dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Royal Forever - Roman

Geneva Lee

 

Verlag Blanvalet, 2016

ISBN 9783641199142 , 320 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

9,99 EUR


 

2

Ich betrat die Lobby des Westminster Royal in einem blutbefleckten Seidenmorgenrock. Offensichtlich wusste ich, was ein gelungener Auftritt war. Rasch ging ich zur Rezeption und lehnte mich an den Tresen, um einen festeren Stand zu bekommen. Meine Beine zitterten. Die Frau, die dort arbeitete, erstarrte, als sie meinen aufgelösten Zustand erkannte. Es verschlug ihr völlig die Sprache.

»Ich würde gern mit dem Manager sprechen«, sagte ich leise. Ich wollte hier keine große Szene hinlegen. Wir waren am Leben, alles Weitere konnte man so diskret wie möglich klären.

In ihrem Gesicht zeichnete sich spürbar Erleichterung ab. Zweifellos war sie heilfroh, mich an jemand anderen weiterreichen zu können. Und das ging mir gehörig gegen den Strich. Irgendwie wollte ich, dass sie sich um die traumatisierte Frau kümmerte, die vor ihr stand. Hätte sie sich nicht erkundigen müssen, ob alles in Ordnung war? Die Antwort darauf wäre mir allerdings leichter gefallen, wenn nicht gerade jemand umgebracht worden wäre, und sei es auch aus Notwehr.

Das war alles zu viel für mich. Das war der wahre Grund meines Zorns. Ich stand zwar hier, aber meine Gedanken waren noch immer in dem Hotelzimmer, das ich gerade verlassen hatte.

Ich warf einen kurzen Blick in die entsetzten Gesichter der Gäste, die an mir vorbeigingen. Smith hatte mich mit dem Privatfahrstuhl zu unserer Suite gebracht, der wichtigen Gästen vorbehalten war, und mir so die Peinlichkeit erspart, mich von Fremden angaffen zu lassen. Was gab ich nur für ein Bild ab – immer noch grün und blau geschlagen von meiner ersten Begegnung mit Jake und jetzt von frischen Schnittwunden übersät? Ich zog den Morgenrock enger zusammen und hörte ein feines Klirren, als Glassplitter aus den Stofffalten auf den Marmorboden rieselten.

Und ich machte mir Sorgen, dass ich die Aufmerksamkeit auf mich ziehen könnte.

Was zum Teufel mache ich hier überhaupt? Ich hatte keine Ahnung. Oben war Smith und wartete neben einer Leiche auf die Polizei. Ich sollte bei ihm sein. Mein Mann hatte panische Angst, dass Hammond aufkreuzte, um den Job zu Ende zu bringen, aber der würde sich doch nie an einem Tatort blicken lassen. Dazu war er viel zu schlau. Zum Teufel, das würde nicht mal einer seiner bezahlten Helfershelfer riskieren. Und auch Smith war viel zu schlau, um anzunehmen, dass eine echte Gefahr bestand. Das bedeutete, dass er mich ganz bewusst weggeschickt hatte. Als ich das begriff, lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Es gab eine Menge vernünftiger Erklärungen, warum er mich weggeschickt haben könnte, aber in unserer Beziehung hatte noch nie die Vernunft regiert.

Nachdem ich der unmittelbaren Gefahr entronnen war, wurde mein Kopf mit jeder Sekunde klarer.

Die Frau, mit der ich gesprochen hatte, hatte sich inzwischen einen gut gekleideten Mann gegriffen. Die beiden standen so weit entfernt, dass ich sie nicht hören konnte, aber mir entging nicht, wie sie in einer merkwürdigen Mischung aus Sorge und Gereiztheit zu mir herüberstarrten.

Wie ich schienen sie eine Szene vermeiden zu wollen.

Andererseits war es auch möglich, dass sie genau wussten, was vor sich ging. Irgendwie musste Jake in unser Hotelzimmer gekommen sein. Hatte ihm ein Angestellter des Westminster Royal den Zugang ermöglicht? Hammond konnte sich überall Freunde kaufen, und es war zu vermuten, dass er für Situationen wie diese noch ein paar Leute in der Hinterhand hatte.

Ich musste hier verschwinden. Smith hatte mir aufgetragen, die Polizei zu rufen, aber wollte er wirklich dort sitzen bleiben und ihre Ankunft abwarten?

Er hatte mich weggeschickt, weil er etwas vor mir verbergen wollte.

Ohne lange zu überlegen, hastete ich zum Fahrstuhl, drängte mich an einem Paar vorbei und murmelte eine Entschuldigung, während ich in die Fahrstuhlkabine sprang und den Knopf zum Türenschließen drückte, bevor sie reagieren konnten.

In meinem jetzigen Zustand hatten mich schon genug Leute gesehen. Mich auch noch im Fahrstuhl angaffen zu lassen, wollte ich mir ersparen. Wenigstens befand sich das Penthouse in einer gesonderten Etage. Falls die Polizei noch nicht da war, hatte auch niemand den Tatort gesehen.

Aber als sich die Fahrstuhltüren öffneten, stockte mir der Atem. Eine Spur von Blutspritzern führte bis zur offen stehenden Tür der Suite. Jemand musste geblutet haben, als er sie verließ, und ich wusste, dass ich es nicht gewesen war. Jedenfalls nicht so schlimm. Entweder war Jake noch am Leben, oder …

An die andere Möglichkeit wollte ich gar nicht erst denken.

Ich eilte zur offenen Tür, lief in das Zimmer und wäre fast über den leblosen Körper meines Angreifers gestolpert.

Er war tot. Das wäre eine Erleichterung gewesen, wäre ich nicht gerade an der Blutspur entlanggelaufen. Da Jake tot war, musste das Smiths Blut sein.

Denk nach.

Jetzt panisch zu reagieren, würde mir in dieser Situation nicht helfen. Mit zittrigen Fingern streifte ich den Morgenmantel ab und versuchte, die Leiche zu ignorieren, die im Zimmer lag. Mein ganzer Körper zitterte wie Espenlaub, weshalb ich große Mühe hatte, die Sachen anzuziehen, die ich mir vorhin auf dem Bett zurechtgelegt hatte. In blutiger Seide herumzulaufen, schien keine gute Idee zu sein, und das war ein Problem, das ich zumindest lösen konnte. Ich holte tief Luft und band mir das Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. Ich musste mich wieder fangen, das war jetzt das Wichtigste. Ich stopfte den Morgenmantel in meine Tasche und schaute mich um, ob noch mehr von meinen Sachen herumlagen.

Wir hatten nur sehr wenig mitgebracht. Das war Smiths Idee gewesen. Als hätte er damit gerechnet, dass so etwas passieren würde. Doch den deutlichsten Beweis konnte ich nicht einfach in einen Beutel stopfen. Und Zeit zum Aufräumen hatte ich auch nicht.

Als ich sicher war, alle meine Habseligkeiten zusammenzuhaben, wandte ich mich langsam Richtung Korridor. Diesmal sah ich das verschmierte Blut am Türrahmen. Gern hätte ich geglaubt, dass es Jakes Blut war, aber er hätte seine Hände darin baden müssen, um im Kampf solche Spuren zu hinterlassen.

Smith blutete, und zwar stark.

Vielleicht benötigte er einen Krankenwagen, aber wenn das der Grund dafür war, dass er mich losgeschickt und gebeten hatte, die Polizei zu alarmieren, warum war er dann weggegangen? Jeder normale Mensch würde dennoch einen Krankenwagen rufen, aber ich konnte nur daran denken, dass ich meinen Mann finden musste.

Was hätte ich den Sanitätern auch erzählen sollen? Dass er verletzt worden war und sich bei dem Versuch, die Polizei zu rufen, verlaufen hatte? Smith war auf der Flucht. Er wusste es, und die Polizei wusste es vermutlich auch. Auch wenn er verletzt war, hätte ich ihn trotzdem am liebsten umgebracht.

Wenn er nicht schon tot war.

Bei dem Gedanken lief es mir eiskalt den Rücken hinunter, aber ich verdrängte ihn und ging rasch zu den Fahrstühlen am Ende des Korridors. Wie sollte ich erkennen, welchen er genommen hatte? Den Blutflecken nach zu urteilen, war er in einen der Fahrstühle zum Erdgeschoss gestiegen anstatt in den Privatfahrstuhl zur Tiefgarage. Ich hatte keine Ahnung, warum.

Doch in welchen genau? Als ich die Wand betrachtete, entdeckte ich Blut an den Knöpfen. Und dann hatte ich eine Idee. Als ich etwas genauer hinschaute, bemerkte ich einen weiteren Blutfleck am Rahmen des rechten Fahrstuhls. Den musste er genommen gehaben. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf meinen Wunsch, ihn zu finden. Dann drückte ich den Knopf, um den Lift anzufordern. Es kostete mich fünf Minuten und mehrere verwirrte Fahrgäste, bis der ankam, auf den ich aus war. Erleichtert stellte ich fest, dass er leer war. Das Problem war nur, dass die Hälfte aller Knöpfe an der inneren Schalttafel blutverschmiert war.

Denk nach, Belle.

Ich drückte jeden einzelnen Knopf und betete, dass ich ihn schnell finden würde. Ich musste ihn sehen, ihn berühren. Er war das einzige reale, greifbare Element in diesem Albtraum, in dem wir gefangen waren. Ich musste ihn finden. Bestimmt war er eher früher als später ausgestiegen. Als die Lifttüren zwei Etagen tiefer auseinanderglitten, entdeckte ich dort noch mehr Blut. Ich folgte den Spuren und machte mich auf alles gefasst. Doch sie führten nur zu einer Putzkammer. Schnell öffnete ich die Tür. Das Licht aus dem Korridor fiel schräg über das dunkle Regal und schließlich auf Smiths zusammengesunkenen Körper.

Ich legte meine Finger um sein Handgelenk, fühlte seinen Puls und unterdrückte ein Schluchzen, als ich das leichte Pochen spürte. Es war nur schwach, aber es war vorhanden.

Hätte ich doch nur gewusst, was ich tun sollte.

Der Wärme nach zu urteilen, die sich in meinen Augen ausbreitete, stimmte mein Körper für Weinen. Aber zum Glück erwachte die kaltblütige Krisenmanagerin in mir und rettete mich.

Ich legte die Arme um seinen Oberkörper und versuchte, ihn anzuheben. Er war zu schwer. All diese verdammten sexy Muskeln. Ich wischte eine flüchtige Träne fort und sank neben ihm zu Boden.

»Wach auf!«, verlangte ich. »Ich weiß, du bist ein störrischer Esel, aber dieses eine Mal musst du auf mich hören.«

Wütend wischte ich gegen die Tränen an, die mir jetzt ungehemmt die Wangen hinunterliefen. »Für immer, haben wir gesagt, und das musst du mir jetzt beweisen, Price.«

Ich wartete auf eine Reaktion; ich betete darum.

Smith rührte sich nicht, von dem schwachen Heben und Senken seiner Brust bei unregelmäßiger Atmung einmal...