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Invasion - Todeskampf (1) - Roman

Simon Scarrow, T. J. Andrews

 

Verlag Heyne, 2016

ISBN 9783641169893 , 100 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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0,99 EUR


 

KAPITEL 1

Calleva, A. D. 44

Ein kühler Windstoß fegte durch das Zelt des Hauptquartiers, als der neue Legat der Zweiten Legion durch die geöffnete Zeltklappe schritt.

»Erhebt euch!«, rief der Lagerpräfekt den Offizieren zu, die im Innern saßen. »Der Legat ist da.«

Die Offiziere verstummten, erhoben sich unverzüglich von ihren Klappstühlen und nahmen Habachtstellung ein, während der Legat an ihnen vorbeimarschierte. Lucius Aelianus Celer nickte in Richtung des Präfekten; seine Hände und sein Gesicht kribbelten von der kalten Nachtluft. Er war erst vor Kurzem aus Rom eingetroffen, um das Kommando über die Legion zu übernehmen, und er war einigermaßen entsetzt angesichts der beklagenswerten Verhältnisse auf der Insel. Mit jedem weiteren Tag sehnte er sich nach der wohligen Wärme seiner Heimat Kampanien zurück. Während Celer die Kälte aus seinen Gliedern schüttelte, trat er an einen Holzrahmen mit einer Karte aus Tierhaut, die vor den Reihen seiner versammelten Offiziere aufgebaut war. Ein Tribun, der neben der Karte stand, trat nach vorn und reichte ihm einen Holzstock. Celer warf dem Präfekten einen flüchtigen Blick zu und streckte seinen Rücken.

»Danke, Quintus Silanus.« Der Präfekt nickte. Celer wandte sich den Offizieren zu und richtete mit seiner sanften, vornehmen Stimme das Wort an sie. »Rühren, meine Herren.«

Förmlich eingehüllt in unbehagliches Schweigen, nahmen die versammelten Männer Platz. Selbst im fahlen Schein der Öllampen konnte Celer die tiefe Besorgnis in ihren Gesichtern erkennen. Weniger als ein Monat war vergangen, seit die Zweite Legion unter dem Kommando seines Vorgängers Vespasian diesen Caratacus geschlagen hatte, den König der Catuvellaunen und Anführer jener einheimischen Stämme, die beschlossen hatten, den römischen Invasoren Widerstand zu leisten. Nach langem, blutigem Kampf hatte Vespasian Caratacus’ Armee schließlich in einer offenen Feldschlacht vernichtend geschlagen. Für den Sieg hatten die Römer allerdings einen hohen Preis gezahlt; die Zweite Legion erlitt schmerzliche Verluste, und Caratacus konnte seinen Häschern entkommen. Für das laufende Jahr war ihr Einsatz beendet, der Winter stand vor der Tür, und die Soldaten würden die nächsten Monate – bis zum nächsten Einsatz im Frühling – eingepfercht in der Festung verbringen. Celer räusperte sich.

»Es ist kalt heute Nacht, meine Herren, darum werde ich mich kurzfassen«, erklärte er. »In den vergangenen Wochen haben wir zahlreiche Berichte erhalten von Angriffen auf unsere Stellungen im Süden. Spähtrupps wurden aus dem Hinterhalt überfallen, Festungen dem Erdboden gleichgemacht und Versorgungslager der Flotte geplündert. Wir reden hier nicht von vereinzelten Gelegenheitsüberfällen, sondern von koordinierten Angriffen. Die Lage ist besorgniserregend. Man hat mir berichtet, dass die griechischen Händler sich inzwischen weigern, außerhalb der Legionslager ihren Geschäften nachzugehen.« Für seine letzte Bemerkung erntete er höfliches Gelächter von seinen Zuhörern. Celer machte eine Pause und zeigte die Andeutung eines Lächelns, bevor er fortfuhr: »Ich weiß, einige von uns hatten gehofft, dass der Sieg über Caratacus diesem gottverlassenen Land Frieden bringen würde. Doch es scheint, dass unsere Feinde nach seiner Flucht neuen Mut geschöpft haben. Die Durotriger haben ihren Widerstand gegen unsere unabwendbare Herrschaft noch verstärkt. Mein geachteter Vorgänger Vespasian konnte dieses Gebiet zwar erobern, doch ist es ihm nicht gelungen, es unter seine Kontrolle zu bringen – und ich habe vor, dieses Versäumnis nachzuholen.«

Celer wandte sich der Karte zu, die den breiten Streifen Süd-Britanniens zeigte, der offiziell unter römischer Herrschaft stand und der sich östlich des Flottenstützpunkts in Rutupiae, entlang der Themse, vorbei an Calleva, bis zur Bergregion im Westen erstreckte. Celer deutete mit dem Kopf auf die Karte.

»Wir haben Informationen, die darauf hindeuten, dass hinter den Angriffen Krieger der Durotriger stecken, die von der Insel Vectis aus operieren.« Er zeigte mit dem Stock auf eine keilförmige Insel, ein paar Meilen vom Festland entfernt. »Während der Überraschungsangriffe unter Vespasians Kommando auf ihrem Gebiet letzten Sommer ist es zahlreichen Feinden gelungen, aus den Hügelfestungen zu fliehen. Da Vespasian es so eilig hatte, weiter nach Westen vorzurücken, hat er es versäumt, sich um dieses Gesindel zu kümmern, sodass sich die Männer nach Vectis zurückziehen konnten.«

Celer wandte sich erneut den Offizieren zu und hielt seinen Stock fest umklammert, sodass das Blut aus seinen Fingerknöcheln wich. Dann fuhr er fort: »Von seinem Stützpunkt auf Vectis aus konnte der Feind eine Angriffswelle nach der anderen starten und sich wieder auf die Insel zurückziehen, bevor unsere Streitkräfte ihn erfolgreich bekämpfen konnten. Meine Herren, es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir Vectis endgültig unter unsere Kontrolle bringen und die Durotriger daran hindern, die Insel als Stützpunkt zu nutzen, von dem aus sie unsere Versorgungslinie entlang der Küste angreifen. Aus diesem Grund werden sich morgen bei Tagesanbruch die Fünfte, Sechste, Siebte und Neunte Kohorte auf den Weg zum Kriegshafen westlich von Noviomagus Regnorum machen. Justament sind ein Dutzend Galeeren und Versorgungsschiffe der britannischen Flotte zum Hafen in Rutupiae unterwegs. Sobald wir dort eingetroffen sind, werden wir an Bord gehen, die Schiffe mit unseren Versorgungsgütern beladen und nach Vectis aufbrechen.«

Unter den Männern hob leises Gemurmel an bei der Vorstellung, so kurz vor den bitterkalten Wintermonaten erneut in den Kampf zu ziehen. Mehrere Offiziere wechselten argwöhnische Blick; einige der Männer in den hinteren Reihen brummten vor sich hin. Celer ließ sich davon nicht beeindrucken. Er hob die Hand, und schnell kehrte wieder Ruhe ein.

»Glücklicherweise ist Fortuna uns wohlgesinnt. In den letzten paar Wochen sind unsere einheimischen Kundschafter auf Vectis im Verborgenen tätig gewesen und haben Informationen über den Feind gesammelt. Sie haben uns berichtet, dass die Durotriger über keine nennenswerten Verteidigungsanlagen verfügen.« Celer lachte in sich hinein. »Tatsache ist, dass sie in den Bergen ein Lager für den bevorstehenden Winter errichten. Wenn wir jetzt zuschlagen, können wir die Festung einnehmen, bevor die Durotriger es schaffen, ihre Verteidigungsanlagen fertigzustellen, den Feind besiegen und vor den ersten Stürmen wieder ins Lager zurückkehren.« Er betrachtete seine Männer mit einem selbstzufriedenen Grinsen. »Der Vorteil wird auf unserer Seite sein. Wir sind dem Feind zahlenmäßig überlegen, und er hat keine Fluchtmöglichkeit. Außerdem ist eine Vorhut unserer Flotte entlang der Küste in Stellung gegangen und schneidet den Nachschub durch Sympathisanten vom Festland ab. Unter diesen Umständen sollte Vectis leicht einzunehmen sein. Natürlich wird es wie immer Widerstandnester geben, die es auszumerzen gilt. Sobald das geschehen ist, können wir die Beute aufteilen.«

Bei der Aussicht auf einen Anteil an der Kriegsbeute hellte sich die Stimmung im Zelt schlagartig auf. Celer wusste, dass jeder Offizier mit den Gefangenen eine hübsche Stange Geld verdienen konnte, wenn man sie nach Gallien verschiffte und als Sklaven verkaufte, ganz zu schweigen von den Schätzen aus kunstvoll verzierten Waffen und Schmuck, die die einheimischen Aristokraten gehortet hatten.

»Hier werden wir anlegen.« Er deutete mit seinem Stock auf eine langgezogene Bucht an der Ostküste der Insel. »Der Feind wird nicht mit einem Angriff von Osten rechnen. Auf meinen Befehl hin haben die Kundschafter die Durotriger mit Falschinformationen versorgt. Sie glauben, dass wir uns von Norden nähern, was naheliegender wäre.« Er ließ den Stock zur Mitte der Insel wandern, zu einem Meeresarm, der sich bis zur Küste im Norden erstreckte. »Abgesehen von ein paar vereinzelten Kämpfern wird der Osten von Vectis kaum verteidigt.«

Celer suchte sich ein Gesicht in der Schar der Offiziere heraus und richtete seinen Blick auf einen Mann, der in der ersten Reihe saß. Er hatte hellblaue Augen, eine Adlernase und trug einen edlen Umhang. »Tribun Palinus.«

»Herr?« Der Mann hob den Blick und blinzelte.

»Ich übertrage dir das Kommando über die Fünfte Kohorte. Deine Männer werden als Erste an Land gehen und vor den Hauptstreitkräften den Strand sichern. Denkst du, dass du der Aufgabe gewachsen bist?«

Mit unübersehbarem Stolz warf Palinus sich in die Brust. »Du kannst dich auf mich verlassen, Herr. Ich werde dich nicht enttäuschen.«

»Gut.« Celer schenkte ihm ein schwaches Lächeln, dann richtete er den Blick auf die anderen Männer. »Noch irgendwelche Fragen?«

Ein Centurio in einer der hinteren Reihen hob die Hand. Es handelte sich um einen kleingewachsenen, blassen Mann mit dunklem, lockigem Haar, und im Gegensatz zu vielen seiner Kameraden hatte er keine Narben. Celer musterte ihn kühl.

»Ja, Centurio Ocella?«

»Herr«, sagte er vorsichtig. »Wie stark ist die Truppe, mit der wir es zu tun haben?«

»Laut unseren Kundschaftern handelt es sich höchstens um einige hundert Männer«, entgegnete Celer wie beiläufig; er wollte der guten Stimmung keinen Dämpfer verpassen. »Umso wichtiger ist es, dass wir uns gleich auf den Weg machen, bevor sie Gelegenheit haben, sich zu verschanzen und Verstärkung zu holen. Natürlich würde ich lieber mit mehr Männern angreifen, aber wie ihr alle wisst, wurde die Legion durch die jüngsten Kämpfe mit Caratacus empfindlich in Mitleidenschaft gezogen....