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Jahre der Politik - Die Erinnerungen

Roman Herzog

 

Verlag Siedler, 2009

ISBN 9783641017507 , 417 Seiten

Format ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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11,99 EUR


 

Globalisierung und Regionalisierung (S. 213-214)

In der Gestaltung seines Kalenders ist der Bundespräsident nur bedingt frei. Die »ausgehenden« und »eingehenden« Staatsbesuche jedes Jahres werden vom Auswärtigen Amt zwar rechtzeitig mit ihm abgesprochen, doch selbst sie sind meist von der Natur der Sache vorgegeben – je länger der Austausch von Staatsbesuchen mit einem Land zurückliegt, desto unhöflicher wirkt ein weiterer Aufschub, desto mehr drängt sich also ein neuer Besuch auf. Im innenpolitischen Raum liegen die Dinge nur wenig anders.

Die Zahl der Verbände, bei denen jeder Bundespräsident wenigstens einmal auftreten sollte, steht fest und ist nicht gerade klein: Kirchen, Unternehmerverbände, Gewerkschaften, kommunale Spitzenverbände, Stifterverband, Berufsverbände von Kunst und Wissenschaft und dergleichen mehr. Der Bundespräsident hat also nur auf die Reihenfolge solcher Auftritte einen gewissen Einfluss, selbstverständlich auch auf die Art seines Auftritts und auf das, was er in seiner dabei fällig werdenden Rede sagt.

Bei sorgsamem Umgang mit dem Faktor Zeit bleibt dennoch ausreichend Gelegenheit, Schwerpunkte nach eigenen politischen Vorstellungen zu setzen. Jeder von den bisherigen Bundespräsidenten hatte bestimmte Schwerpunktthemen, die – im Nachhinein betrachtet – zum Charakteristikum seiner Amtszeit wurden, weil er sie immer wieder aufgriff, sei es dass er in erster Linie solche Einladungen annahm, die zu diesen Themen passten, sei es auch, dass er Gelegenheiten, diese Themen aufzugreifen, selbst bewusst schuf.

Das ist auch bei der Enge des Terminkalenders möglich. Er muss nur von Anfang an klare Vorstellungen von dem haben, was er in seiner Amtszeit anstoßen und – im besseren Fall – bewegen will. Meine Vorstellungen in dieser Beziehung waren klar. Ich wollte Deutschland auf das vorbereiten, was sich als Konsequenz aus den Veränderungen der Weltpolitik abzeichnete und im Lande selbst doch viel zu wenig gesehen wurde.

Das war ein anspruchsvolles Programm, weil sich die Folgerungen, die aus diesen Entwicklungen zu ziehen sind, in die verschiedensten Lebens- und Politikbereiche erstrecken. Hätte ich zu Beginn meiner Amtszeit gleich ein vollständiges Tableau dieser Themen auf den Tisch gelegt, so hätte mich wahrscheinlich damals, anders als heute, niemand verstanden, also habe ich die Veröffentlichung geflissentlich unterlassen – und bin gut damit gefahren.

Das Tableau war aber, zumindest in den wichtigsten Punkten, vorhanden. Umreißen möchte ich jedoch vorab meine grundsätzliche Sicht von den künftigen Entwicklungen der Welt, also die Gedanken, die mich seit langem beschäftigen, und nicht nur die Ereignisse, die ich erst im Verlauf meiner Amtszeit erlebte. Etwa mit fünfzehn, sechzehn Jahren habe ich politisch zu denken begonnen, und zwar nicht nur, wie man das bei jungen Menschen vermuten möchte, innenpolitisch, sondern von allem Anfang an auch außenpolitisch – oder besser gesagt: »weltpolitisch«, aber das wäre für die Gedanken eines Heranwachsenden doch wohl ein zu großes Wort.