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STRIKE - oder die Unwahrscheinlichkeit vom Blitz getroffen zu werden und die große Liebe zu finden

Katharina Wolf

 

Verlag Amrûn Verlag, 2016

ISBN 9783958690851 , 286 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

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3,99 EUR


 

Zitroneneis und Drogendeal


Nach dem Sommergewitter und dem darauffolgenden doch eher trüben Tag, den ich im Fitnessstudio verbracht hatte, war es jetzt wieder richtig warm und wunderbar sommerlich. Bibi schlug nach der Schule vor, dass wir gemeinsam ins Freibad gehen könnten. Immerhin sei das ja das perfekte Wetter, um sich in der Sonne zu bräunen, Pommes zu futtern und ab und an ins kühle Nass zu springen.

Ich rümpfte die Nase, zog einen Schmollmund und seufzte enttäuscht. Eine Abkühlung wäre genau das Richtige gewesen. Aber ich hatte andere Pläne, die leider wichtiger waren, denn ich musste echt dringend etwas für die Schule tun. Die Mädels schienen sich ihrer Noten sehr sicher zu sein oder hatten keine Ambitionen, kurz vor den Sommerferien noch irgendetwas zu lernen. Ich hingegen war mit meinem Zeugnis nur dann zufrieden, wenn ich wirklich alles gegeben hatte und selbst dann sah ich hier und da noch Optimierungsbedarf.

Ich zog meine Sonnenbrille aus der Tasche und setzte sie auf die Nase. Dann entschuldigte ich mich mit einem schuldbewussten Gesichtsausdruck bei meinen Mädels.

»Ich muss dringend an meinem Referat arbeiten. Ich habe wirklich noch kaum etwas geschafft. Also heute leider ohne mich.«

»Streberin!« Eli streckte mir die Zunge heraus. Ich verdrehte die Augen.

»Jaja, ich weiß. Komm runter! Es sind doch eh bald Ferien. Dann strebe ich nicht mehr, okay?«

«Das glaubst du doch selbst nicht! In den Osterferien hast du ständig irgendwas gebüffelt.»

«Das war ja auch was anderes.» Ich winkte ab und ersparte mir jeglichen weiteren Kommentar. Warum sollte ich mich auch vor ihnen rechtfertigen? Ich beging doch kein Verbrechen.

Zum Abschied umarmte ich jede und lief dann Richtung Bahnhof. Unterwegs kramte ich mein Handy aus der Jeans und schaute nach der Uhrzeit. Mein Zug würde in 25 Minuten ankommen. Ich hatte also keinen Grund, mich zu sputen. Ganz im Gegenteil.

Als ich am Eiscafé Picolo vorbeilief, überlegte ich nicht lange und besorgte mir eine Kugel Zitroneneis. Darauf hatte ich jetzt so richtig Lust. Bei heißen Temperaturen gab es kaum etwas Erfrischenderes.

Ich hievte meine viel zu schwere Schultasche auf meine rechte Schulter und lief eisschleckend weiter. Auf den Straßen herrschte reges Treiben. Viele Menschen um mich herum taten es mir gleich und liefen mit einem Eis oder Milchshake in der Hand durch die Innenstadt. Ich sah viele unterschiedliche Sonnenbrillen und schöne Sommerkleider. Außerdem fiel mir auf, wie viele von den Menschen um mich herum Sonnenhüte trugen, was mich wieder daran erinnerte, dass ich selbst unbedingt noch nach einem suchen musste.

Am Bahnhof angekommen warf ich einen Blick auf die Anzeigetafel, die heute keine Überraschungen für mich bereithielt. Stöhnend und mit schmerzverzerrtem Gesichtsausdruck schob ich meine Tasche auf die andere Schulter. Der Riemen hatte auf meinem Schulterblatt bereits schmerzende Striemen hinterlassen.

So unauffällig wie möglich sah ich mich um. Ob er hier wieder irgendwo herumlungerte? Er würde doch wohl nicht wieder zugedröhnt im Dreck sitzen, oder? Ich lief die Stufen runter zur Unterführung, die die unterschiedlichen Gleise miteinander verband. Ich musste zwar heute nicht zu Gleis 3, aber ich wollte zumindest einen kurzen Blick hinter den defekten Getränkeautomaten werfen. Vielleicht war er ja wieder da. Irgendein seltsamer, unberechenbarer und etwas dummer Teil von mir wollte ihn unbedingt sehen. Auch wenn ich keine Ahnung hatte, was ich mir davon versprach. Vernünftig war das nicht. Trotzdem zog es mich in diese dreckige und düstere Unterführung.

Hinter den Automaten war nichts bis auf ein paar leere Bierdosen, Unmengen an Taubenkot und Zigarettenstummel zu sehen.

Ich zuckte mit den Schultern und kehrte wieder zu Gleis 1 zurück. Die restlichen Minuten, bis der Zug einfahren würde, würde ich am Bahnsteig verbringen und mein Gesicht genießerisch der Sonne entgegenrecken.

Plötzlich bemerkte ich aus dem Augenwinkel zwei Gestalten. Ich weiß nicht, warum sie mir auffielen. Vielleicht, weil sie alles taten, um eben nicht aufzufallen. Ihre Bemühungen waren schon fast lächerlich. Sie flüsterten und sahen sich dabei immer wieder verstohlen um. Auffälliger wäre es nur noch, wenn sie sich laut anschreien und dabei mit Leuchtschildern winken würden.

Ich zog meine Sonnenbrille ein Stück herunter, um die beiden Personen ohne den Sepia-Filter der getönten Gläser zu betrachten. Irgendwie hatte ich es ja geahnt und nun erkannte ich ihn wieder.

Er trug die gleichen Klamotten wie das letzte Mal, als ich ihn gesehen hatte. Schwarze löchrige Jeans, schwarzes T-Shirt mit einem seltsamen Aufdruck. Irgendetwas mit Totenköpfen. Der Typ gegenüber sah in etwa genauso aus. Er war nur größer und dünner, dafür aber im selben Emo-Stil gekleidet.

Was ich dann erblickte, ließ keine weiteren Fragen offen. In Windeseile wechselten Geldscheine und ein kleines Päckchen den Besitzer. Das Geld gehörte nun dem Großen.

Mein Puls beschleunigte sich. Ich stand wie versteinert da, sah hilflos zu und konnte nichts dagegen tun. Ich wurde Zeuge einer Straftat: Ein Dealer vertickte gerade Drogen an einen anderen Typen. Noch schlimmer war, dass ich mir sicher sein konnte, dass der Käufer sie auch benutzen würde, schließlich hatte ich ihn schon einmal mit einem Joint in der Hand gesehen. Wer wusste schon, was sich nun in diesem Päckchen befand? Vielleicht noch viel Schlimmeres. Gefährlicheres. Womöglich sogar Tödliches!

Aber ging mich das überhaupt etwas an? Nur, weil ich ihm ein paar Mal begegnet war ... Eigentlich nicht. Ich kannte ihn nicht.

Ich wandte mich von dem Szenario ab und bewegte mich ein paar Schritte mehr zur Mitte des Bahnsteiges. Das war mir hier alles andere als geheuer. Also hielt ich Abstand und starrte überfordert und eingeschüchtert auf die Schienen. Obwohl ich nichts damit zu tun hatte, raste mein Herz wie verrückt.

Dann hörte ich Schritte hinter mir.

»Entschuldigung?« Eine dunkle Stimme sprach mich leise an.

Ich drehte mich um und stand ihm zum ersten Mal direkt gegenüber. Dem Jungen mit den bunten Haarsträhnen. Erneut fielen mir seine leuchtend blauen Augen auf. Solche hatte ich zuvor noch nie gesehen.

»Ja?« Ich schluckte, setzte meine Sonnenbrille ab und schaute misstrauisch zu ihm auf. Er war so viel größer als ich. Bestimmt fünfzehn oder zwanzig Zentimeter. Das hätte ich nicht gedacht. Aber ich hatte ihn ja bislang auch nur irgendwo sitzend gesehen.

»Du bist das doch? Die von vorgestern, oder? Während des Gewitters ... du weißt schon.«

Damit hatte ich nicht gerechnet. Er hatte mich also doch bemerkt. Ich nickte zaghaft, sagte aber nichts weiter dazu. Was auch?

»Ich wollte dir das hier zurückgeben.« Er zog mein pinkfarbenes Tuch aus seiner hinteren Hosentasche. Es war fein säuberlich zu einem Quadrat gefaltet.

Ich nahm es entgegen und sah mir das Werk kurz an. Er hatte das Tuch so akkurat zusammengelegt, dass es mich schon fast an Origami-Kunst erinnerte. Dann blickte ich dem Jungen ins Gesicht, der prompt das Wort wieder an mich richtete.

»Ich wollte mich bedanken und naja ...« Er rieb sich den Nacken und schaute mich dabei freundlich und ehrlich dankbar an. »Ich habe mich ziemlich gewundert, als ich aufgewacht bin. Ist ja nicht so ganz meine Farbe.« Zaghaft lächelte er und zeigte dabei eine Reihe weißer Zähne. »Aber es war wirklich recht kalt und ...«

»Die Farbe passt doch ...«, sagte ich und betrachtete ihn von oben bis unten.

Er legte seinen Kopf schräg. Sein Blick wirkte neugierig.

»Also dazu.« Ich zeigte auf seine Haare. »Noch ein zusätzlicher Farbtupfer. Ansonsten ist alles schwarz und düster an dir.«

Sein Lächeln verschwand und er zog skeptisch eine Augenbraue in die Höhe. Er wusste wohl nicht so recht, was er von meinem Kommentar halten sollte. Das wusste ich übrigens auch nicht. Auf was genau wollte ich hinaus? Dieser Typ verwirrte mich.

»Ich hatte dich irgendwie anders eingeschätzt«, sagte er und blickte dann die Gleise entlang. »Dein Zug kommt.«

Ich nickte und betrachtete den von Kaugummis und Zigarettenstummeln übersäten Boden. Was war das denn für eine seltsame Situation? Wie sollte ich denn darauf reagieren? Ich konnte den Kerl einfach nicht so recht einschätzen. Außerdem schmerzte mein Rücken und meine Schulter, was mich zusätzlich ablenkte. »Ja, ähm ...« Ich überlegte gerade, ob und wie ich mich am besten verabschieden sollte. Er schüchterte mich ein, ich wollte aber auch nicht unfreundlich wirken.

»Normalerweise würdest du nicht mit jemandem wie mir sprechen oder? Du verkehrst wohl in besseren Kreisen.« Das war keine Frage, sondern vielmehr eine Feststellung. Ich blickte wieder zu ihm auf und schüttelte mit dem Kopf.

»Nein, so ist das nicht.« Ich suchte nach Worten, die ich schnell wieder verwarf. Dann beugte ich mich näher zu ihm und schaute mich noch mal verstohlen um. »Ich will nur nichts mit Drogen zu tun haben«, flüsterte ich vor vorgehaltener Hand, als ob ich selbst etwas Verbotenes getan hätte. Dabei war ich so unerfahren in allem, was auch nur ansatzweise etwas Verruchtes oder Illegales an sich hatte, wie niemand sonst. Ich war eben, wie meine Freundinnen auch immer wieder gerne betonten, eine spießige Streberin. Viel zu anständig und ziemlich langweilig.

Er machte große Augen und ihm entwich ein überraschtes »Oh!« Dann rieb er sich wieder verlegen den Nacken und kämmte sich mit den Fingerspitzen seine Haare glatt.

»Na dann ...« Er zuckte mit den Achseln. »Trotzdem danke dafür.« Er deutete auf mein Tuch, drehte sich um und ging. Beide Hände hatte er dabei tief in den...