dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Die Kinder der Nacht - Horrorgeschichten

Robert E. Howard

 

Verlag Festa Verlag, 2015

ISBN 9783865523198 , 400 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

Geräte

7,99 EUR


 

Schwarzes Canaan


1
Ein Ruf aus Canaan

»Ärger am Tularoosa Creek!« Eine Warnung, die jedem einen kalten Schauder der Furcht über den Rücken jagen musste, der in jenem abgelegenen Landstrich namens Canaan, zwischen dem Tularoosa und dem Black River, aufgewachsen war – und ihn sofort in diese von Sümpfen umschlossene Region eilen ließ, ganz egal, wo die Nachricht ihn erreichte.

Es war nur ein Flüstern von den welken Lippen einer hinkenden alten Schwarzen, die längst in der Menge verschwunden war, bevor ich sie festhalten konnte, aber es genügte. Es gab keinen Grund, eine Bestätigung zu suchen; es gab keinen Grund, herausfinden zu wollen, auf welchen mysteriösen, dunklen Wegen die Nachricht sie erreicht hatte. Es gab keinen Grund nachzufragen, welche finsteren Kräfte bewirkt hatten, dass sie ihre runzligen Lippen einem Black-River-Mann gegenüber öffnete. Es genügte, dass die Warnung weitergegeben wurde – und verstanden.

Verstanden? Wie hätte ein Black-River-Mann diese Warnung nicht verstehen können? Sie konnte nur eines bedeuten: Alter Hass brodelte erneut in den Dschungeltiefen des Sumpflandes, dunkle Schatten huschten zwischen den Zypressen umher, und Tod und Verderben gingen von dem schwarzen, geheimnisvollen Dorf aus, das an den moosbewucherten Ufern des Tularoosa finster vor sich hin brütete.

Kaum eine Stunde später blieb New Orleans mit jeder Umdrehung des Schaufelrades weiter hinter mir zurück. Für jeden, der in Canaan geboren ist, existiert dieses unsichtbare Band, das ihn nach Hause zieht, wenn seine Heimat von den finsteren Schatten bedroht wird, die seit mehr als einem halben Jahrhundert in den Tiefen des Urwalds lauern.

Die schnellsten Boote, die ich finden konnte, kamen mir unerträglich langsam vor bei meinem Rennen den großen Strom hinauf und dann den kleineren, unruhigen Nebenfluss entlang. Ich brannte vor Ungeduld, als ich am Anleger von Sharpsville an Land ging, die letzten 15 Meilen meiner Reise noch vor mir. Es war schon nach Mitternacht, trotzdem eilte ich zum Mietstall, wo – dank einer Tradition, ein halbes Jahrhundert alt – immer ein Buckner-Pferd wartet, bei Tag und bei Nacht.

Während ein schläfriger schwarzer Stallbursche die Sattelgurte anzog, wandte ich mich an den Besitzer des Stalls, Joe Lafely, der mich im Licht seiner Laterne gähnend musterte. »Es gibt Gerüchte über Ärger am Tularoosa?«

Im Laternenlicht sah ich ihn erblassen. »Weiß nicht. Hab Andeutungen gehört. Aber ihr Leute in Canaan seid ’ne mundfaule Sippschaft. Außerhalb weiß niemand, was dort drinnen los ist ...«

Die Nacht verschluckte seine Laterne und seine Stimme, als ich auf der Landstraße westwärts galoppierte.

Der Mond schien rot durch die schwarzen Kiefern. Eulen riefen tief in den Wäldern, und irgendwo heulte ein Hund seine ewige Schwermut in die Nacht. In der Dunkelheit kurz vor der Morgendämmerung überquerte ich den Negro Head Creek, einen Streifen aus glänzendem Schwarz, gesäumt von Wänden aus massiven Schatten. Die Hufe meines Pferdes platschten durch das flache Wasser und klackten auf den feuchten Steinen erschreckend laut in der Stille. Unmittelbar dahinter beginnt der Landstrich, den man Canaan nennt.

Einige Meilen weiter nördlich und dem gleichen Sumpf entspringend, der auch den Tularoosa Creek hervorbringt, fließt der Negro Head Creek genau südwärts, um sich einige Meilen westlich von Sharpsville mit dem Black River zu vereinen, während der Tularoosa nach Westen fließt und weiter flussaufwärts in das gleiche Gewässer mündet. Das Bett des Black River verläuft etwa von Nordwesten nach Südosten. Und diese drei Wasserläufe umschließen das unregelmäßige Dreieck, das unter der Bezeichnung Canaan bekannt ist.

In Canaan lebten die Söhne und Töchter der weißen Pioniere, die als erste das Land besiedelt hatten, und die Söhne und Töchter ihrer Sklaven. Joe Lafely hatte recht – wir waren eine selbstgenügsame, mundfaule Brut und eifersüchtig auf unsere Abgeschiedenheit und Unabhängigkeit bedacht.

Hinter dem Negro Head wurde der Wald dichter. Die Straße verengte sich und wand sich durch unkultivierte Nadelgehölze, gelegentlich unterbrochen von Lebenseichen und Zypressen. Kein Laut war zu hören bis auf das leise Getrappel der Hufe auf dem Staub des Weges und das Knarren des Sattels. Und dann lachte jemand kehlig in den Schatten.

Ich zügelte das Pferd und starrte ins Dunkel. Der Mond war untergegangen und der Morgen noch nicht angebrochen, aber ein schwaches Leuchten zitterte zwischen den Bäumen, und darin konnte ich eine undeutliche Gestalt unter den moosbehangenen Zweigen ausmachen. Instinktiv suchte meine Hand den Kolben einer der Duellpistolen, die ich bei mir führte, und diese Bewegung lockte ein weiteres leises, musikalisches Lachen hervor, spöttisch und doch verführerisch. Ich erspähte ein braunes Gesicht, ein Paar funkelnder Augen und weiße Zähne, die ein keckes Lächeln zur Schau stellten.

»Wer zum Teufel bist du?«, wollte ich wissen.

»Warum bist du so spät noch unterwegs, Kirby Buckner?« Eine neckische Amüsiertheit umspielte ihre Stimme. Der Akzent klang fremd und unvertraut; ein leicht negroides Näseln schwang darin mit, aber es wirkte so voll und sinnlich wie der kurvige Körper der Sprecherin. Im glänzenden Wust ihrer dunklen Haare schimmerte eine weiße Blüte blass in der Dunkelheit.

»Was machst du hier? Du bist weit von jeder Negerhütte entfernt. Und ich kenne dich nicht.«

»Ich bin nach Canaan gekommen, nachdem du fortgegangen warst«, antwortete sie. »Meine Hütte liegt am Tularoosa. Aber ich habe mich verirrt. Und mein Bruder hat sich das Bein verletzt und kann nicht laufen.«

»Wo ist dein Bruder?«, fragte ich unbehaglich. Ihr perfektes Englisch empfand ich als beunruhigend, zu sehr hatte ich mich an das übliche Kauderwelsch der Schwarzen gewöhnt.

»Dort hinten im Wald, weit hinten!« Mehr mit einer wiegenden Bewegung ihres biegsamen Körpers als mit einem Wink ihrer Hand deutete sie in die schwarze Tiefe, und dabei lächelte sie mich keck an.

Ich wusste, es gab keinen verletzten Bruder, und sie wusste, dass ich es wusste, und lachte mich aus. Aber ein seltsamer Aufruhr widerstreitender Gefühle tobte in mir. Ich hatte mich noch nie zuvor für eine schwarze oder braune Frau interessiert. Aber diese Mulattin war anders als jede, die ich jemals getroffen hatte. Ihre Gesichtszüge wirkten so ebenmäßig wie die einer Weißen, und ihre Sprache schien nicht die einer einfachen Frau zu sein. Und doch hatte sie etwas Barbarisches an sich, in der offenen Verlockung ihres Lächelns, im Glanz ihrer Augen, in der schamlosen Haltung ihres verführerischen Körpers. Mit jeder Geste, jeder Bewegung hob sie sich von den gewöhnlichen Frauen ab; ihre Schönheit machte einen ungezähmten und gesetzlosen Eindruck, eher dafür geschaffen, einen Mann in den Wahnsinn zu treiben, als ihn zu besänftigen. Sie machte ihn blind und benommen, stachelte in ihm all die ungezügelten Leidenschaften an, die er von seinen äffischen Vorfahren geerbt hatte.

Ich erinnere mich kaum daran, wie ich abstieg und mein Pferd anband. Das Blut pochte betäubend in meinen Schläfen, als ich sie finster anstierte, misstrauisch und doch fasziniert.

»Woher kennst du meinen Namen? Wer bist du?«

Mit einem aufreizenden Lachen nahm sie meine Hand und zog mich tiefer in die Schatten. Gebannt von dem Licht, das in ihren Augen glänzte, war ich mir kaum bewusst, was sie tat.

»Wer kennt denn nicht Kirby Buckner?«, rief sie lachend. »Alle Menschen in Canaan sprechen von dir, Weiße wie Schwarze. Komm! Mein armer Bruder sehnt sich danach, dich zu sehen!« Und sie lachte in hämischem Triumph.

Es war diese dreiste Unverfrorenheit, die mich wieder zur Besinnung brachte. Ihr höhnischer Spott brach den hypnotischen Bann, in den sie mich gezogen hatte.

Unvermittelt blieb ich stehen, schlug ihre Hand beiseite und knurrte: »Was für ein teuflisches Spiel treibst du hier, Weib?«

Augenblicklich verwandelte sich die lächelnde Sirene in eine blutgierige Raubkatze. Ihre Augen loderten mordgierig auf, ihre roten Lippen verzogen sich zu einem Zähnefletschen, und mit einem schrillen Schrei sprang sie zurück. Das Trampeln bloßer Füße antwortete auf ihren Schrei. Durch die Laubdecke drang das erste blasse Licht des Morgens und präsentierte mir meine Angreifer: drei hagere schwarze Riesen. Ich sah das glänzende Weiß ihrer Augen, die entblößten, glitzernden Zähne und das Schimmern nackten Stahls in ihren Händen.

Meine erste Kugel durchschlug den Schädel des Größten von ihnen und tötete ihn in vollem Lauf. Meine zweite Pistole klickte nur – das Zündhütchen musste sich gelöst haben. Ich rammte die Waffe in ein schwarzes Gesicht, und als der Mann halb betäubt zu Boden ging, riss ich mein Bowiemesser heraus und stellte mich dem dritten. Ich parierte seinen Stich, und mein Gegenangriff fuhr ihm über die Bauchmuskeln. Er schrie auf wie ein Sumpfpanther und versuchte wild, nach meiner Messerhand zu greifen, aber ich schlug ihn mit der linken Faust ins Gesicht und spürte seine Lippen platzen und seine Zähne knirschen. Er taumelte zurück, wild mit dem Messer fuchtelnd. Bevor er das Gleichgewicht wiederfand, setzte ich ihm nach, stieß zu und erwischte ihn unter den Rippen. Er stöhnte und fiel in einer Lache seines eigenen Blutes zu Boden.

Ich wirbelte herum und hielt Ausschau nach dem zweiten. Er stand gerade auf, Blut lief ihm über Gesicht und Hals. Als ich auf ihn losging, stieß er einen entsetzten Schrei aus und floh ins Unterholz. Der Lärm seiner blinden Flucht wurde mit zunehmender...