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Die Kosmonautin - Roman

Jo Lendle

 

Verlag Deutsche Verlags-Anstalt, 2009

ISBN 9783641019358 , 192 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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7,49 EUR


 

III MITTELFINGER (S. 75-76)

ES GAB, das hatte sie gelesen, ein Phänomen, vor dem sich die Pio nie re der Raumfahrt fürchteten wie vor wenig an de rem. Sie gaben ihm den Namen Sensorischer Hunger und mein ten da mit den Zustand, der einsetzte, nachdem der Start heil über stan den war. Für die Zeit, wenn die Triebwerke ab ge schal tet wur den und das Raumschiff ungeführt und still sei nem Ziel ent ge genstürzte, sah man eine Lee re voraus, der die Kosmo nauten schutzlos aus geliefert wa ren, schwerelos und ohne den Halt auch nur eines einzigen Lau tes. Was dieses aku sti sche Nichts dem Men schen antat, dar über gab es nichts als Vermutungen.

Leonow und Lebedew hatten es sich in Der Mensch im Weltall aus ge malt: »Gleich för mig keit und Mo notonie der Eindrücke sowie das Fehlen einer aus reichenden Menge von Umwelt reizen lassen das Energie niveau der Groß hirnrinde absinken, was zur Störung kör per licher Funk tionen führen kann.« Man wußte nichts vom Le ben im All, aber man fürchtete das Schlimm ste für die Raum fahrer, die sich in einer Attacke der Ver zweifl ung zu unvor her seh baren Eigen sinnigkeiten hin rei ßen lassen könn ten: von ziel losen Ein grif fen in die Steuerung über das ei gen mächtige Verlassen der Kapsel bis zum blin den Ein lei ten ei nes Lan de- vorgangs, der im Nirgendwo enden würde.

Niemand wünsch te sich Schlag zeilen von einem Raumschiff, das mit samt seiner Be sat zung unein hol bar in den Tiefen des Alls verschwand. Wieder stand ein Aufbruch bevor, der vierte Schritt hinaus aus der bekannten Welt, nach dem Abheben der ersten Montgolfiere, nach der Aus fahrt der großen Seefahrer zu neuen, un bekannten Ufern, nach dem Entschluß eines frühen Men schen, sein Land zu ver lassen und in die Weite der Steppen und Wälder zu gehen. Sie alle hatten keine Vorstellung von dem, was sie dort drau ßen erwartete, zu Lande, zu Wasser und in der Luft, und es ließ sich anders nicht herausfi nden als durch den Versuch.

Und wie es die Angst gegeben hatte, nach ei ner langen Reise am Ende der Welt über ihren Rand zu stür zen, so gab es jetzt die Furcht vor den Geheimnissen ei nes Ortes, zu dem es nicht weiter war als bis ins nächste Dorf. We nige Kilometer nur trenn ten den Menschen vom All, aber sie führten in eine Rich tung, die ihm nicht ge heu er war. Auch wenn die ersten Raumfahrer allesamt erprobte Flug zeug piloten waren, wußte jeder von ihnen, daß diese Missio nen mit den Erfahrungen innerhalb der Erdatmosphäre nichts zu tun haben würden. Dies war der luftleere Raum, die schwar ze Kälte des Alls.

Ihre Instrukteure stellten Experimente mit ihnen an, im verzweifelten Versuch, sich für das Undenkbare zu wapp nen. Man setzte die Kandidaten gewal tigen Be schleu ni gun gen aus, versuchte für wenige Momente Schwere lo sig keit zu erzeu gen und sperrte die Männer tage lang in schall gedämmte Schwei gekammern, um zu schauen, ob sie all dies unbeschadet überstanden. Die Bewerber ertru gen es mit Gleichmut, sie waren Helden.