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Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren

Marianne Gäng

 

Verlag ERNST REINHARDT VERLAG, 2015

ISBN 9783497602186 , 337 Seiten

7. Auflage

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz DRM

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32,99 EUR


 

Einführung

Die Entwicklung des Heilpädagogischen Reitens und Voltigierens im deutschsprachigen Raum

Von Marianne Gäng

In den 1960er Jahren des letzten Jahrhunderts begannen Pädagogen und Psychologen, das Reiten bzw. Voltigieren bei Kindern mit unterschiedlichem Problemverhalten einzusetzen.

Mit meinem 1983 im Ernst Reinhardt Verlag erschienenen Buch „Heilpädagogisches Reiten“ versuchte ich, ein erstes wegweisendes Zeichen zu setzen auf dem Gebiet, auf dem sich wohl schon einige bewegten, aber noch keiner so recht die Richtung kannte. Wie kam es zu dieser Publikation? Aus ersten Versuchen in den 1960er-Jahren mit Islandpferden und den eigenen Kindern wuchs der Mut, Gleiches auch mit lernbehinderten Schülerinnen und Schülern an den Sonderklassen Basel-Stadt und mit geistig behinderten Jugendlichen eines Heims zu wagen. Systematisch weiterentwickelt wurden die Idee und die Praxis in der Anwendung bei verhaltensauffälligen Kindern in einem ländlichen Schulheim. Der Umgang mit den Pferden und das Reiten waren ein wichtiger Teil des Heimalltags. Miteinbezogen waren auch die Erzieher und die Lehrer.

Immer häufiger wollten Interessenten das Heilpädagogische Reiten (HPR) kennenlernen. So lag es nahe, Informationstage durchzuführen, aus denen sich bald Ausbildungskurse entwickelten. Dass irgendwann das Erarbeitete einem weiteren Kreis zugänglich gemacht werden sollte, lag auf der Hand; so entstand dann das Buch.

In der Schweiz hatte sich die Idee des Heilpädagogischen Reitens und Voltigierens vor allem im Umgang und in der Begegnung mit dem Lebewesen Pferd und dem Reiten entwickelt.

1985 haben mein Mann und ich zusammen mit den ersten Absolventinnen meiner Ausbildungskurse die Schweizerische Vereinigung für Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren (SV-HPR) aus der Taufe gehoben. Bis zum Jahr 1995 lief meine Ausbildungsarbeit unter der Ägide der SV-HPR. Nach der Trennung habe ich die unveränderte Ausbildung weitergeführt unter dem neuen Verbandsnamen Schweizer Gruppe für Therapeutisches Reiten (SG-TR). Die Absolventen sind Pädagogen aus Deutschland, Österreich, Luxemburg, Finnland und der Schweiz. Sie arbeiten in Heimen, psychiatrischen Kliniken, heilpädagogischen Tagesschulen, auf Jugendfarmen und privaten (heilpädagogischen) Reitbetrieben.

In der Bundesrepublik Deutschland war es der Verdienst Antonius Krögers, den persönlichkeitsbeeinflussenden Wert der Einbeziehung des Pferdes in die Erziehung von lern- und verhaltensauffälligen Kindern erkannt und seine Erfahrung als Erster in der Bundesrepublik Deutschland publiziert zu haben. Als Junglehrer an einer Heimsonderschule für lernbehinderte und verhaltensauffällige Jungen (St. Josefhaus, Wettringen), der noch in den 1960er-Jahren eine Landwirtschaft angeschlossen war, entdeckte Kröger das starke Interesse dieser Kinder am Umgang mit dem Lebewesen „Pferd“. Diese Faszination nutzte er, indem er sich selbst ein Pferd zum Voltigieren ausbildete und es im Rahmen des Schulunterrichts mit seinen Schülerinnen und Schülern wöchentlich für Voltigierübungen einsetzte.

Es soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass auch in der DDR schon 1974 durch ohms / Göhler von ähnlich positiven Auswirkungen durch den Einsatz des Pferdes bei Kindern aus psychiatrischen Kliniken berichtet wurde.

Zunächst wurde das Pferd überwiegend in Heimen – zum Teil mit angeschlossener Sonderschule – und Kliniken mehr oder weniger intuitiv eingesetzt. Jeder Praktiker gab seiner Tätigkeit mit dem Pferd eine andere Bezeichnung, wie „Pädagogisches Reiten“, „Therapeutisches Voltigieren“, „Heiltherapeutisches Voltigieren und Reiten“, „Therapeutische Reitschule“, „Therapeutisches Reiten in der Psychiatrie“.

1977 trafen sich auf einem Symposium in Wettringen Wissenschaftler aus den Bereichen Medizin, Pädagogik, Psychiatrie, Sport sowie Pferdefachleute, Sonderschullehrer, Heimerzieher und Sozialpädagogen, um die bisherigen Aktivitäten im Therapeutischen Reiten zu systematisieren, zu koordinieren und zu intensivieren. Es wurde beschlossen:

1. alle zurzeit praktizierten Einsatzmöglichkeiten des Pferdes bei Kindern und Jugendlichen aus dem Bereich der Heil- / Sonderpädagogik unter dem Fachausdruck „Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren“ (HPR / V) zusammenzufassen,

2. die verschiedenen Anwendungsformen auf ihre Effektivität und Vermittelbarkeit (Lehrbarkeit) kritisch zu hinterfragen, und daraus schlussfolgernd

3. eine Weiterbildungsmaßnahme für interessierte Berufsgruppen aus pädagogischen und psychologischen Bereichen anzubieten.

Eine Übersicht der verschiedenen Bereiche Therapeutischen Reitens aus heutiger Sicht bietet Tab. E1. Die Unterschiede zwischen pädagogischer und therapeutischer Herangehensweise sind in Tab. E2 herausgearbeitet. Bis heute ließen sich zahllose Fachkräfte im Heilpädagogischen Voltigieren oder Reiten ausbilden, und somit konnte das Angebot auf weitere Institutionen wie Tagesbildungsstätten, Jugendfarmen, Beratungsstellen, Schulpsychologische Dienste, Volkshochschulen, Regelschulen (Grund-und Hauptschulen, vereinzelt auch Realschulen und Gymnasien) erweitert werden.

Heute werden unter dem Begriff „Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren“ vornehmlich pädagogische, rehabilitative und soziointegrative Angebote mit Hilfe des Pferdes bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit verschiedenen Behinderungen oder Störungen zusammengefasst. Dabei steht nicht die reitsportliche Ausbildung, sondern die individuelle Förderung über das Medium Pferd im Vordergrund, d. h. vor allem eine günstige Beeinflussung der Entwicklung, des Befindens und des Verhaltens. Im Umgang mit dem Pferd, beim Reiten oder Voltigieren wird der Mensch ganzheitlich angesprochen: körperlich, geistig, emotional und sozial.

Im deutschsprachigen Raum ist man sich weitgehend einig, dass die Bezeichnung „Reitpädagogin / Reitpädagoge“ angemessen ist, was aber im Einzelfall nicht ausschließt, von „Voltigierpädagogin / Voltigierpädagoge“ zu sprechen. Wenn in diesem Buch der Begriff „Reit- / Voltigierpädagoge“ Verwendung findet, so ist damit derjenige gemeint, der die Ausbildung beim DKThR (Deutsches Kuratorium für Therapeutisches Reiten), bei der SG-TR (Schweizer Gruppe für Therapeutisches Reiten), beim ÖKTR (Österreichisches Kuratorium für Therapeutisches Reiten) oder dem Förderkreis Therapeutisches Reiten e. V. gemacht hat. In allen drei Ländern gibt es eigene Ausbildungsgänge (siehe Anhang). Die obigen Verbände haben sich zusammengeschlossen zum „Forum der Ausbildungsträger einer Therapie mit dem Pferd“ (FATP).

Tab. E1: Therapien mit dem Pferd / Therapeutisches Reiten

Sparte Hippotherapie Heilpädagogisches Reiten / Voltigieren Reittherapie Behindertenreiten
Arbeitsweise

physiotherapeutisch

pädagogisch, heilpädago-gisch, erlebnispädagogisch

therapeutisch, psychotherapeutisch, rehabilitativ

sportlich, freizeitgestalterisch

Berufsgruppen

PhysiotherapeutInnen

LehrerInnen aller Stufen

HeilpädagogInnen

SozialpädagogInnen

KindergärtnerInnen

ErziehungspflegerInnen

MedizinerInnen

PsychotherapeutInnen

PsychomotorikerInnen

Physio-, Logo-, ErgotherapeutInnen

PsychologInnen

Krankenschw./-pfleger

PsychiatriepflegerInnen

ReitwartInnen

ReitlehrerInnen

AmateurreitlehrerInnen

TrainerInnen C

Ausbildungsangebote

Schweizer Gruppe für Hippotherapie

Kuratorium Therapeutisches Reiten (D)

Österreichisches Kuratorium Therapeutisches Reiten

Schweizer Gruppe Therapeutisches Reiten

Schweizer Vereinigung für Heilpädagogisches Reiten

Kuratorium Therapeutisches Reiten (D)

Förderkreis Therapeutisches Reiten e. V. (D)

Österreich. Kuratorium Therapeutisches Reiten

Schweizer Gruppe Therapeutisches Reiten

Münchner Schule für Psychotherapeutisches Reiten

Schweizer Verband für Pferdesport

Kuratorium Therapeutisches Reiten (D)

Österreichisches Kuratorium Therapeutisches Reiten

Berufsbezeichnung

HippotherapeutInnen

ReitpädagogInnen

VoltigierpädagogInnen

ReittherapeutInnen

AusbilderInnen Sport für Menschen mit Behinderung (D, A)

Pferdesport für Menschen mit Handicap (CH)

Legitimation der Ausbildungslehrgänge

In den Fachpublikationen zu den Themen...