dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

SKULL MOON - Horror-Thriller

Tim Curran

 

Verlag Luzifer Verlag, 2021

ISBN 9783958351387 , 336 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

2,99 EUR


 

Kapitel 16


 

»Big« Bill Lauters stieg von seinem Pferd und wartete darauf, dass Dr. Perry es ihm gleichtat. Der alte Mann brauchte dazu etwas länger.

»Verdammt kalt«, sagte Perry. »Mir tut ganz schön der Rücken weh.«

Lauters rieb sich die Hände. »Gehen wir«, sagte er. »Bringen wir's schnell hinter uns.«

Er betrat das Haus als Erster und sah so ziemlich das Gleiche, was Curly Del Vecchio in der vorigen Nacht gesehen hatte: Alles im Haus war auseinandergerissen und es sah aus, als wäre ein kleiner Tornado hindurchgeweht.

Die Möbel lagen in Trümmern. Teller und Krüge waren zu kleinen Scherben zerbrochen, die unter den Schuhsohlen knirschten. Flaschen waren zersplittert. Alles schien auseinandergerissen worden zu sein. Und über allem klebte Mehl, Zucker … und Blut.

»Heilige Mutter Gottes«, keuchte Perry. »Was zum Teufel ist denn hier passiert?«

Lauters betrachtete den Tatort. Er war außer sich, wütend, aber seine Mimik veränderte sich nicht. Er sah auch sonst immer erbost aus. »Was denken Sie denn, was hier passiert ist, Doc?«, fragte er mit bissigem Unterton.

Beide wussten, was sie vor sich sahen. Sie hatten es von dem Moment an gewusst, als sie die Nachricht erreichte, dass Nate Segaris am Morgen nicht in der Congregational Church erschienen war. Segaris war immer da. Er war ein Dieb und Betrüger, wie alle wussten, aber den Sonntagsgottesdienst verpasste er nie. Seine Mutter hatte ihn mit strengen moralischen und religiösen Grundsätzen erzogen. Und obwohl es ihm gelungen war, sich der Moral zu entledigen, klammerte sich die Religion hartnäckig an seine Seele. Oder hatte sich geklammert.

»Was für ein Tier macht so was?«, fragte Lauters – zum hundertsten Mal, wie es schien. »Was für ein Biest dringt in das Haus eines Menschen ein und richtet so was an?«

Perry sagte nichts. Er hatte keine Antworten. Die Tötungen waren mehr als nur das Resultat von Hunger, eher gewaltsame Verstümmelungen und Verwüstung. Und was für eine Kreatur tötet wie ein wildes Tier Menschen zum Fressen und zerstört dann wie ein Verrückter ihr Heim?

Lauters betrachtete das Blut, das überall klebte. »Irgendwo hier muss er wohl sein.«

Gemeinsam bahnten sie sich einen Weg durch die Verwüstung und zögerten vor der Tür zum hinteren Wohnzimmer. Gut einen Meter lange Krallenspuren waren daran zu sehen. Perry untersuchte sie. Sie waren mindestens einen Zentimeter tief ins Holz gedrungen.

Er schluckte trocken. »Die Kraft, die dieses Monster haben muss, um so etwas zu tun …«

Lauters stieß die Tür auf.

Auch das hintere Zimmer lag in Trümmern. Segaris hatte alle Sachen seiner verstorbenen Frau darin aufbewahrt. Ihre Rüschenkissen waren aufgeschlitzt; Federn bedeckten den Boden. Ihre guten Porzellanschüsseln lagen zerbrochen in den Ecken. Ihre Porzellanpuppensammlung war in kleine Teile zerbrochen. Ein abgetrennter Puppenkopf starrte sie mit blauen aufgemalten Augen an. Ihre Kleider, die an einer Messingstange gehangen hatten, waren zu Konfetti zerfetzt. Selbst die Wände waren von Krallenspuren überzogen: Zerrissene Tapetenfetzen hingen wie spanisches Moos davon herab.

»Das macht kein Tier, Doc«, sagte Lauters im Brustton der Überzeugung. »Kein gottverdammtes Waldtier dringt in eine menschliche Behausung ein und zerstört sie.«

Perry betrachtete alles, was er sah, sehr genau, untersuchte es mit dem Blick eines Ermittlers. Er hielt ein Tapetenstück in den Fingern und untersuchte es, als sei es eine kostbare Antiquität. Er murmelte ein paar Worte vor sich hin und zog etwas hervor, das zwischen der Tapete und der Fußleiste steckte.

»Aber kein Mensch hinterlässt so was«, sagte er und zeigte, was er gefunden hatte.

Der Sheriff nahm es und zwirbelte es zwischen Daumen und Zeigefinger. Es schien verfilztes graues, grobes Fell zu sein. »Vielleicht irgendein Hund«, brummte er vor sich hin.

»Glauben Sie?«

Lauters machte ein finsteres Gesicht. »Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Ich habe es mit fünf toten Männern zu tun und was nun nach einem sechsten aussieht … was zum Teufel soll ich dazu sagen? Was zum Teufel wollen Sie von mir?«

»Immer mit der Ruhe, Sheriff.«

Lauters ließ das Fellstück fallen und stakste zurück ins andere Zimmer. Fluchend, die eine Hand in sein Kreuz gedrückt, bückte sich Perry und hob es auf, steckte es sich in die Tasche. Stöhnend richtete er sich auf.

»Schauen Sie mal, Doc.«

Lauters hockte neben einem zerbrochenen Tisch. Eine Schrotflinte lag darunter. Sie war fast entzweigerissen worden – die Läufe waren zu einem U gebogen. Lauters schnüffelte an ihnen und sah in die Gewehrkammer. »Nate hat zwei Schüsse abgeben können, bevor es ihn erwischt hat. Und was«, fragte er spitz, »bleibt von Schrotkugeln unversehrt?«

»Was auch immer diese Spuren hinterlassen hat«, warf Perry ein.

Lauters war sofort neben ihm. Auf dem Boden war eine Spur ins Mehl gedrückt, etwas undeutlich, aber definitiv die riesige Fährte eines unbekannten Tieres. »Was, in Jesus' Namen, hat solche Pfoten?«

Perry schüttelte nur den Kopf. »Jedenfalls kein Mensch. So viel wissen wir.«

Der Abdruck war über sechzig Zentimeter lang, vielleicht zwei Dutzend Zentimeter breit. Lang, fast stromlinienförmig – was es auch gewesen sein mochte, besaß vorne drei lange Zehen oder Krallen und hinten eine kürzere, dickere Kralle.

»Sieht fast wie von einem Hahn aus«, sagte Lauters.

»Das hat kein Vogel hier hinterlassen«, berichtigte ihn Perry schnell.

»Herrgott noch mal, Doc. Die Spur eines Giganten.«

Perry stöhnte und bückte sich.

»Sie sollten sich mal einen Termin für Ihren Rücken holen«, witzelte der Sheriff aus Gewohnheit, aber seine Stimme klang humorlos.

Perry ignorierte ihn. Er grub weiter in dem Trümmerfeld herum. Seine Finger fanden einen Eisenring. »Erdkeller.«

Mit Lauters Hilfe zog er und warf die Falltür auf. Der Keller war ein anderthalb Meter tiefes Loch mit Erdwänden, die rechteckig angelegt waren. Auf dem gefrorenen Matsch, aus dem der Boden bestand, lagen die Überreste von Nate Segaris.

»Scheiße«, murmelte Lauters.

Segaris sah übel aus. Sein Bauch klaffte offen und die Organe waren herausgerissen worden, sein Körper hohl wie eine Trommel. Seine Arme waren an verschiedenen Stellen gebrochen, zertrümmert und voller Bissspuren. An seiner linken Hand fehlten die Finger, abgesehen von dem schrecklichen Daumenstummel. Sein rechtes Bein war unter dem Knie abgehackt worden, wo die weiße Rundung der Gelenkknorpel dem Unterschenkel nachtrauerte.

Lauters fluchte unhörbar und ließ sich in den Keller hinab. Er danke Gott, dass es November war. Wenn es Sommer gewesen wäre … an den Gestank und die Fliegen wollte er lieber nicht denken.

»Es muss ihn getötet und da runtergeworfen haben«, überlegte Perry.

»Ach wirklich, Doc?«

Dem Sheriff war nicht nach Perrys schwachsinnigem Ratespiel. In letzter Zeit war ihm nach gar nichts mehr. Er sah sich suchend um, konnte die fehlenden Gliedmaßen des Mannes aber nirgendwo entdecken.

Über ihm starrte Perry auf die Überreste von Segaris' Gesicht hinunter.

Das linke Auge fehlte, wie auch das meiste Fleisch darum. Das andere Auge jedoch stand weit offen und starrte anklagend ins Leere. Sein Mund war mitten in einem Schrei offen stehengeblieben. Seine Schädeldecke war aufgebissen worden; selbst aus fast zwei Metern Entfernung konnte Perry die Zahnspuren im Schädel erkennen. Das Gehirn war herausgeschabt worden. Anscheinend waren die grauen Spritzer in der Ecke alles, was davon übrig war.

Lauters sah mit flehenden Augen hoch. »Gott, hilf uns«, brachte er hervor.

»Ich hoffe, dass Gott uns helfen kann, Sheriff; ich hoffe das wirklich«, meinte Perry. »Aber falls er's nicht kann, sollten wir besser überlegen, wie wir uns selbst helfen können.«

Grummelnd zog sich Lauters aus dem Erdkeller hoch, ohne Perrys ausgestreckte Hand zu beachten. Er richtete sich auf und klopfte seine Kleidung ab.

»Es wäre interessant, die Reihenfolge der Ereignisse zu wissen«, grübelte Perry. »Was sich wann zugetragen hat.«

Lauters schaute ihn mit seinen wässrig grauen Augen finster an. »Und was zum Teufel würde das nützen? Ein Mann ist tot. Ermordet. Halb aufgefressen, um Gottes willen!«

Geduldig nickte Perry. Er strich sich eine seidige Strähne weißen Haares von der Stirn. »Worauf ich hinaus will, Bill – wenn wir ein paar Dinge wüssten, würde es uns helfen, unseren Killer besser zu verstehen.«

»Wenn wir was wüssten, zum Beispiel?«

»Also, zuerst würde ich gern wissen, ob Segaris getötet wurde, bevor hier alles auseinandergenommen wurde oder hinterher. Wenn es hinterher war … na, dann haben wir es mit hassgetriebener, gewollter Zerstörung zu tun – einem Racheakt. Was wohl kaum typisches Tierverhalten ist.«

Lauters schüttelte den Kopf. »Sie interpretieren zu viel in die Dinge hinein.«

»Und Sie«, sagte Perry, »zu wenig.«

Lauters ignorierte ihn. »Machen wir uns auf den Weg zurück in die Stadt. Wir müssen sehen, dass Spence mit seinem Wagen kommt, um die Leiche wegzubringen.«

»Mit seinem Wagen?«, fragte Perry. »Tut mir leid, dass ich Ihnen das sagen muss, Bill, aber Spence ist eine Frau.«

»Das denken Sie.« Lauters seufzte und nippte an einem Flachmann. »Je schneller wir die Leiche unter die Erde bringen, desto schneller werden die Leute aufhören, sich den Kopf drüber zu...