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Die Lauscherin im Beichtstuhl - Eine Klosterkatze ermittelt - Roman

Andrea Schacht

 

Verlag Blanvalet, 2009

ISBN 9783641012380 , 479 Seiten

Format ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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7,99 EUR

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Das erste Kapitel


Die Morgensonne hatte sich über dem Wald erhoben und versprach eine brennende Hitze für den ganzen Tag. Genauso, wie auch die Tage des August zuvor heiß und trocken waren. Zwischen den Stoppeln der abgeernteten Felder formte der Wind kleine Staubwirbel, und das verdorrte Gras am Rain raschelte, wenn das Lüftchen darüber streifte. Ein paar zornige Wespen summten über einem faulenden Apfel, und ein aufgeschreckter Hase hoppelte im Zickzackkurs Richtung Hecke. Mühsam zog ein schweres Pferd einen Wagen über den Karrenweg, der aus dem Dorf hinaus wer weiß wohin führte.

Ich duckte mich, bis das Gefährt vorüber war. Unauffällig zu sein gehörte zu meiner zweiten Natur. Seit Anbruch der Morgendämmerung war ich bereits unterwegs, um meine Aufgaben zu erledigen. Nun hatte ich alles getan und war auf dem Weg zurück in die dämmerige Kühle meines Heims, um den Tag zu verdösen. Es war zu warm, um etwas anderes in Angriff zu nehmen.

Die strohgedeckte Kate wartete auf mich zwischen einigen weiteren Häusern, die eine breite, ausgefahrene Straße säumten. Ich selbst bevorzugte jedoch den Weg durch die Gärten. Erbsen und Bohnen, an Stangen hochgebunden, reiften dort, Zwiebeln und Lauch verbreiteten ihren unangenehmen Geruch, Lavendel und Thymian einen etwas besseren, und ein knorriger Birnbaum spendete wohltuenden Schatten. Zwischen den breiten Blättern der Kapuzinerkresse lugten leuchtende Blüten hervor, und an der Hauswand rankte sich das Geißblatt empor. Ein aus groben Zweigen geflochtener Zaun hinderte die kleine Hühnerschar daran, das ihnen bestimmte Areal zu verlassen. Er hinderte jedoch mich nicht daran, mit einem eleganten Sprung darüber zu setzen. Gackernd stoben die braunen Hennen davon, als ich zwischen ihnen landete. Es verwunderte mich, dass für sie noch keine Körner ausgestreut waren. Gewöhnlich erhob sich die alte Moen mit der Sonne und kümmerte sich um Haus und Hof. Auch der hölzerne Wassereimer stand noch unbenutzt neben dem Brunnen, und der Reisigbesen lehnte müßig an der Wand neben der Tür.

Hier stimmte irgendetwas nicht.

Der Fensterladen stand jedoch offen, und ich begab mich in das Innere der geräumigen Hütte. Ich hatte sie immer als eine recht komfortable Unterkunft empfunden. Der Dielenboden war sauber gefegt, der Tisch geschrubbt, eine irdene Schale mit Sommerblumen stand auf einer schweren Holztruhe. Neben dem Kamin war das Feuerholz aufgeschichtet, der geschwärzte Kessel mit dem Morgenbrei hing an seinem Haken. Es brannte aber kein Feuerchen darunter.

Es stimmte also wirklich etwas nicht.

Aus dem zweiten Raum der Hütte drang kein einziges Geräusch. Auch das beunruhigte mich. Denn wenn die Moen schlief, dann lauthals. Man könnte auch sagen, sie schnarchte wie ein Pechsieder. Und wie die schnarchen konnten, hatte ich oft genug im Wald mitbekommen.

Ich sah also nach ihr und fand sie, in ihrem braunen Kleid und der weißen Schürze, die sie immer so sorgsam wusch und glättete, untätig in ihrem Sessel neben dem Bett sitzen. Das war sehr ungewöhnlich.

Vorsichtig näherte ich mich ihr und äußerte kleine Begrüßungsworte.

Sie reagierte nicht darauf.

Sie sah noch nicht einmal auf. Ihr Kopf war ihr auf die Brust gesunken, der Haarzopf hing ihr, unordentlich vom Schlummer, über die Schulter, und ihre Hände hielt sie gefaltet im Schoß.

Ich umrundete sie noch einmal, dann stupste ich sie an.

Sie reagierte nicht.

Mich beschlich eine gewisse traurige Ahnung. Sie wurde bestätigt, als ich mich auf ihre Knie begab und achtsam lauschte.

Das regelmäßige Klopfen ihres Herzens hatte aufgehört.

Die alte Moen war tot.

Darüber musste ich nachdenken.

Ich tat es in meiner Lieblingsecke in dem dritten Raum der Hütte, dort, wo sie die Kräuterbüschel zum Trocknen an die Decke gehängt hatte. Es duftete gut dort, und bedauerlicherweise döste ich überm Denken ein. Manchmal passiert mir das leider.

 

Eine Männerstimme weckte mich. Eine fremde Stimme!

»Moen! Moen, meine Alte. Was sind denn das für neue Sitten? Mitten am Tag ein Schläfchen zu machen!«

Ich machte mich klein und unauffällig und spähte durch die halb geöffnete Tür. Der Mann war groß und knochig. Er trug ein grob gewebtes Hemd und ebensolche Hosen, hatte hohe, erdverkrustete Stiefel an den Beinen und einen derben Gürtel umgeschnallt. Die Haare hingen ihm wirr in den Nacken, sein Gesicht war stoppelbärtig, von der Sonne dunkel gebrannt, sodass seine graugrünen Augen hell darin leuchteten. Die aufgerollten Ärmel zeigten muskulöse, gebräunte Arme. Ein Bauer wahrscheinlich. Oder ein Fuhrmann. Auf jeden Fall stammte er nicht aus dem Dorf, sonst hätte ich ihn erkannt.

»Moen? Oh, mein Gott, Moen. Das darf nicht wahr sein!«

Er fühlte nach ihrem Herzschlag und lauschte auf ihren Atem. Aber ich wusste ja schon – da war nichts mehr.

»Ach, Moen, meine arme Alte. Gerade jetzt musste es geschehen.«

Er stand einen Moment mit gesenktem Kopf und gefalteten Händen an dem Sessel. Dabei fiel mir auf, dass ihm an der linken Hand der kleine Finger und der halbe Ringfinger fehlten.

Nach einer Weile rührte er sich wieder und machte sich sehr zielstrebig daran, die Hütte zu durchsuchen. Das stimmte mich außerordentlich misstrauisch. Die Moen mochte es nämlich gar nicht gerne, wenn man bei ihr herumschnüffelte. Er öffnete ihre Truhen und Kästen, schaute in den Alkoven, in dem sich ihr Bett verbarg, lugte unter die Kissen und hob sogar die Strohmatratze an den Ecken an. Er tastete mit der Hand die Dachsparren ab und klappte die Läden auf und zu. Ein sehr seltsames Benehmen. Dann kehrte er zu der Moen zurück. Er schien recht kräftig zu sein, denn jetzt hob er den leblosen Körper der alten Frau mühelos hoch und bettete ihn auf ihr Lager. Sanft zog er die Decke über sie.

Zuletzt untersuchte er noch den Sessel, auf dem sie eingeschlafen war. Dann näherte er sich meiner Ecke, wohl in der Absicht, hier in alle Töpfe und Kisten, Körbe und Kiepen zu schauen. Ich schlich mich geduckt an der Wand entlang zum Kamin. In der Stube hockte ich mich hinter das Feuerholz und beobachtete ihn weiter.

Während er weiter stöberte, entdeckte ich das schimmernde Scheibchen. Ach ja, das war ein lustiges Spiel, das die alte Moen mir beigebracht hatte. Wenn man es richtig machte, dann kullerten diese runden Dinger über den Boden. Und sie hatte mich immer gelobt, wenn es mir gelang, eines davon in die Ritze zwischen den Dielenbrettern neben dem Kamin zu schnicken. Es fiel dann mit einem leisen »Pling« nach unten. Ein hübsches Geräusch. Wir hatten das Spiel gestern Abend noch gespielt, und dieses Scheibchen hatte ich wohl übersehen.

Gewandt wie ich nun mal war, gelang es mir in kürzester Zeit, auch dieses letzte Spielzeug an die richtige Stelle zu schubsen.

»Pling«, sagte es.

Der Mann wurde auf mich aufmerksam.

»Eine Katze!«, stellte er fest, was ich bestätigen konnte. Das bin ich nun mal. Es hörte sich auch erfreut an, denn er fügte hinzu: »Du bist ein Geschenk des Himmels, Kleine. Du kannst zumindest den größten Schaden abwenden!«

Dann aber machte er sich höchst unbeliebt bei mir. Ehe ich michs versah, warf er eine Decke über mich und wickelte mich fest darin ein. Ich konnte zappeln, wie ich wollte, ich kam nicht heraus. Dann wurde ich in einen Korb gepackt, der eine lange Zeit furchtbar hin und her schwankte.

Mir war gar nicht gut.

 

Endlich hörte das Schwanken auf, und die Decke lockerte sich. Ich krabbelte sofort heraus und fauchte zornig. Dabei sah ich mich um, um so bald wie möglich die Flucht ergreifen zu können. Aber, verflixt, hier war ich ja noch nie gewesen! Was war das denn für ein Stall? Vier Wände, vier Fenster, viel Holz und der durchdringende Geruch nach trockenem Staub, altem Leder und feuchter Tinte. Ich sprang auf ein Bord an der Wand, auf dem einige Bücher lagen, und machte mich so gut es ging unsichtbar. Doch der Mann, der mich so brutal entführt hatte, stand neben einem Pult und sah mich mit kalten, durchdringenden Augen an. Ich hasste ihn. Um ihm das klar zu machen, starrte ich ihn in Grund und Boden.

Er hatte den Anstand, nach kurzer Zeit wegzublicken.

»Ah, Meiko, was hast du denn da mitgebracht?«, fragte eine ebenfalls staubige, alte und trockene Stimme. Ich drehte mich abrupt zu ihr hin. Ein großer, hagerer Mann in einer langen, weißen Kutte war in den Raum getreten und streifte mich mit einem Lächeln im Blick.

»Die Antwort auf Eure Probleme, Pater Melvinius. Sie wird die Mäuse fangen, die die wertvollen Pergamente hier in der Bibliothek annagen.«

»Keine schlechte Idee, Meiko. Wie bist du zu ihr gekommen? Du hast sie doch hoffentlich nicht einem Besitzer abgenommen?«

Besitzer, was für ein Blödsinn. Eine Katze wird doch nicht besessen!

»Sie lebte in dem Haus der alten Moen, drüben in Dellenhofen. Aber die Moen ist heute Nacht gestorben, und ich dachte, bevor sie zur Streunerin wird, kann sie Euch hier nützlich sein. Nahrung wird sie genug finden!«

Mit seiner verunstalteten Hand strich Meiko ganz unerwartet sanft über den ledernen Einband eines Buches.

»Seht, selbst hier haben die Nager schon ihre Spuren hinterlassen.«

»Ja, es ist eine Schande, da hast du Recht. Aber woher kennst du denn die alte Moen?«

»Der Bruder Gärtner – äh – meinte, sie habe einen winterharten Thymian. Ich wollte ihr ein Pflänzchen abschwatzen.«

Schamloser Lügner, der! Der Thymian wuchs im Garten, er aber hatte das Haus durchsucht! Ich wollte noch einmal empört fauchen, aber da kam der Pater noch etwas näher und streckte langsam die Hand nach...