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Flammentänzer - Ein Drachenkönige-Roman

Donna Grant

 

Verlag Heyne, 2016

ISBN 9783641188115 , 432 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

 

Prolog

Mai 2014

Rose and Crown Pub

Oban, Schottland

Sammi wischte gerade den hochglanzpolierten Bartresen ihres Pubs ab, als die Eingangstür aufgerissen wurde und Daniel hereingestürzt kam. Verwundert registrierte sie den gehetzten Ausdruck und die Schweißperlen auf seinem Gesicht. Als er die Tür hinter sich schloss und sie ängstlich und zugleich mit einem Ausdruck des Bedauerns und des schlechten Gewissens ansah, wusste sie, dass etwas sehr Schlimmes passiert war.

»Was ist los?«, fragte sie vorsichtig.

Daniel schlängelte sich zwischen den Tischen hindurch, als wüsste er nicht recht, ob er sich beeilen oder sich Zeit lassen sollte auf dem Weg zu ihr hinter den Tresen. Seine Blicke schossen hin und her, und sein Gesicht war stark gerötet. »Wir müssen verschwinden. Sofort.«

»Ich habe eben erst geschlossen.« Sammi nahm sich ein Glas, hielt es unter einen Zapfhahn und ließ es halb voll laufen mit dunklem Bier, bevor sie den Hahn abdrehte und das Glas zum Mund führte. Sie genehmigte sich mehrere Schlucke und grübelte dabei über das merkwürdige Gebaren ihres Ex-Geliebten nach.

Ihre Affäre war heftig – und kurz – gewesen. Sie wusste, dass Daniel weder der Typ für dauerhafte Beziehungen war noch derjenige, mit dem sie eine hätte haben wollen. Nicht dass so ein Mann überhaupt existierte.

Oder dass sie irgendjemanden so nah an sich heranlassen würde.

Aber er hatte eine tolle Nase für alles Geschäftliche. Selbst, als ihre kurze Affäre bereits im Abklingen begriffen war, festigte sich ihre Freundschaft noch, bis Daniel einfach zum Geschäft gehörte, ein Teil davon geworden war. Seine Verbindungen zu Händlern und Lieferanten reduzierten ihre Kosten um ein Drittel, sodass sie viel mehr einsparte, als sie für möglich gehalten hätte.

»Sammi, es ist mein Ernst«, sagte er eindringlich, seine Stimme tiefer als sonst, während er nach ihrem Arm griff.

Sie wich ihm aus und stützte einen Ellenbogen auf den Tresen, warnte ihn mit einem Blick, ja nicht den Versuch zu unternehmen, sie zu zwingen. Ihr klangen die Ohren noch von den abendlichen Geräuschen, und bei dem Gedanken an das Hummer-Sandwich, das in der kleinen Küche hinten im Pub auf sie wartete, lief ihr das Wasser im Mund zusammen.

»Erst will ich wissen, was hier los ist.«

»Verdammt. Wir haben keine Zeit.« Er fuhr sich mit einer Hand durch sein schütteres dunkles Haar und fluchte laut. »Wir müssen auf der Stelle von hier abhauen.«

»Erst muss ich noch die Fußböden wischen, was eigentlich deine Aufgabe gewesen wäre laut unserem Arbeitsplan. Du weißt doch? Der Arbeitsplan, den ich letzte Woche aufgehängt habe? Und dem du zugestimmt hast? Wenn du dich hier öfter blicken ließest, wüsstest du, wo er hängt. Nebenbei bemerkt, was ist eigentlich damit? Du hast dich sehr rar gemacht in letzter Zeit.«

Er schluckte schwer und blickte nervös zur Tür. »Ich erzähle dir alles, sobald wir unterwegs sind. Geh und pack eine Tasche, so schnell du kannst.«

Sammi hätte beinahe ihr Bier durch die Nase ausgeprustet, so absurd fand sie diese Aufforderung. »Was?«, fragte sie ungläubig, nachdem ihr Husten sich gelegt hatte. »Warum muss ich eine Reisetasche packen?«

»Sie kommen, Sammi. Wir müssen verschwinden!«, schrie Daniel jetzt geradezu. »Auf der Stelle!«

Eine böse Ahnung beschlich sie. »Wer kommt? Ich rühre mich nicht von der Stelle, ehe du mir das sagst, also spuck’s aus.«

Er legte beide Hände flach auf den Tresen und ließ den Kopf hängen, als lastete das Gewicht der Welt auf seinen Schultern. »Ich war ein Idiot. Ich … ich habe mich mit einigen schlimmen Leuten eingelassen als Jugendlicher. Ich hatte nicht wirklich eine andere Wahl. Jeder in meiner Familie arbeitet irgendwie für sie. Und ich habe weiter für sie gearbeitet, weil die Arbeit sehr gut bezahlt wurde. Und dazu war es auch noch leicht verdientes Geld.«

»Was waren das für Leute?«, fragte sie zögernd. Sie war sich nicht sicher, ob sie es wirklich wissen wollte. Sie stellte ihr Glas ab, spähte hinüber zur Tür, die Daniel geschlossen hatte, und ihre Befürchtungen wuchsen.

»Ihre Namen spielen keine Rolle. Sie gehören zum organisierten Verbrechen.«

Das Blut gefror ihr in den Adern bei seinen Worten. »Was hast du für sie gemacht?«

»Geld gewaschen. Durch den Pub.«

»Meinen Pub?« Sie fühlte sich, als hätte jemand sie in den Magen geboxt. Der Mann, dem sie vertrauensvoll die Buchführung ihres Lokals überlassen hatte, hatte Geld für die Mafia gewaschen. Diese Vorstellung war viel zu abwegig, einfach unbegreiflich.

Daniel hob den Kopf, seine blauen Augen blickten sie schuldbewusst an. »Wir haben beide davon profitiert. Dafür habe ich gesorgt.«

»O Gott.« Es wurde von Minute zu Minute schlimmer. Sie ahnte es zwar bereits, fragte aber nichtsdestotrotz: »Was genau hast du gemacht?«

Daniel stieß sich vom Tresen ab und nahm ihre Hände in seine. »Ich habe etwas von ihrem Geld abgezweigt. Nur ganz wenig, Sammi, aber ich wollte sichergehen, dass du ausgesorgt hast. Du hattest echt zu kämpfen mit dem Pub, nachdem deine Mum gestorben war, ganz zu schweigen davon, dass ich den Pub zur Geldwäsche genutzt habe. Es war das Mindeste, was ich für dich tun konnte.«

Ihr fehlten die Worte. Der Mann, der vor ihr stand, der Mann, mit dem sie ihr Bett und ihr Geschäft geteilt hatte, war ihr plötzlich vollkommen fremd. Allerdings versetzte die Tatsache, dass er Angst hatte, sie in höchste Alarmbereitschaft.

»Sie haben herausgefunden, dass du Geld gestohlen hast, stimmt’s?«

Er nickte steif. »Ich hätte mich vor zwei Stunden mit ihnen treffen sollen.«

»Du hättest? Du meinst, du hast es nicht getan?« Sie konnte ihn nur total schockiert anstarren.

»Weißt du, was die mit Leuten, die ihnen Geld stehlen, anstellen?«

Sammi blickte sich um in ihrem Pub, als die Erkenntnis sie mit voller Wucht traf. Sie hatte Geld zusammengekratzt, und mit ein wenig zusätzlicher Unterstützung vonseiten ihrer Mutter hatte sie es vor fünf Jahren geschafft, den Pub zu kaufen. Er war ihr Leben. Das dunkle, glatte Holz der Bar, die Schnapsflaschen, die aufgereiht in den Regalen standen, und die Essensdüfte, die von hinten aus der kleinen Küche drangen, waren die einzigen Dinge, auf die sie sich jeden Tag aufs Neue freute.

Sie würde sie verlieren. Wegen eines Idioten, dem sie vertraut hatte. »Ich habe genug Filme gesehen, um das zu wissen.«

»Sie werden mich aufspüren. Du darfst nicht hier sein, wenn es so weit ist. Sie werden … Du willst gar nicht wissen, was sie dir antun werden.«

Nein, das wollte sie wirklich nicht. Aber genauso wenig hatte sie vor, ihren Pub aufzugeben. Er gehörte ihr, und sie würde um ihn kämpfen. Dazu musste sie allerdings zunächst einmal am Leben bleiben. »Wir lange werden wir wegbleiben?«

Daniel runzelte die Stirn, und seine dunklen Brauen verdüsterten seinen Blick. »Wir werden nie wieder zurückkehren. Sie haben einen langen Arm. Wenn wir zu lange an einem Ort bleiben, schnappen sie uns. Keine Kreditkarten, keine Handys. Wir müssen verschwinden und uns neue Identitäten verschaffen.«

Der Raum um sie herum begann zu schwanken, da ihr Leben derart aus den Fugen geriet. Als sie heute Morgen aufgewacht war, hatte sie noch vorgehabt, morgen hinunter zu den Docks zu gehen, um die beste Auswahl an den frischesten Meeresfrüchten ganz Schottlands zu haben.

»Mein gesamtes Geld liegt auf der Bank.«

»Wir können es nicht riskieren«, sagte Daniel. »Nimm mit, was du hier hast. Wir müssen improvisieren. Ich habe etwas Geld im Lagerhaus versteckt. Du weißt schon, in dem, das ich unter falschem Namen gekauft habe.«

Sie wusste, von welchem er redete, aber sie konnte sich nicht vorstellen, dorthin zu gelangen, ohne dass die Mafia sie vorher zu fassen kriegte. Und wie sollte sie überleben ohne ihre Kreditkarten, ihr Bankkonto oder ihr Handy? Der Gedanke daran, auf der Flucht zu sein, erschreckte sie, verunsicherte sie zutiefst.

Verwirrte sie.

»Na los«, sagte Daniel, während er sie zu der Pendeltür schob, die zu dem nicht öffentlich zugänglichen Bereich hinter dem Schankraum des Pubs führte.

Sammi warf einen Blick in die hell erleuchtete Küche und auf das Hummer-Sandwich, das auf einem weißen Teller auf der Arbeitsfläche aus Edelstahl auf sie wartete. Aber statt dorthin ging sie nach rechts, an der Tür ihres Büros vorbei und die Treppe hinauf, die zu ihrer Wohnung führte.

Es bestand keine Notwendigkeit, Licht anzumachen. Die Straßenlampen sorgten für ausreichend Helligkeit, sodass sie ihren Weg zu ihrem Schlafzimmer deutlich sehen konnte.

Um drei Uhr morgens war Oban am ruhigsten. Wie viele Male war sie von den Schreien der Möwen geweckt worden, wenn ein Schiff anlegte? Wie viele Drinks hatte sie den Einwohnern von Oban eingeschenkt?

All das würde sie jetzt hinter sich lassen. Es war so ungerecht. Vielleicht würde sie einfach nicht gehen. Daniel war derjenige, der das Geld geklaut hatte. Er war derjenige, hinter dem sie her waren.

»Wem will ich etwas vormachen?«, fragte sie sich selbst.

Bevor die sie näher überprüfen würden, wäre sie wahrscheinlich schon tot, schon erschossen worden. Auch wenn sie vorgäbe, von nichts zu wissen, würden die sie mit Sicherheit nicht einfach gehen lassen.

Sie wollte nicht sterben, also tat Sammi, was sie tun musste – wie immer. Sie zog eine Tasche unter ihrem Bett hervor, öffnete...