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Das It-Girl und der Waldschrat

Jacqueline Greven

 

Verlag Plaisir d'Amour Verlag, 2016

ISBN 9783864952340 , 302 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

Geräte

6,99 EUR


 

Kapitel 2


 

Mila stellte ihre Reisetasche in den Kofferraum des Aston Martin, der eigentlich ihrem Vater gehörte. Ihr eigenes Auto, einen kleinen leuchtend roten Sportwagen, wagte sie für ihren Ausflug nicht zu nehmen, denn seit einigen Tagen hatte sie Schwierigkeiten, den Rückwärtsgang einzulegen. Ein Fall für die Werkstatt, sie hatte es nur bisher vor sich hergeschoben. Zudem wusste sie, dass ihr Vater bezüglich des Aston großzügig war, da er lieber seinen zweisitzigen Mercedes fuhr. Sie lenkte den Wagen auf die breite Ausfallstraße, die sich nach gut fünf Meilen gabelte und rechts Richtung Santa Barbara und links an der Küste entlang führte. Die Sonne schien, der Himmel war nahezu wolkenlos blau und seitlich der Straße reckten sich schlanke Palmen in die Höhe. Der Tag war friedlich, aber auch sehr warm.

„Wärme kann man ja im Sommer auch erwarten“, dachte Mila und ließ die Seitenscheiben herunter. Eigentlich hatte sie schon am Morgen losfahren wollen, doch sie war viel zu spät aufgewacht. Nach einer ausgiebigen Dusche hatte sie sich zu einem kleinen Frühstück gezwungen und danach ihre Tasche gepackt.

Sie hatte ihrem Vater eine Notiz auf den Garderobenschrank gelegt, dass sie ein paar Tage rauswollte und sich bald melden würde. Die Nachricht an Jonathan, per SMS geschrieben, war recht frostig ausgefallen.

„Ich brauche Abstand. So kann es mit uns nicht weitergehen.“

Zufrieden war sie damit nicht. Etliche Male hatte sie den kurzen Text gelöscht und neu verfasst, doch gleich, was sie auch schrieb, es kam ihr schwach vor, wie eine nutzlose Trotzreaktion. Sie kannte Jonathan gut genug. Er würde schulterzuckend darüber weggehen und sich allenfalls nach einer Woche einmal bei ihr melden, um beiläufig zu fragen, wann sie wieder zu Hause sei.

Im Grund wäre es am besten, sie würde die haltlose Beziehung beenden. Nur wurde ihr bei dem Gedanken keineswegs leichter ums Herz. Mila drückte den Fuß fester aufs Gaspedal, als könnte sie so alles Belastende hinter sich lassen. Doch weder der herrliche Sommertag, noch die Geschwindigkeit, konnten sie ihre Probleme vergessen lassen.

Ihr Handy lag auf dem Beifahrersitz. Zwanghaft schielte sie immer wieder hin, um zu sehen, ob das winzige blaue Licht am oberen Rand blinkte, das den Eingang einer Nachricht verkündete. Doch nichts geschah. Sie schaltete das Radio ein, suchte vergeblich nach einem Sender, der ihr gefiel, und machte das Gerät wieder aus. Ihr war im Moment einfach nichts recht zu machen. Geschlafen hatte sie auch schlecht, trotz des Rotweins. Außerdem brannte die Hitze aufs Auto, weshalb sie sich verschwitzt und klebrig anfühlte. Vielleicht sollte sie irgendwo anhalten und etwas trinken, zum Beispiel eine eisgekühlte Zitronenlimonade oder eine Pink Lemonade mit Grenadinesirup. Die Vorstellung hatte etwas ungeheuer Verlockendes. Eine Weile würde sie sich allerdings noch gedulden müssen.

Links, etliche Fuß unterhalb der Klippen, erstreckte sich der Pazifik, rechts der Fahrbahn erhoben sich rotsandige, dürftig bewachsene Anhöhen. Nach einer lang gezogenen Kurve tauchte zwischen den Hügeln ein großes Waldstück auf einer Ebene auf. Die Straße wurde enger und Mila musste langsamer fahren. Ein kleines weißes Schild wies in einen Waldweg.

Little Blue Lake“, las Mila und drosselte die Geschwindigkeit weiter. Vielleicht konnte sie am See eine kurze Pause machen und möglicherweise fand sie dort sogar eine Raststätte. Letzteres war jedoch eher unwahrscheinlich, weil es sonst sicher auch dazu ein Hinweisschild gegeben hätte. Sie setzte trotzdem den Blinker und bog ab.

Der Waldweg war schmal und holprig, die Tannen und Laubbäume waren hoch und standen dicht beieinander. Hier und da blinkte die Sonne durch das Grün und wärmte Moos und altes Laub zwischen den Wurzeln der Bäume. Zwischen den Stämmen sah Mila bereits nach kurzer Zeit den See glitzern. Sie konnte fast unmittelbar bis zum Ufer fahren. Von einem Lokal war jedoch nichts zu sehen. Der Little Blue Lake lag in völliger Einsamkeit. Nur eine marode hölzerne Bank stand am Ufer. Mila bremste und stellte den Motor ab. In den Zweigen der Bäume zwitscherten die Vögel, hinter dem See erhoben sich sanfte Hügel. Sie öffnete die Tür, stieg aus und reckte sich. Die Luft strich herrlich warm über ihre Haut und es duftete nach sämtlichen Gehölzen. Der Waldboden unter ihren Füßen war weich. Mila kramte aus ihrer Handtasche ihre Wasserflasche hervor und trank in großen Schlucken. Leider war das Getränk lauwarm, aber gegen den Durst half es allemal. Für den Augenblick verabschiedete sie sich von dem Gedanken an eine eisgekühlte Limonade. Stattdessen überlegte sie, kurz in den See zu springen. Einen Bikini hatte sie in ihrer Reisetasche. Mila sah sich um. Sie befand sich anscheinend in einer völligen Einöde und für einen winzigen Moment schauderte es sie. Dann schüttelte sie die unbestimmte Furcht ab. Sie würde schwimmen gehen und anschließend wunderbar erfrischt ihre Fahrt fortsetzen. Bestimmt hätte sie bis zum Nachmittag ein schönes Hotel gefunden, wo sie sich entspannen und verwöhnen lassen konnte.

Sie warf einen Blick auf ihr Handy. Noch immer keine Antwort von Jonathan. Mila legte den Apparat wieder auf den Beifahrersitz, umrundete das Auto und öffnete den Kofferraum. Natürlich lag der Bikini in der Reisetasche ziemlich weit unten, wie hätte es anders sein sollen. Nach einem weiteren Kontrollblick, ob auch tatsächlich keiner in der Nähe war, der ihr beim Umziehen zusehen konnte, streifte sie ihre Kleidung ab und warf sie in den Kofferraum. Keine Minute später ging sie mit behutsamen Schritten zum See. Die alten Tannennadeln pikten sie in die Fußsohlen, hier und da stach sie sich auch an einem Ästchen, und am Ufer lagen reichlich Kieselsteine. Vorsichtig trat sie dicht ans Wasser und eine erste sachte Welle schwappte über ihre Füße. Erschrocken hielt sie die Luft an. Der  See war kälter, als sie geglaubt hatte. Schritt für Schritt wagte sie sich vorwärts. Das Nass umspielte ihre Knöchel, erreichte die Waden und ihre Knie, stieg bis zu den Oberschenkeln, und als sie bis zum Bauch im See stand, überwand sie sich endgültig und schwamm in großen Zügen los. Bereits nach wenigen Sekunden hatte sie sich an die Kühle des Gewässers gewöhnt, und je weiter sie vorwärtskam, umso milder empfand sie die Temperatur. Es mochte auch daran liegen, dass das Ufer durch die Bäume im Schatten gelegen hatte. Mittlerweile schwamm sie in der Sonne. Sie würde es kaum schaffen, den See ganz zu durchqueren, aber bis zur Mitte zu schwimmen, traute sie sich durchaus zu. Nach einer Weile legte sie sich auf den Rücken und ließ sich treiben. Die Augen hielt sie geschlossen und sie genoss die wärmenden Sonnenstrahlen. Nur das leise Plätschern kleiner Wellen war zu hören und ab und zu zwitscherten ein paar Vögel.

Plötzlich riss sie das unverkennbare Geräusch eines startenden Motors ruckartig aus ihrer Ruhe. Mila richtete sich auf, schwamm auf der Stelle und lauschte. Der angelassene Wagen schien mit durchdrehenden Reifen loszufahren. Im selben Moment fuhr ihr der Schreck bis in den Magen. Sie war sicher, dass das Brummen des Fahrzeuges aus der Richtung kam, in der sie den Aston Martin geparkt hatte. Was hieß geparkt! Abgestellt, mit dem Schlüsselbund auf dem Fahrersitz, das Handtuch für nach dem Bad nur nachlässig darübergelegt. Himmel! Von der Küstenstraße, die sie hierher gefahren war, war kein Ton zu hören, denn sie war zu weit entfernt vom See. Konnte es tatsächlich sein, dass jemand ihr Auto geklaut hatte? Mit all ihren Sachen darin?

Wilder Zorn und ungläubige Angst packten sie. Gleichzeitig war sie wie gelähmt. Längst war kein Motorengeräusch mehr zu hören. Liebe Zeit, sie musste zurückschwimmen und nachsehen! Sie konnte doch nicht hier auf der Stelle paddeln und bestürzt die Luft anhalten. Endlich war sie wieder in der Lage zu reagieren. So rasch sie konnte, schwamm sie zu dem kleinen Ufer zurück. Es schien jedoch endlos zu dauern, bis sie diesem näher kam. In ihrer Lunge stach es, ihr Herz pumpte, sie konnte nur mühsam atmen und ihre Glieder zitterten ob der Anstrengung, so schnell wie möglich ans Ufer zurückzukommen. Schließlich war es geschafft. Mila stapfte aus dem Wasser. Aus ihren dicken blonden Haaren, die ihr bis weit über die Schultern fielen, troff die Nässe. Mit brennenden Augen starrte sie auf die Stelle, an der der Wagen gestanden hatte …

Nur noch ihre Schuhe, die flachen roten Sandalen, lagen auf dem Waldboden. Die Spur durchdrehender Reifen war stellenweise auf den alten braunen Tannennadeln und den Moosplatten zu erkennen. Richtig, die Schuhe hatte sie abgestreift und liegen gelassen. Ihre restlichen Sachen waren alle im Auto. Mila verharrte wie an den Erdboden genagelt, die Hände zu Fäusten geballt. Das Auto war weg und mit ihm alles andere auch. Sie stand hier, nahezu nackt, in der Einsamkeit und hatte nichts zum Anziehen, kein Handy, kein Geld, keine Papiere, nur den nassen Bikini und die roten Sandalen. Ein kühler Luftzug erfasste sie und sie zog fröstelnd die Schultern zusammen. Verdammt! Hatte sich denn alles gegen sie verschworen? Was jetzt?

In der Ferne hörte sie leises Donnergrollen, und plötzlich fiel ihr auf, dass sich der helle sonnige Tag verdüstert hatte. Und das nicht nur wegen des gestohlenen Autos. Mila drehte sich um und sah zum Himmel. Eine graue Wolkenwand schob sich über die Hügel hinter dem See. Es würde ein Gewitter geben. Sie schlang beide Arme um sich, presste die Finger in die Oberarme und versuchte nachzudenken. Am liebsten hätte sie geheult und mit den Füßen getrampelt, doch das würde zu nichts führen. Wie lange war sie gefahren, bevor sie das Schild zum...