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Cotton Reloaded - 50 - Tödliches Finale (Jubiläumsfolge)

Nadine Buranaseda

 

Verlag beTHRILLED, 2016

ISBN 9783732532865 , 228 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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2,49 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

Derzeit können über den Shop maximal 500 Exemplare bestellt werden. Benötigen Sie mehr Exemplare, nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf.


 

1


Die Tanzfläche vibrierte. Aus den Lautsprecherboxen wummerten treibende Technobeats. Stroboskoplicht brach sich in der überdimensionalen Discokugel über den Köpfen der tanzenden Menge und zuckte durch den überfüllten Club.

Saed wusste nicht, warum er ausgerechnet hier gestrandet war. Ihm blieb eine letzte Nacht. Vielleicht hatte der Promotion-Flyer, der ihm freien Eintritt verschafft hatte, den Ausschlag gegeben. Oder der Name des Clubs, der den Himmel auf Erden versprach, hier am Rande des Meatpacker Districts in Manhattan.

Der junge Mann zwängte sich zwischen den Gästen neben der abgesenkten Tanzfläche hindurch zur Bar. Das Funktion-One-Soundsystem sorgte dafür, dass er seine Bestellung in einer erträglichen Lautstärke aufgeben konnte. Kurz darauf stand ein Grey Goose Cranberry on the rocks vor ihm. Er blätterte ein paar Dollarscheine auf die Theke und erntete ein breites Zahnpasta-Werbung-Lächeln von der Barfrau. Die Höhe des Trinkgelds hob ganz offensichtlich ihre Laune. Saed lächelte zurück und nahm hastig einen Schluck. Der Wodka brannte in seiner Kehle. Bevor er husten musste, trank er das Glas in einem Zug leer. Mit zitternden Fingern fischte er den Cocktailspieß zwischen den aneinanderklirrenden Eiswürfeln heraus und zog ihn durch die Zähne. Die sauren Beeren zerplatzten an seinem Gaumen. Er verzog das Gesicht und bestellte einen weiteren Drink. Nach dem dritten Glas löste er sich von der Theke und ließ sich zum Dancefloor schieben. Sein Herz schlug im Rhythmus der Basedrum.

Boom. Boom. Boom.

Als er den Fuß auf die Tanzfläche setzte, erreichte das Stück gerade seinen Siedepunkt. Nach einem Break schraubte sich die Melodie in schwindelnde Sphären. Schwitzende Leiber wogten um ihn herum und wurden zu einem einzigen organischen Körper. Saed schloss die Aun und tauchte in die Musik ab. Minuten später ging eine Bewegung durchs Partyvolk. Automatisch riss Saed die Arme hoch und stimmte in das Kreischen ein, das die Menge Richtung DJ-Pult schickte. Manche formten mit Zeigefinger und Daumen ein Herz, dann tanzten sie selbstvergessen weiter. Die Gesichter um ihn herum, über die Scheinwerferstrahlen irrlichterten, verschwammen vor seinen Augen. Er lachte und leckte sich Speichel von den Lippen. Aus dem Kunstnebel schälte sich vor ihm plötzlich eine Frau Ende dreißig. Ihr Busen quoll aus dem Cocktailkleid, das sich bei jedem Schritt unvorteilhaft hochschob. Sie warf das braune Haar zurück, tanzte auf ihn zu und berührte mit der Hüfte seine Seite. Sie umkreiste ihn und schrie ihm irgendetwas ins Ohr.

»Was?«, brüllte Saed gegen den Beat an.

»Dein erstes Mal?«

Saed erstarrte für einen Augenblick. Bevor er etwas erwidern konnte, schlang die Frau die Arme um seinen Hals. Ihre Brüste drängten sich gegen seinen Oberkörper.

»Schüchtern, was?« Sie ließ ein Glucksen folgen, nahm seine schweißnasse Hand und zog ihn von der Tanzfläche auf eine Couch.

»Ich heiße …« Er versank im Polster.

»Schhh!« Die Braunhaarige legte den Finger auf seine Lippen. Ihre Augen funkelten.

Saed fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. Seine neue Bekanntschaft beugte sich zu ihm. Er spürte den Atem der Frau. Ihre Hand wanderte seinen Oberschenkel hinauf. Unvermittelt küsste sie ihn auf den Mund und drückte ihm die Zunge in den Hals. Sie schmeckte nach Nikotin und schalem Bier.

Noch nie in seinem Leben war Saed einer solchen Frau begegnet. Sie war eine Naturgewalt. Er vergaß die Zeit und alles um sich herum. Ihre Küsse wurden immer drängender, ihre Hände waren überall. Eine Hitzewelle nach der anderen überlief ihn. Er konnte sich ihr nicht mehr entziehen. Auch nicht, als sie schwankend aufstand und ihn zu den Toiletten dirigierte. Alles drehte sich um Saed. Die Neonröhren an den Wänden verzerrten sich zu einem grellen Lichttunnel. Für eine Sekunde fragte er sich, ob sie eine Professionelle war. Aber Huren küssten ihre Freier nicht und klärten das Finanzielle vorher. Er folgte ihr auf das Damen-WC. Sie stieß ihn in eine Kabine, schob die Tür mit dem Absatz ihres High Heels zu und nestelte an seiner Hose. Ohne ihn aus den Augen zu lassen, kniete sie sich vor ihn hin. Saed stöhnte auf und überließ sich ihrem weichen Mund. Als er kam, explodierte ein Feuerwerk in seinem Kopf.

Notdürftig säuberte sich Saed mit Klopapier und knöpfte die Hose wieder zu. Er fühlte sich elend.

Was hatte er getan?

Er war unwürdig!

Sie wischte sich über die Lippen. Saed verließ die Damentoilette fluchtartig und lief im Vorraum in eine Blondine, die ihm wilde Flüche hinterherrief. Er murmelte eine Entschuldigung und hastete zur Garderobe. Die Schlange davor nahm kein Ende. Saed fluchte, dann wandte er sich ab und bahnte sich ohne seine Jacke einen Weg zum Ausgang. Quälende Minuten später schaffte er es nach draußen und stolperte auf die Straße. Eisiger Wind schnitt ihm ins Gesicht und raubte ihm den Atem. Er torkelte in eine Seitenstraße und lehnte sich keuchend gegen eine Hauswand. Neben einem übel riechenden Müllcontainer erbrach er sich. Tränen rannen seine Wagen hinab. Er hatte die Kontrolle verloren. Saed warf den Kopf in den Nacken und schrie in die Nacht:
»Allah, vergib mir!«

*

Der Unterton in ihrer Stimme und das kurze Zögern, als er sie am Telefon gefragt hatte, wie es ihr gehe, hatten ihn hellhörig gemacht. Cotton hatte sich die Flugdaten durchgeben lassen und wartete seit einer halben Stunde vor dem Arrival Gate des JFK. Immer wieder öffneten sich die Schiebetüren und spülten eine Welle müder Fluggäste in die Ankunftshalle. Die meisten hielten den Kopf gesenkt und stützten sich auf ihren Gepäckwagen. Cotton ließ den Blick über die Wartenden schweifen. Die Familie, die sich um einen Klapptisch mit einem Fässchen Bier geschart hatte und kleine Deutschlandfahnen schwenkte, war schwer zu ignorieren. Cotton ertappte sich dabei, dass er sein Spiegelbild in einer Glasscheibe musterte und den Sitz seiner Krawatte korrigierte. Er hasste Krawatten und hatte dieses Exemplar vorhin erst bei Macy’s erstanden, bevor er nach Queens aufgebrochen war. Die Verkäuferin hatte ihm das Teil binden müssen, für so etwas hatte er kein Talent. Dafür hatte Cotton eine ungefähre Ahnung, warum er sich so in Schale geworfen hatte. In den vergangenen Monaten waren sie sich nähergekommen. Auf die Gefahr hin, dass sie ihn auslachte, wollte er sie an diesem Abend in ein Nobelrestaurant ausführen und ihr sagen, dass sie ihm nicht gleichgültig war. Nicht mehr. Sie hatten es nicht immer leicht miteinander gehabt. Im Gegenteil: Sie hatte ihn immer wieder spüren lassen, dass sie seine Art nicht schätzte. Der Wandel war von ihr ausgegangen. Cotton wusste noch immer nicht, was er anders gemacht hatte als sonst. Aber vielleicht hatte auch sie erkannt, dass hinter einer rauen Schale ein durchaus sympathischer Kerl steckte. Okay, vielleicht interpretierte er ihre Freundlichkeit ihm gegenüber auch falsch. Als sie ihm vorm Abflug angeboten hatte, sich doch endlich beim Vornamen zu nennen, hätte er sich fast am Kaffee verschluckt. Und hatte die Nacht danach kaum schlafen können. Ja, und es war auch vielleicht keine gute Idee, etwas mit einer Kollegin anzufangen. Aber in den letzten drei Wochen hatte er sie gegen seine Gewohnheit verdammt vermisst.

Cotton zog sein Handy hervor und drückte auf die oberste Nummer in der Anrufliste.

»Wo steckst …?«

»Cotton?«

Er schaute aufs Display und biss sich auf die Zunge. »Decker, sorry. Hab mich verwählt.«

»Sie können von Glück sprechen, dass ich noch nicht im Bett war.«

Sarah Hunter trat aus der Tür.

»Ich muss Schluss machen, Decker. Gute Nacht!« Er legte hektisch auf und kam sich wie ein verliebter Schuljunge vor. Und noch lächerlicher. Hunter steckte in einem grauen Trainingsanzug, darüber eine FBI-Regenjacke. Ihre kurzen braunen Haare lockten sich unter einem Baseballcap mit dem Logo des Federal Bureau of Investigation. Über der Schulter trug sie eine vollgestopfte Sporttasche.

»Alles in Ordnung?« Er küsste sie wie selbstverständlich auf die Wange und nahm ihr die Tasche ab.

»Ja, alles bestens«, sagte die Forensikerin matt. »Danke, dass du mich abholst.«

»Du musst mir alles über El Salvador erzählen, Sarah«. Das Land mit der höchsten Mordrate weltweit, fügte Cotton im Geiste hinzu.

Hunter winkte ab. »Das lassen wir besser bleiben.«

Sie liefen schweigend Richtung Ausgang.

Als er ihr im Parkhaus die Autotür aufhielt, sah sie ihn schief von der Seite an. »Musstest du dich so aufbrezeln, Jeremiah? Jetzt komm ich mir erst recht vollkommen underdressed vor.«

»Quatsch. Eine schöne Frau kann …« Er vollendete den Gedanken nicht.

Sie lächelte gequält. Sie sah wirklich bescheiden aus. Die Ringe unter ihren Augen waren so dick, dass sie wie aufgemalt wirkten. Sie war so abgemagert, dass sie sich im Jogginganzug verlor.

»Bist du noch verabredet?« Sarah ließ sich auf den Beifahrersitz des Dodge Challenger fallen.

»Äh …«

»Oder ist jemand gestorben?«

Cotton beugte sich zu ihr hinunter und sprach leise weiter. »Ich dachte, wir könnten eine Kleinigkeit essen gehen. Ich habe einen Tisch bei Daniel reserviert.«

»In dem noblen Schuppen in der Upper East Side? Mit Glück bekommt man da frühestens in einem halben Jahr einen Platz. Wen hast du dafür umgelegt?«

»Den Maître höchstpersönlich.«

»Das wär doch nicht nötig gewesen, Darling.«

»Sarah, mach keine Witze, ich würde gerne …« Cotton sah Tränen in ihren Augen schimmern. »Hab ich was Falsches gesagt?«

Hunter schüttelte heftig den Kopf und presste die Lippen aufeinander.

»Was ist denn los mit...