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Invasion - Verräter (4) - Roman

Simon Scarrow, T. J. Andrews

 

Verlag Heyne, 2016

ISBN 9783641169923 , 100 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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1,99 EUR


 

KAPITEL 1

Lindinis, A.D. 44,
Festung der Zweiten Legion

Die fahle Wintersonne schob sich über die Palisade der Festung, als Optio Figulus und sein Kamerad, der Legionär Rullus, Richtung Exerzierplatz marschierten. Vor ihnen stand eine schweigende Gruppe Durotriger, die in der eisigen Brise schauderten; einige von ihnen traten heftig auf der Stelle, um die lähmende Kälte abzuschütteln. Beaufsichtigt wurden die Rekruten, die die neue Leibwache des Königs bilden sollten, von einer Handvoll Batavern, die den Hilfstruppen der Garnison angehörten und deren Rüstungen und Helme matt im spärlichen Morgenlicht schimmerten. Der Winter hatte Britannien erreicht, und der zentrale Verbindungsweg innerhalb der Festung war von frisch gefallenem Schnee bedeckt.

»Sieh dir nur diesen elenden Haufen Barbaren an«, murmelte Rullus. Der Veteran stieß ein lautes Schnauben aus und schüttelte den Kopf. »Da ist wohl kaum einer dabei, der wirklich etwas taugt. Ich kann immer noch nicht glauben, dass wir sie ausbilden sollen, Herr. Warum wir? Warum die Aufgabe nicht einfach den Batavern überlassen?«

Figulus sah den Legionär an und grinste. Rullus war der älteste Soldat in der kleinen, aus einem halben Dutzend Kämpfern bestehenden Einheit des Optio, die allesamt aus der Zweiten Legion kamen. Figulus und seine Männer waren einige Tage zuvor in Lindinis eingetroffen. Sie waren von der Legion entsendet worden, um dem kaiserlichen Gesandten Numerius Scylla zu dienen. Ihre Aufgabe bestand darin, dem König der Durotriger – einem der kriegerischsten Stämme in Britannien – wieder auf den Thron zu verhelfen. Nachdem Trenagasus einen Mordanschlag überlebt hatte, stand er noch ganz am Anfang bei seinem Versuch, die Macht über seine unruhigen Untertanen zu festigen. Weil die Lage in Lindinis angespannt war und sich so schnell auch kaum bessern würde, hatte der Optio den Befehl erhalten, die neue Leibwache auszubilden, die den König schützen sollte.

Figulus zuckte mit seinen breiten Schultern. »Die Aufgabe ist gar nicht so übel. Besser, als sich den Arsch plattzusitzen und den ganzen Tag Würfel zu spielen.«

»Das mag für dich gelten, Herr«, erwiderte Rullus knurrig. »Ich würde mich lieber einem netten Krug Met widmen, anstatt diesen Schwachköpfen beizubringen, wie man ein Schwert hält. Und wo wir gerade beim Thema sind: Wie ich höre, gibt es einen neuen Weinhändler in der Stadt. Wir sollten ihm später einen Besuch abstatten.« Er nickte in Richtung Lindinis, wo sich mehrere Rundhütten ohne erkennbare Ordnung um die größeren Gebäude gruppierten, welche den königlichen Bezirk bildeten; die Siedlung lag weniger als eine Meile entfernt südlich der Festung. »Es wird verdammt noch mal Zeit, dass es in dieser Jauchegrube einen Ort gibt, an dem man etwas Anständiges zu trinken bekommt.«

Nach seiner Rückkehr auf den Thron war es eine der ersten Handlungen des Königs der Durotriger gewesen, die Tore seiner Hauptstadt für römische Kaufleute, Zuhälter und Sklavenhändler zu öffnen, die den Legionen überallhin folgten und es darauf angelegt hatten, die naiven Inselbewohner auszunehmen. Kürzlich waren mehrere Weinhändler in Lindinis eingetroffen, die darauf hofften, sowohl bei den Einheimischen wie bei den gelangweilten Soldaten der Garnison in deren dienstfreier Zeit gute Geschäfte zu machen. Schon bald würden andere Händler folgen, sobald sich die aufsässigen Durotriger in friedliche Verbündete Roms verwandelt hatten.

»Ein andermal vielleicht«, sagte Figulus, der nicht ganz bei der Sache war und das Gelände zu beiden Seiten des zentralen Verbindungsweges aufmerksam musterte. Rullus schüttelte den Kopf.

»Sag mir nicht, dass du immer noch nach deinem Glücksbringer suchst, Herr.«

Figulus nickte und seufzte. Sein Medaillon, das Fortuna darstellte, war vor wenigen Tagen verschwunden. Er hatte jeden Zoll seines Quartiers abgesucht, doch bisher hatte er es noch nicht wiedergefunden.

»Es war ein Geschenk von meinem Vater. Er hat es während seines Dienstes in der Reiterei der Hilfstruppen erworben und mir an dem Tag gegeben, als ich meinen Dienst im Legionärslager in Gesoriacum aufgenommen habe. In keiner einzigen Schlacht habe ich ohne es gekämpft. Ich hatte es noch, als ich das letzte Mal auf dem Exerzierplatz war.«

Rullus schnalzte mit der Zunge. »Ich würde nicht darauf hoffen, es jemals wiederzusehen, besonders nicht, wenn es einer dieser zwielichtigen Eingeborenen in die Finger bekommen hat. Aber wie auch immer, es ist nicht Glück, das einen in der Legion überleben lässt. Was wirklich zählt, sind Geschick und Disziplin. Nicht Glück ist dafür verantwortlich, dass ich zweiundzwanzig Dienstjahre wohlbehalten hinter mich gebracht habe, Herr.«

Figulus sah auf und lächelte seinen Kameraden herzlich an. In wenigen Monaten würde Rullus seinen Dienst bei der Zweiten beenden und in Pension gehen. »Weißt du schon, wo du dich niederlassen willst?«

»Syrien, Judäa, Ägypten …« Rullus zuckte mit den Schultern. »Jedenfalls irgendwo, wo es wärmer ist als in Britannien. Das Essen ist beschissen, ständig fällt dieser verdammte Regen, und was die Frauen angeht …« Er zuckte zusammen. »Sogar die alten Huren in der Subura in Rom sind griechische Göttinnen im Vergleich zu den Einheimischen hier.«

Die beiden Männer lachten, als sie sich den wartenden Stammesangehörigen näherten. Die Durotriger musterten die römischen Soldaten mit wachsamen Blicken, und Figulus kam es seltsam vor, dass die Männer, die er ausbilden würde, noch wenige Monate zuvor verschworene Feinde Roms gewesen waren. Im Sommer des letzten Jahres war die Zweite Legion ins Reich der Durotriger einmarschiert, um dem Widerstand der wilden Krieger und ihrer druidischen Anführer ein für alle Mal ein Ende zu bereiten. Der Feind war gezwungen gewesen, sich in seinen entlegenen Bergfestungen zu verschanzen, wo er von den römischen Streitkräften erbarmungslos niedergemacht wurde. Die Verteidigungsanlagen waren zerstört, und die Krieger in einer gewaltigen Schlacht in die Flucht geschlagen und die Druiden gezwungen worden, sich in ihre Verstecke zurückzuziehen. Doch wenn die Generäle gehofft hatten, dass die Durotriger sich nach dieser Niederlage ruhiger verhalten hätten, so hatte sich das inzwischen als Irrtum erwiesen. In den folgenden Monaten hatten die Einheimischen Rom auch weiterhin erbitterten Widerstand geleistet. Patrouillen waren in Hinterhalte gelockt, Nachschublieferungen angegriffen und militärische Signalanlagen und Außenposten dem Erdboden gleich gemacht worden. Jetzt ruhten die Hoffnungen auf Frieden im Reich dieses Stammes auf König Trenagasus, und alles hing davon ab, ob es ihm gelingen würde, seine Leute auf Linie zu bringen.

Der Garnisonskommandant wandte sich von den Hilfstruppen ab und kam mit energischen Schritten auf Figulus zu. Er wirkte verärgert. Sofort nahm Figulus gegenüber dem höherrangigen Offizier Haltung an. Präfekt Titus Cosconianus nickte knapp.

»Rühren, Optio«, sagte er mit kultivierter Stimme. Genau wie viele andere Männer seines Ranges bei den Hilfstruppen, so war auch Cosconianus mit seinen knapp über dreißig Jahren ein römischer Bürger, der aus dem Ritterstand stammte. Er stellte die gelangweilte Miene und die distanzierte Haltung eines Mannes zur Schau, der wusste, dass seine Zeit in Britannien nur ein kurzes, schlammbespritztes Zwischenspiel in einer ansonsten glänzenden Karriere innerhalb der römischen Politik darstellen würde.

»Deine Rekruten«, fuhr Cosconianus fort und hob den Arm in einer weit ausholenden Geste in Richtung der Einheimischen. »Der kaiserliche Gesandte entsendet dir seine Grüße und lässt ausrichten, dass er damit beschäftigt ist, die Pläne für den neuen Königspalast durchzugehen. Anscheinend genügt es nicht, dass wir ihren König wieder auf den Thron bringen, jetzt sollen wir ihm auch noch ein üppig ausgestattetes Zuhause bauen.« Er lächelte Figulus an, als er fortfuhr. »Der König selbst hat alle diese Männer überprüft, wie man mir versichert hat. Wir werden kein Risiko eingehen, besonders nicht nach dem, was beim Bankett passiert ist.«

Figulus schluckte. Wenige Tage zuvor hatte er, wie er sich in Erinnerung rief, einen Meuchelmörder daran gehindert, den König bei einem Fest, das zu Ehren seiner Rückkehr nach Lindinis veranstaltet wurde, vor Hunderten seiner Gäste umzubringen. Der Mörder hatte enthüllt, dass es im engsten Kreis um den König einen Verräter gab, doch er war gestorben, ohne dass er den Namen noch hätte nennen können.

Cosconianus fuhr fort: »Nach allem, was ich höre, soll Trenagasus nach dem Anschlag auf sein Leben in fast übertriebenem Maße auf seine Sicherheit bedacht sein. Außer seinen engsten Beratern lässt er niemanden in seine Nähe.«

»Da kann ich ihm keinen Vorwurf machen«, murmelte Rullus mit leiser Stimme. »Nicht wenn die Hälfte der Einheimischen scharf auf sein Blut ist.«

Der Präfekt musterte den Legiönar und wandte sich dann wieder an Figulus. »Es steht dir frei, diesen Exerzierplatz zu benutzen, um die Männer auszubilden, aber du bist dafür verantwortlich, dass deine Rekruten meinen Männern nicht in die Quere kommen, wenn diese ihrem Dienst nachgehen. Habe ich mich klar ausgedrückt?«

Figulus nickte entschieden. »Ja, Herr.«

»Gut.« Cosconianus runzelte die Stirn und sah zum Exerzierplatz. »Du wirst für die Ausbildung einige Utensilien benötigen. Im Lager gibt es von allem genug. Es versteht sich von selbst, dass du verantwortlich dafür bist, wenn einer aus diesem Haufen etwas kaputt macht. Was mir...