Geht mir genauso«, stimmte ich Phil zu. »Wir schauen, was die Kollegen in Nashville haben. Vielleicht eine neue, exaktere Einschätzung. Mit etwas Glück auch ein paar Hinweise am Tatort, die uns helfen, den Typen zu identifizieren.«

Ich schaute auf die Uhr. Miss Taylor hatte uns informiert, dass ein Flug gebucht worden war, und uns alle Informationen gegeben. Wir hatten kaum mehr als eine Stunde Zeit.

»Besser wir machen uns auf den Weg, nicht dass wir zu spät kommen, weil es einen Stau gibt«, sagte ich.

»Ein paar der Unterlagen liegen digitalisiert vor, die nehme ich mit«, sagte Phil. »Habe sie schon auf mein Notebook überspielt. Da können wir später noch einiges durchgehen.«

»In Ordnung«, sagte ich.

Wir packten ein, was wir brauchten, schnappten uns die Taschen mit Kleidung und anderen Utensilien, die wir schon vorbereitet hatten, und verließen dann das J. Edgar Hoover Building.

***

In Nashville angekommen, gingen wir sofort zur Autovermietung. Wir entschieden uns diesmal für ein sportliches Modell, einen schwarzen Ford Mustang mit rund 200 PS. Bei den gegebenen Geschwindigkeitsbeschränkungen konnte man zwar nur selten auf diese Leistung zurückgreifen, aber es war ein gutes Gefühl, etwas mehr Power unter der Haube zu haben. In dieser Beziehung war ich ja von meinem Jaguar ziemlich verwöhnt.

Wie üblich nahm ich auf der Fahrerseite Platz und Phil neben mir.

Im FBI Field Office angekommen, gingen wir sofort zum Leiter, Theo Calhan. Er begrüßte uns freundlich, wenn auch etwas zurückhaltend, was, wie ich vermutete, dem Grund unseres Erscheinens geschuldet war. Das Aufleben eines Serienmörders war sicherlich kein Grund zur Freude.

Nach ein wenig Smalltalk kamen wir auf den Fall zu sprechen.

»Assistant Director High hat Sie sicher informiert, dass wir die Ermittlungen im ›Brautmörder‹-Fall übernehmen sollen«, sagte ich.

Calhan nickte. »Natürlich. Und Sie werden jede...