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Operation Heartbreaker 4: Cowboy - Riskanter Einsatz - Romantic Suspense

Suzanne Brockmann

 

Verlag MIRA Taschenbuch, 2010

ISBN 9783862782789 , 320 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz DRM

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7,99 EUR


 

1. KAPITEL


Sie war so gut wie tot.

Ihre Chancen, dieses gottverdammte Land lebend zu verlassen, waren jetzt schon gering. Und sie wurden von Minute zu Minute geringer.

Melody Evans saß in einer Ecke des fensterlosen Büros, das ihr zum Gefängnis geworden war. Sie schrieb einen Brief an ihre Schwester – in der verzweifelten Hoffnung, dass es vielleicht doch nicht ihre letzten Zeilen werden würden.

Liebe Brittany! Ich habe entsetzliche Angst zu sterben …

Sie fürchtete sich davor, dass man ihr jeden Augenblick eine Kugel in den Kopf jagen würde. Aber vielleicht wäre das sogar ein gnädiger Tod. Denn schließlich gab es auch noch andere, weit schrecklichere Möglichkeiten, ihr Leben zu beenden. Sie hatte von den Foltermethoden gehört, die in diesem Teil der Welt gebräuchlich waren – von anderen archaischen, furchtbaren Praktiken. Gott möge ihr helfen, wenn sie erst einmal herausfanden, dass sie eine Frau war …

Melodys Herz raste. Sie zwang sich dazu, tief und langsam zu atmen, um sich zu beruhigen.

Erinnerst Du Dich noch, wie Du mich zum Schlittenfahren auf den Hügel in der Apfelplantage mitgenommen hast? Du hast dich hinter mich gesetzt und mir mit dramatischer Stimme erklärt, dass wir jetzt entweder schnurgerade zwischen den Bäumen hindurch hinabfahren würden – oder dabei sterben.

Melodys ältere Schwester war stets die Abenteuerlustigere von ihnen beiden gewesen. Trotzdem war es ausgerechnet Brittany, die immer noch in ihrem Elternhaus zu Hause in Appleton lebte. In der vierstöckigen Villa im viktorianischen Stil waren sie beide aufgewachsen. Und es war Melody gewesen, die aus einem unerklärlichen Impuls heraus den Job als Assistentin des amerikanischen Botschafters angenommen hatte. In einem Land, von dem sie bis vor einem halben Jahr nicht einmal gewusst hatte, dass es überhaupt existierte.

Ich kann kaum älter als sechs gewesen sein, aber ich weiß noch genau, dass ich dachte: Dann sterben wir wenigstens zusammen.

Ich wünschte, ich würde mich jetzt nicht so unendlich allein fühlen …

„Sie glauben doch nicht im Ernst, dass die Ihnen erlauben, das da abzuschicken, oder?“ Kurt Matthews Stimme troff nur so von Hohn.

„Nein, natürlich nicht“, antwortete Melody, ohne auch nur aufzuschauen. Ihr war klar, dass sie diesen Brief nicht für Brittany schrieb, sondern für sich selbst. Sie schrieb ihn, um ihre Kindheitserinnerungen wieder lebendig werden zu lassen. Vielleicht brachten sie ihr ein wenig von dem Frieden und dem Glück ihrer Kindheit zurück. Sie schrieb über eine Zeit, in der sie verzweifelt bemüht gewesen war, mit ihrer fast neun Jahre älteren Schwester mitzuhalten. Sie übersprang die geschwisterlichen Reibereien und Streitigkeiten, erinnerte sich nur an Brittanys Geduld und Zuneigung.

Brittany hatte schon immer sehr viel Aufhebens um Melodys Geburtstag gemacht. So auch dieses Jahr. Obwohl Tausende von Meilen zwischen Mel und dem Neuengland-Charme ihrer Heimatstadt in Massachusetts lagen, hatte Britt ihr ein riesiges Paket voller Geburtstagsüberraschungen geschickt. Sie hatte es sogar so rechtzeitig gepackt, dass Melody es bereits vor vier Tagen erhalten hatte – mehr als eine Woche vor ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag.

Inzwischen war sie froh, dass sie sich nicht an Britts schriftliche Anweisungen gehalten hatte. Statt bis zu ihrem großen Tag zu warten, hatte sie die Geschenke sofort geöffnet. Britt hatte ihr fünf Paar warme Socken geschickt, einen dicken Wollpullover und ein Paar neue Turnschuhe. Das waren die praktischen Geschenke. Zu den Geschenken, die einfach nur Freude bereiten sollten, gehörten eine CD des Countrymusikers Garth Brooks, der neueste romantische Thriller von Tami Hoag, ein Glas Erdnussbutter und zwei Videokassetten, auf denen Britt die vergangenen drei Monate Emergency Room aufgenommen hatte. Ganz Amerika in einem Paket! Melody musste beim Auspacken gleichzeitig lachen und weinen. Das war das beste Geburtstagsgeschenk, das sie je bekommen hatte!

Jetzt sah es allerdings ganz so aus, als würde sie nicht mehr lange genug leben, um jemals wieder eine Folge der Serie zu sehen. Oder auch nur, um ihren fünfundzwanzigsten Geburtstag zu erleben.

Kurt Matthews beachtete sie nicht mehr. Er hatte wieder seine strohdumme Diskussion mit Chris Sterling aufgenommen. Die beiden überlegten laut, wie viel CNN ihnen wohl für die Exklusivrechte an ihrer Geschichte zahlen würde – nachdem die Verhandlungen zwischen den Terroristen und den USA zum Abschluss gekommen und sie wieder frei wären.

Matthews war so ein Idiot! Er hatte doch tatsächlich die Hoffnung geäußert, die Verhandlungen würden sich zäh gestalten. Wahrscheinlich glaubte er, je länger die Geiselnahme dauerte, desto mehr Geld würde die Story ihm einbringen. Bis jetzt waren sie gerade mal zwei Tage in der Hand der Terroristen. Nach seinem Dafürhalten: zu kurz.

Offensichtlich hatten weder er noch Sterling auch nur ansatzweise den Ernst der Lage erkannt.

Melody dagegen hatte sich mit der Terrorgruppe befasst, die am frühen Mittwochmorgen überraschend die Regierung gestürzt hatte. Kurz danach war die amerikanische Botschaft gestürmt worden. Von Terroristen. Und bekanntlich verhandelte die US-Regierung nicht mit Terroristen; bisher sprach sie lediglich mit ihnen. Aber wenn sich daran nichts änderte, und zwar bald, dann würden diese Fanatiker ihr wahres Gesicht zeigen. Dann durften ihre drei Geiseln nicht mehr damit rechnen, höflich behandelt und verpflegt zu werden – was ihnen derzeit immerhin noch zuteil wurde. Vorausgesetzt natürlich, dass man es als höfliche Behandlung empfand, mit zwei Idioten in einem winzigen fensterlosen Büro eingesperrt zu sein, nur unregelmäßig etwas zu essen und zu trinken zu bekommen und die Toilette benutzen zu dürfen.

Matthews und Sterling hielten ihre Haftbedingungen offenbar für äußerst hart.

Aber Melody wusste es besser.

Sie schloss die Augen und versuchte, das Bild beiseitezuschieben, das sich ihr aufdrängte: eine kalte, feuchte, unterirdische Gefängniszelle. Als sie Appleton für diesen Job in der Botschaft verlassen hatte, war ihr nicht klar gewesen, wie eisig es in den Wintermonaten in der Wüste wurde. Jetzt war März, fast Frühling, aber es konnte nachts immer noch empfindlich kalt werden.

Himmel noch mal, sie durfte nicht über solche Dinge nachdenken! Das machte sie nur fertig.

Der Gedanke an die Gefängniszelle war allerdings immer noch besser als das andere Bild, das ihre übersprudelnde Fantasie immer wieder hochkochte: drei Ungläubige, ermordet von Terroristen.

Cowboy beobachtete die Rückseite der amerikanischen Botschaft durch sein Präzisionsfernglas. In dem Gebäude wimmelte es nur so von Tangos. Ein ständiges Kommen und Gehen. Kein erkennbares Muster.

„Cat“, sagte er nahezu lautlos in sein Mikrofon.

Captain Joe Catalanotto, Commander der Alpha Squad, befand sich auf der anderen Seite des Gebäudes. Er und die fünf weiteren Mitglieder der Spezialeinheit hatten sich ein provisorisches Lager in einer verlassenen Wohnung hergerichtet und ruhten. Der Wohnungseigentümer war zweifellos ein gerissener Hund, denn er hatte eiligst seine Siebensachen gepackt und sich abgesetzt. Offenbar war ihm klar, dass Wohneigentum in unmittelbarer Nähe eines Gebäudes, das jeden Augenblick in die Luft fliegen konnte, im Augenblick eher von Nachteil war.

Für die Zwecke der Alpha Squad, der Eliteeinheit des SEAL-Teams Ten, hingegen war die Wohnung geradezu ideal. Das Schlafzimmer bot einen erstklassigen Ausblick auf die Frontseite der Botschaft. Einer der SEALs saß derzeit bequem in einem Lehnstuhl vor dem Fenster. Cowboy kauerte etwas weniger bequem auf dem Dach mit Blick auf die Rückseite der Botschaft. So konnten sie mit zwei Mann jede Bewegung der Tangos – so bezeichneten SEALs Terroristen – verfolgen.

„Yo, Jones.“ Cats breiter New Yorker Dialekt kam klar und deutlich über das Headset, das Harlan Jones trug.

Der sagte nur ein Wort: „Chaos.“ Harlan – Spitzname: Cowboy – war auf dem Dach zwar unsichtbar, aber ihm war nur zu bewusst, dass die Fenster im Stockwerk unter ihm offen standen. Wenn er sprach, tat er das daher so kurz, präzise und leise wie nur irgend möglich. Mit dem Fernglas behielt er das Gebäude im Auge, ließ den Blick von Fenster zu Fenster schweifen. Die Scheiben waren zerbrochen, und er konnte Bewegungen erkennen, umherhuschende Schatten. Das Gebäude war riesig, eines von diesen uralten hochherrschaftlichen Häusern, gebaut in der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Er zweifelte keinen Augenblick daran, dass die Geiseln in einem der inneren Räume gefangen gehalten wurden.

„Verstanden“, antwortete Catalanotto. Er klang leicht amüsiert. „Wir sehen das auch von dieser Seite. Wer immer diese Clowns auch sein mögen, es sind Amateure. Wir gehen heute Nacht rein. Spät.“

Cowboy musste einen vollständigen Satz riskieren: „Ich empfehle: Wir gehen jetzt rein.“ Er konnte an Cats Schweigen hören, wie überrascht sein Commander war. Es zog sich in die Länge, sagte mehr als tausend Worte.

„Jones, die Sonne geht in knapp drei Stunden unter“, erklärte er schließlich. Die SEALs arbeiteten am besten und sichersten bei Nacht. Im Schutz der Dunkelheit konnten sie sich fast unsichtbar bewegen.

Cowboy schaltete sein Fernglas auf Infrarot um und überprüfte noch einmal das Gebäude. „Wir sollten jetzt reingehen.“

„Was siehst du, was ich nicht sehe, Junge?“, fragte Joe Cat. Die Frage war ernst gemeint, ohne einen Funken Ironie. Cat verfügte über Unmengen von Erfahrung, von denen Cowboy...