dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Cherringham - Ungebetene Gäste - Weihnachtsspecial

Matthew Costello, Neil Richards

 

Verlag beTHRILLED, 2016

ISBN 9783732531431 , 120 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

4,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

Derzeit können über den Shop maximal 500 Exemplare bestellt werden. Benötigen Sie mehr Exemplare, nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf.


 

1. Ein wundervoller Abend


Bill Vokes trat hinaus auf den Balkon des Gemeindehauses und betrachtete die weihnachtliche Szenerie.

Es hatte aufgehört zu schneien, und von hier oben sah der Abendhimmel funkelnd und klar aus, da sich die Wolken vorerst verzogen hatten. Überall glitzerten die schneebedeckten Dächer im Schein des aufgehenden Mondes.

Kaminrauch wehte träge aus den Schornsteinen.

Bill atmete das Gemisch herrlicher Düfte ein, die von der High Street aufstiegen: Kiefernharz, Äpfel mit Schokoglasur, Zimt, Glühwein …

Hm, sind das Donuts? Oder vielleicht dieser köstliche deutsche Kuchen? Zum Teufel, wie heißt der noch gleich? Ach ja, Stollen! Ich muss Emily daran erinnern, heute Abend welchen zu kaufen.

Seine Frau mochte diesen Kuchen fast so sehr wie er selbst.

Er sah hinab zur High Street: Mein Gott, was für ein Anblick von hier oben! Verdammt, der Gemeinderat sollte diesen Balkon das ganze Jahr über öffnen. Wir könnten den Tagesausflüglern ein Vermögen abknöpfen!

Er stützte die Hände auf die alte Sandsteinbrüstung und ließ seinen Blick über das Dorf wandern.

Der Weihnachtsmarkt erstreckte sich bis hinunter zum Ploughman und der Cherringham Bridge Road, und Bill sah Scharen von Menschen im warmen, orangenen Schein der Lichterketten, die an und zwischen den Buden hingen.

Einheimische, Touristen, Besucher aus anderen Dörfern und überall Kinder, die natürlich mit Schneebällen warfen. (Doch wen kümmerte das? Sollten sie ruhig ihren Spaß haben!) Leute unterhielten sich, lachten, lächelten, hatten Ballons in den Händen, kauften Geschenke, tranken Glühwein und teilten sich Tüten mit glühend heißen Maronen.

Direkt unter sich konnte Bill die Umrisse des diesjährigen Weihnachtsbaums sehen, dessen Lichter noch dunkel waren, aber bald erstrahlen würden.

Zur einen Seite gab sich Cherringhams Laien-Blaskapelle redliche Mühe, Jingle Bells zu spielen.

Vor den Musikern tanzte eine Handvoll sehr kleiner Kinder mit jener besonderen Ausgelassenheit, wie sie die Jüngsten zur Weihnachtszeit ergriff.

Bill beobachtete sie verzückt. Hin und wieder verlor eines der Kinder das Gleichgewicht und plumpste in den frischen Schnee, um sich sogleich mit einem aufgeregten Schrei wieder aufzurappeln und weiterzutanzen.

Wieder mal ein perfektes Cherringham-Weihnachten!, dachte er. Kann das Leben schöner sein?

Selbstverständlich war es kein Wunder, eine solch überwältigende Menschenmenge hier zu sehen – immerhin dürfte es nicht mehr allzu lange dauern, bis die Weihnachtsbeleuchtung feierlich eingeschaltet wurde.

Und danach wurden Geschenke an die Kinder verteilt. Eine vorzeitige Gabe vom Weihnachtsmann! Das Hauptereignis! Seine große Rolle!

Er wusste nicht mehr ganz genau, wann man ihn zum ersten Mal dazu überredet hatte, sich für diesen traditionellen Anlass als Weihnachtsmann zu verkleiden. Sicher könnte dabei auch sein beachtlicher Bauchumfang eine gewichtige Rolle gespielt haben – zumindest behauptete das die gute, alte Emily.

Aber er hatte es nie, niemals bereut. Rund zehn Jahre als Cherringham-Weihnachtsmann – und mit jedem Jahr machte es mehr Spaß.

»Fantastischer Zulauf, was, Bill?«

Bill drehte sich zu Praveer Singh um. Der Vorsitzende des örtlichen Rotary Clubs, ein guter Freund von ihm, trat auf den Balkon.

»Oh ja. Jemand da oben passt auf das Wetter auf«, sagte Bill und schüttelte Praveer die Hand.

»Das steht fest«, stimmte Praveer ihm zu. »Wenn es am heutigen Abend nicht mehr schneit, sollten wir eine hübsche Summe zusammenbekommen.«

»An einem Abend wie diesem? Und für solch einen guten Zweck? Wer da nichts geben will, muss schon ein elender Tropf sein.«

»Genau.«

»Die schönste Weihnachtsbeleuchtung in den Cotswolds, schätze ich«, sagte Bill. »Aber mit Todd sind wir ja auch klar im Vorteil – der beste Elektriker diesseits von Oxford.«

»Das kann ich nur unterschreiben. Übrigens, hast du ihn gesehen?«

»Er ist eben noch mal runter, um alles zu prüfen«, antwortete Bill. »Ich glaube, er ist wegen der neuen Anlage ein wenig nervös.«

Bill zeigte auf den kleinen Tisch, auf dem ein Laptop und ein Mikrofon lagen.

»Ah, Cherringham wird digital, was?«, entfuhr es Praveer.

»Ich muss gestehen, dass mir der alte Messinghebel fehlt«, sagte Bill. »Dieses Gefühl von Macht, wenn man zuschaut, wie erst der Baum erstrahlt – und dann alle anderen Lichter in der ganzen High Street.«

»Mich wundert eher, dass du nie mit erstrahlt bist«, erwiderte Praveer. »Dieser Schalthebel war eine echte Todesfalle.«

»Wenigstens machen wir immer noch den Countdown – den kann der Computer bisher nicht«, meinte Bill. »Apropos, wie lange noch?«

Er sah, wie Praveer auf seine Uhr blickte.

»Eine halbe Stunde, zumindest nach meiner. Alles klar bei dir?«

»Keine Sorge, alter Knabe«, antwortete Bill. »Mein Kostüm ist unten im Hausmeisterraum, und ich brauche nur ein paar Minuten, um es überzuziehen.«

»Der Bart auch?«, fragte Praveer. »Brauchst du dabei wirklich keine Hilfe?«

»Ich kenne das alles aus dem Effeff«, entgegnete Bill. »Jahrelange Übung.«

Bill bemerkte noch zwei Gestalten, die durch die offenen Glastüren auf den Balkon kamen.

»Roger! Cecil!«, begrüßte er die beiden. »Was für eine Freude, euch beide zu sehen!«

Eine glatte Lüge, dachte Bill, während er strahlend lächelte.

Roger Reed, Manager der einzigen Bank in Cherringham, hatte Bill wie Dreck behandelt, als er vor vielen Jahren neu in der Stadt war.

Und Cecil Cauldwell – der Chef von Cauldwell’s Fine Properties und ein Snob erster Güte (Emily zufolge) – war mehr als herablassend gewesen, als Bill sein erstes Cottage kaufte.

Tja, leben und leben lassen, dachte Bill. Schließlich ist jetzt Weihnachten …

»Haben Sie die Zeit im Blick?«, fragte Roger und tippte auf seine Armbanduhr. »Wird ein bisschen knapp für Sie, oder?«

»Das Timing ist entscheidend, wie Sie wissen, Bill«, sagte Cecil neben ihm. »Wir waren noch nie auch nur eine Sekunde zu spät.«

Als würde ich das Dorf enttäuschen, dachte Bill. Dennoch erwiderte er: »Recht habt ihr, Jungs. Ich geh jetzt mal lieber in meine Rolle schlüpfen, was?«

»Hm, ja, na ja«, sagte Cecil und blähte die wabbeligen Wangen noch mehr auf als sonst. »Wir wollen die Kleinen nicht warten lassen.«

Mit einem verstohlenen Zwinkern zu Praveer ging Bill durch die großen Glastüren in den oberen Saal des Gemeindehauses und in Richtung Treppe.

Bill sah in den Spiegel und klebte sich sorgfältig den weißen Rauschebart an.

Der Geruch des Klebstoffs versetzte ihn jedes Mal in seine Schulzeit in West London zurück: in den engen Backstage-Bereich voller Sechzehnjähriger, die äußerst unglaubwürdig als Shakespeare’sche Könige und Adlige kostümiert waren.

Fünfzig Jahre ist das schon her, dachte er. Kaum zu glauben.

Er griff nach unten in den Kostümkarton, nahm die große rote Mütze mit dem weißen Pelzrand und der dazu passenden Troddel heraus und setzte sie sich vorsichtig auf die weiße Perücke.

Dann trat er einen Schritt zurück und begutachtete sich.

Nicht schlecht. Vielleicht ein bisschen … weit.

Er richtete das Polster unter dem roten Kittel und zog den Gürtel enger.

»Ho, ho, ho!«, sagte er.

Na also! Perfekt.

Er prüfte, ob die weißen Handschuhe in seiner Hosentasche waren, dann sah er auf die Uhr. Zwanzig vor sechs.

Hm, dachte er, gerade noch genug Zeit für eine Zigarette … vor allem außer Sichtweite von Emily.

Er holte sein Feuerzeug aus der Jackentasche und eine einzelne Zigarette aus der Schachtel heraus. Dann verließ er den Lagerraum des Hausmeisters und ging den Flur hinunter. Vom letzten Jahr her kannte er die kleine Tür, die sie dort für Lieferungen nutzten. Hoffentlich war sie nicht abgeschlossen.

An der Tür hob er den Riegel und zog fest daran.

Ja!

Er öffnete die knarrende Tür und ging hinaus auf den Gehweg.

Hier, weit weg vom Trubel, war es sehr still.

Ein schöner Moment.

Er achtete darauf, nicht die Tür hinter sich zu schließen.

Ich will ja nicht hier draußen festsitzen, wenn die Show losgeht!

Er steckte sich die Zigarette in den Mund, zündete sie an und blickte sich um. Der Dorfplatz lag im Dunkeln; die Straßenbeleuchtung war abgeschaltet worden, um den Moment hervorzuheben, wenn die Weihnachtsbeleuchtung anging – vom einen Ende der High Street bis hinunter zum anderen.

Aber die muss ich erst mal einschalten!, dachte er.

Das Bell Hotel gegenüber war natürlich schon hell erleuchtet, und auch aus dem Angel auf dieser Seite schien etwas Licht heraus.

Ein Jammer, dass ich da jetzt nicht ein schnelles Pint trinken kann.

Sobald ich alle Geschenke verteilt habe, muss ich mich runter in den Ploughman schleichen …

An diesem Ende der High Street standen keine Buden; hier parkten lediglich die zahlreichen Transporter der Standbetreiber.

Bill stand ganz allein hier, was es umso unvorstellbarer machte, dass gleich auf der anderen Seite des Gemeindehauses solcher Trubel herrschen würde.

Er nahm noch einen Zug von seiner Zigarette und blies den Rauch in die Abendluft. Die Kälte ließ ihn frösteln, denn aufgrund des klaren Himmels fielen die...