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Die Verwandlung
Franz Kafka, Ewald Rösch
Verlag Goldmann, 2009
ISBN 9783641010119 , 248 Seiten
Format ePUB, OL
Kopierschutz Wasserzeichen
III (S. 48-49)
Die schwere Verwundung Gregors an der er über einen Monat litt der Apfel blieb da ihn niemand zu entfernen wagte als sichtbares Andenken im Fleische sitzen schien selbst den Vater daran erinnert zu haben da Gregor trotz seiner gegenwärtigen traurigen und ekelhaften Gestalt ein Familienmitglied war das man nicht wie einen Feind behandeln durfte sondern dem gegenüber es das Gebot der Familienpflicht war den Widerwillen hinunterzuschlucken und zu dulden nichts als zu dulden.
Und wenn nun auch Gregor durch seine Wunde an Beweglichkeit wahrscheinlicher immer verloren hatte und vorläufig zur Durchquerung seines Zimmers wie ein alter Invalide lange lange Minuten brauchte an das Kriechen in der Höhe war nicht zu denken so bekam er für diese Verschlimmerung seines Zustandes einen seiner Meinung nach vollständig gegen den Ersatz dadurch dass immer gegen Abend die Wohnzimmertür die er schon ein bis zwei Stunden vorher scharf zu beobachten pflegte geöffnet wurde so dass er im Dunkel seines Zimmers liegend vom Wohnzimmer aus unsichtbar die ganze Familie beim beleuchteten Tische sehen und ihre Reden gewissermaßen mit allgemeiner Erlaubnis also ganz anders als früher anhören durfte.
Freilich waren es nicht mehr die lebhaften Unterhaltungen der früheren Zeiten an die Gregor in den kleinen Hotelzimmern stets mit einigem Verlangen gedacht hatte wenn er sich müde in das feuchte Bettzeug hatte werfen müssen. Es ging jetzt meist nur sehr still zu. Der Vater schlief bald nach dem Nachtessen in seinem Sessel ein: die Mutter und Schwester ermahnten einander zur Stille, die Mutter nähte weit unter das Licht vorgebeugt feine Wäsche für ein Modengeschäft, die Schwester die eine Stellung als Verkäuferin angenommen hatte lernte am Abend Stenographie und Französisch um vielleicht später ein mal einen besseren Posten zu erreichen, Manchmal wachte der Vater auf und als wisse er gar nicht dass er geschlafen habe sagte er zur Mutter, Wie lange du heute schon wieder nähst und schlief sofort wieder ein während Mutter und Schwester einander müde zulächelten.
Mit einer Art Eigensinn weigerte sich der Vater auch zu Hause seine Dieneruniform abzulegen und während der Schlaf rock nutzlos am Kleiderhaken hing schlummerte der Vater vollständig angezogen auf seinem Platz als sei er immer zu seinem Dienste bereit und warte auch hier auf die Stimme des Vorgesetzten Infolgedessen verlor die gleich anfangs nicht neue Uniform trotz aller Sorgfalt von Mutter und Schwester an Reinlichkeit und Gregor sah oft ganze Abende lang auf dieses er und über fleckige mit seinen stets geputzten Goldknöpfen leuchtende Kleid in dem der alte Mann höchst unbequem und doch ruhig schlief Sobald die Uhr zehn schlug suchte die Mutter durch leise Zusprache den Vater zu wecken und dann zu überreden ins Bett zu gehen denn hier war es doch kein richtiger Schlaf und diesen hatte der Vater der um sechs Uhr seinen Dienst antreten musste äußerst nötig.