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Hilfe, mein Lehrer geht in die Luft!

Sabine Ludwig

 

Verlag Dressler Verlag GmbH, 2016

ISBN 9783862720323 , 240 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

9,99 EUR


 

Mittwoch, 7. Mai


Alles begann mit einem heftigen Gewitter.

Schmitti, meine Maus, war schon den ganzen Abend wie verrückt in ihrem Käfig herumgerast, und als ich sie füttern wollte, biss sie mir in den Finger. Es tat nicht wirklich weh, aber komisch war es doch, denn das hatte sie noch nie gemacht.

Ich ging in die Küche, um mir ein Pflaster aus dem Medizinschrank zu holen. Meine Mutter stand am Fenster.

»Da kommt was auf uns zu«, sagte sie. »Schau nur, der Himmel wird immer dunkler.«

»Na, hoffentlich regnet es endlich mal«, sagte ich.

Für Anfang Mai war es ein unglaublich heißer Tag gewesen, ich hatte schon zweimal geduscht und fühlte mich trotzdem klebrig.

»Hattet ihr heute wenigstens Hitzefrei?«

»Mama! Es gibt schon lange kein Hitzefrei mehr, höchstens Kurzstunden. Aber Klingbeil meint, das sei nur was für Grundschüler, auf dem Gymnasium hat man nicht zu schwitzen.«

Klingbeil ist unser Direktor, und ich bin nur froh, dass er nicht auch mein Lehrer ist. Ich glaube, ich habe ihn noch nie lachen sehen.

»Zu meiner Schulzeit durften wir nach Hause gehen, wenn das Thermometer mittags fünfundzwanzig Grad anzeigte«, sagte meine Mutter.

»Fünfundzwanzig Grad? Das ist ja fast eisig!«, rief ich.

Meine Mutter antwortete nicht, sondern setzte sich an den Küchentisch und drehte an ihrem Ring. Das tut sie immer, wenn sie nervös ist. Sie hatte den Ring vor vielen Jahren in einem türkischen Basar gekauft, und der Verkäufer hatte zu ihr gesagt, sie müsste nur dreimal draufspucken und sich etwas wünschen, dann würde ihr Wunsch in Erfüllung gehen. Natürlich glaubte meine Mutter nicht daran, aber es war ihr absoluter Lieblingsring, und sie trug ihn täglich, obwohl er ihr zu groß war und ständig vom Finger rutschte. Ich weiß nicht, wie oft ich schon mit ihr auf dem Boden herumgekrochen bin, um nach dem blöden Ring zu suchen, der irgendwo hingerollt war.

Nun goss sie sich ein Glas Weißwein ein und klopfte auf den Stuhl neben sich. »Setz dich, Felix, ich muss was mit dir besprechen.«

O nein! Hoffentlich erzählte sie mir jetzt nicht, dass sie einen netten Mann kennengelernt hätte, den sie mir gerne vorstellen würde. Meine Eltern sprachen zwar wieder miteinander, und wir hatten auch Weihnachten und Ostern zusammen gefeiert, aber sie waren getrennt und würden das wohl auch bleiben.

Ich setzte mich hin und klebte umständlich ein Pflaster auf meinen Daumen.

»Ich habe heute einen … einen Brief bekommen.«

Mir wurde schlagartig übel. Im Februar war schon ein blauer Brief gekommen, in dem stand, dass ich nicht versetzt werden würde, wenn sich meine Noten in Mathe und Physik nicht verbesserten. Vor drei Tagen hatten wir eine Mathearbeit geschrieben, für die ich wie blöd mit meinem Vater geübt hatte. Wir hatten sie noch nicht zurückbekommen. Aber vielleicht hatte Frau Schmitt-Gössenwein sie schon korrigiert, und jetzt stand fest, dass ich sitzenbleiben würde.

»Aber ich hab wirklich gelernt … und ich glaube … also, ich bin sicher, dass ich mindestens drei Aufgaben richtig habe …«, stotterte ich.

»Du irrst dich, mein Schatz, der Brief war nicht von der Schule, sondern vom English Translation Trust.«

Ich verstand nur Bahnhof.

»Man hat mir die Teilnahme an einem Übersetzerseminar angeboten. In England. In London.«

»Aber das ist doch toll!«, rief ich erleichtert.

Meine Mutter ist Übersetzerin und träumt schon lange davon, nach England zu fahren. Das letzte Mal war sie dort, als ich noch nicht auf der Welt war.

»Ja, das ist es, aber es geht schon am Montag los. Eigentlich sollte eine Kollegin von mir daran teilnehmen, aber die ist schwanger und muss liegen, und sie hat mich gefragt, ob ich für sie einspringen kann. Ich hab dir nichts davon erzählt, weil ich nicht wusste, ob es klappt, aber heute Morgen kam der Brief mit der Zusage.«

»Du siehst aber nicht so aus, als ob dich das freut«, sagte ich.

»Es sind zwei Wochen, Felix. Zwei Wochen, in denen ich nicht hier wäre.«

Ich zuckte mit den Schultern. »Kein Problem, Papa ist ja auch noch da.«

»Du kannst natürlich zu ihm ziehen, aber du hättest einen weiteren Schulweg, und ob du jeden Tag Lust auf Pizza hast, wage ich zu bezweifeln.«

Meine Eltern sind so unterschiedlich, wie man nur sein kann, aber eins haben sie gemeinsam: Sie können beide nicht kochen. Mein Vater weiß es und geht essen oder bestellt Pizza. Meine Mutter glaubt, dass sie kochen kann, aber meistens geht irgendwas dabei schief, und das Essen ist verbrannt oder versalzen oder sonst wie ungenießbar. Ich hab angefangen, selber zu kochen, und es macht mir richtig Spaß. Zum Abendbrot hatte ich einen leckeren griechischen Salat mit Gurken, Tomaten und Schafskäse hinbekommen.

Ich zeigte auf die leere Schüssel auf dem Küchentisch. »Ich kann auch kochen.«

Meine Mutter strich mir über den Kopf. »Du hast genug mit der Schule zu tun und sollst dich nicht auch noch um dein Essen kümmern müssen.« Sie seufzte. »Irgendwie habe ich kein gutes Gefühl bei der ganzen Sache.«

»Ich verspreche dir hoch und heilig, dass ich keinen Blödsinn mache, mich gesund ernähre und wie ein Bekloppter für die Schule lernen werde.«

Ich wollte gerade zwei Finger zum Schwur hochheben, da zuckte ein Blitz über den inzwischen fast schwarzen Himmel, kurz darauf donnerte es. Meine Mutter stand auf und schloss das Fenster. »Das muss ganz nah sein.«

»Jetzt weiß ich auch, warum sich Schmitti so komisch benimmt. Sie hat das Gewitter gespürt.«

»Tiere haben da ganz andere Antennen als wir«, sagte meine Mutter.

Wieder blitzte es. Dann krachte ein Donner, er war so laut, dass es selbst bei geschlossenem Fenster dröhnte. Nun folgten die Donnerschläge in immer kürzeren Abständen. Normalerweise habe ich keine Angst vor Gewitter, aber ich war doch froh, dass ich sicher bei uns in der Küche saß und nicht draußen war.

Das Telefon klingelte. Meine Mutter ging ran. »Ja, er ist da, kleinen Moment.«

Sie reichte mir den Hörer.

»Hallo?«

»Wieso gehst du eigentlich nie an dein Handy?«

Das war Ella.

Ich war der einzige Junge in der Klasse gewesen ohne Handy, doch seit Weihnachten hatte ich das alte von meinem Vater, war damit aber auch schon wieder ein Exot, weil inzwischen alle Smartphones besaßen. Ich hab nie verstanden, was daran so toll sein soll, immer erreichbar zu sein. Im Moment wusste ich noch nicht mal, wo das Ding rumlag, wahrscheinlich auf meinem Schreibtisch.

»Ist was passiert?«, fragte ich.

»Das kann man wohl sagen.« Ich hörte die Aufregung in Ellas Stimme.

»Nun mach’s nicht so spannend.«

»Die Schule brennt!«, platzte sie heraus.

Ella wohnt genau gegenüber vom Willi, was Vor- und Nachteile hat. Ich möchte jedenfalls nicht die ganze Zeit meine Schule vor Augen haben.

»Die Schule brennt?«, wiederholte ich.

Meine Mutter sah mich zweifelnd an. Bestimmt dachte sie, das sei ein Witz.

Ella sprach so schnell weiter, dass ich sie kaum verstehen konnte. »Ich habe einen Blitz gesehen, direkt über der Schule, und dann war da nur noch Rauch, und jetzt kommt auch die Feuerwehr, hörst du?«

Ella musste das Telefon ans Fenster gehalten haben, denn ich hörte ein wenig gedämpft, aber deutlich das Lalülala der Feuerwehr.

»Ich komme!«, sagte ich und sprang auf. Doch meine Mutter schüttelte energisch den Kopf. »Du bleibst hier. Es wird gleich anfangen zu regnen.«

»Aber die Schule brennt, Mama!« Das war ein Ereignis, das man sich auf keinen Fall entgehen lassen durfte.

»Felix!«

Wenn meine Mutter »Felix« sagt, in diesem Ton, weiß ich, dass es keinen Zweck hat, mit ihr zu diskutieren, dann geht nämlich gar nichts.

»Hey, bist du noch da?«, rief Ella.

»Ich komme nicht. Meine Mutter meint –«

»Meine Mutter hat mir auch verboten, rauszugehen«, sagte Ella. »So was Blödes.«

»Du kannst wenigstens alles beobachten.«

»Logenplatz sozusagen. Warte mal … Michalski kommt grad aus seiner Bude. Bestimmt sagt er den Feuerwehrleuten, wie sie den Schlauch halten sollen.«

Michalski ist unser Hausmeister und bildet sich immer ein, dass das Willi ohne ihn auf der Stelle im Chaos versinken würde. Wahrscheinlich hat er damit sogar recht.

Ich hörte Ella lachen.

»Was ist? Los, ich will mitlachen.«

»Boss dreht mal wieder durch, er hat einen der Feuerwehrmänner am Bein gepackt.«

Wie gern wäre ich dabei gewesen und hätte gesehen, wie Boss, die hässlichste Bulldogge der Welt, einen Feuerwehrmann in die Wade biss.

Es donnerte noch einmal und dann öffnete sich der Himmel und der Regen prasselte los.

»Ich seh nichts mehr«, sagte Ella enttäuscht. »Es gießt.«

»Hier regnet’s auch«, sagte ich. »Bis morgen in der Schule.«

»In dem, was von ihr noch übrig ist.« Ella kicherte und legte auf.

»Jetzt erzähl doch mal, was ist denn passiert?«, fragte meine Mutter.

»Ella sagt, in die Schule sei der Blitz eingeschlagen. Die Feuerwehr ist schon da.«

»Das kann ich mir nicht vorstellen, auf den Dächern von öffentlichen Gebäuden gibt es Blitzableiter, das ist Vorschrift.« Meine Mutter stellte ihr Weinglas in die Spülmaschine. »Morgen wissen wir mehr.«

Ich fand es unerträglich, bis zum nächsten Morgen warten zu müssen. Vielleicht war der Blitz ja ins Lehrerzimmer eingeschlagen und die Mathearbeiten waren verbrannt. Das wäre wie ein Sechser im Lotto. So sicher, dass es diesmal keine Fünf sein würde, wie ich meiner Mutter gegenüber getan hatte,...