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Cotton Reloaded - 49 - Killing in Memphis

Peter Mennigen

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2016

ISBN 9783732518203 , 133 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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2,49 EUR

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Was für eine beschissene Woche! Das Schicksal hatte sich richtig ins Zeug gelegt, um Joe Bennet das Leben zu vermasseln. Mit Erfolg, denn seit ein paar Minuten war er tot. Sein Leichnam trieb mit glasigen Augen und durchschnittener Kehle in den Fluten des Mississippi. Begraben von Unmengen Wasser und begleitet von ein paar Katzenwelsen, die um ihn herum Totenwache hielten.

In den Tagen zuvor hatte Joe seinen Job in einer Fischfabrik drüben in Memphis verloren, und gleichzeitig hatte seine Puppe die Biege gemacht. War mit einem Kerl aus Nashville durchgebrannt, inklusive seiner Ersparnisse, die Joe mit dem Ausweiden von Karpfen im Akkord in unzähligen Überstunden angesammelt hatte.

Als hätte er nicht schon genug Ärger gehabt, verführte die Flaute in seiner Brieftasche ihn zu einer Dummheit, die ihn schließlich als Leiche auf den Grund des Mississippi enden ließ. Was alles zusammengenommen für Joe unter der Rubrik »mies gelaufen« zu verbuchen gewesen wäre. Hätte er noch reden können.

Sein Mörder hieß Louis Baptiste, ein ausgesucht kraftstrotzendes Exemplar eines Hinterwäldlers in dunkelblauer Latzhose. Louis war erst knapp jenseits der vierzig. Ihm wuchsen kaum noch Haare auf dem wuchtigen Schädel. Neben fehlenden Vorderzähnen und einem grobschlächtigen Gesicht hatte er Oberarme so dick wie Elefantenbeine, mit gewaltigen Pranken, die einem ausgewachsenen Muli die Wirbelsäule brechen konnten, wenn sie es darauf anlegten. Joe war nicht der Erste, den er damit umgebracht hatte, und er würde bestimmt auch nicht der Letzte sein. Was Verstand anging, war es bei Louis damit nicht so weit her. Er war etwas behäbig im Kopf und besaß den fatalen Hang, erst jemanden krankenhausreif zu prügeln, bevor er ihm Fragen stellte.

Louis hatte Joe am frühen Morgen aus Memphis in die Sümpfe verschleppt, um die Sache mit dessen finanziellen Verpflichtungen im Kreise seiner Familie zu regeln.

Die Baptistes gehörten zum übelsten Abschaum, der sich am Mississippi finden ließ. Der Clan hatte sich gut fünf Kilometer südlich von Memphis entfernt inmitten der Einsamkeit der Bayous niedergelassen. Auf einem mehrere Hektar großen, dem sumpfigen Urwald durch Rodung abgerungenen Areal. Unmittelbar am Flussufer gelegen, der an der Stelle mit seinen dreihundert Metern nicht ganz so breit war wie anderswo, mit Distanzen von bis zu anderthalb Kilometern zwischen den Ufern. Träge schob der »Ol’ Man River« seine ockerbraunen Wassermassen in Richtung New Orleans der Deltamündung entgegen. Jetzt im Hochsommer, wenn die Sonne auf den Strom mit seinen sich tief in das Schwemmland verzweigenden Wasserarmen knallte, staute sich die aufgekochte Feuchtigkeit unter dem Blätterdach der Sumpfeichen, von deren Astwerk spanisches Moos wie verfilzte Haarsträhnen vom Schädel einer Mumie herabhing. Dann verwandelte die schwüle Hitze die Sümpfe in eine dampfende Sauna, die selbst die Alligatoren ins Schwitzen brachte.

Louis’ Sippschaft hauste in einer Ansammlung Holzbaracken mit von Sumpfmoos befallenen Wellblechdächern. Die Gebäude wirkten so einladend wie eine Todeszelle in San Quentin und machten auch keinen sehr stabilen Eindruck. Eher, als würde hier demnächst einiges zusammenbrechen. Ihre nebeneinander aufgereihten Vorderfronten verliefen parallel zum Fluss, von dem sie ein sechs Meter breiter Boardwalk trennte, unter dem sich fauliger Flussschlick ansammelte und den Bereich in eine übel riechende Kloake verwandelte. An den Pollern der Pier waren ein paar Schaluppen festgemacht, die auf den Wellen schaukelten.

Einen anderen Zugang als über den Wasserweg gab es nicht. Das bedeutete, die Baptistes lebten vollkommen isoliert. Keiner, der sich in der Gegend auskannte und halbwegs bei Verstand war, legte die Strecke zu Fuß durch die feindselige, mit Giftschlangen und Alligatoren verseuchte Welt der Bayous zurück, die sich ringsum Hunderte von Quadratkilometern weit erstreckte.

Links von den Hütten führte ein Lehmpfad zu einem Gatter, das ein morastiges Gehege von etwa vierzig Quadratmetern umschloss. Der Bereich wurde von den Baptistes als »Arena« bezeichnet. Auf einem hoch über dem Koppeltor befestigten Querbalken hatte jemand in groben Lettern die Worte eingeritzt: »Keiner verliert ein Wort über den Fight Club«, in Anlehnung an den ersten Grundsatz aus einem Film von David Fincher.

Etwa dreißig Meter hinter der »Arena« moderte ein lang gezogener Stall vor sich hin. Mit über zwanzig Boxentüren an der Längsseite, die sich im Ein-Meter-Abstand aneinanderreihten. Jede gesichert mit fingerdicken Eisenstäben und Riegeln. Irgendwas rammte von innen immer mal wieder dagegen. Etwas Großes, viel größer als ein Kampfhund. Wegen des Dämmerlichts in den Verschlägen konnte man von außen nicht erkennen, was genau darin eingesperrt sein mochte.

Wovon die Sippe lebte, wusste offiziell kein Mensch. Oberflächlich betrachtet verbrachte sie die Zeit damit, auf der Pier rumzulungern, in den Fluss zu spucken und Moskitos zu erschlagen. In Wahrheit war ihr Tätigkeitsbereich etwas breiter aufgestellt. Da war von illegalem Glücksspiel und Wettgeschäften die Rede, von Drogen und Prostitution, von Dienstleistungen als Schuldeneintreiber für Kredithaie und vom Vertickern schwarz gebrannten Alkohols.

An den Wochenenden ging es auf ihrem Gelände hoch her. Davon zeugten die Scherben zerbrochener Flaschen, die die Pier übersäten. Die Überreste stammten von hundert und mehr Besuchern, die sich an solchen Abenden auf dem Gelände einfanden. Manchmal schifften die Baptistes auch Huren aus den Bordellen vom Mississippidelta ein. Allerdings waren die Prostituierten nicht der Grund für den Rummel. Den Besuchern ging es in erster Linie um die grässlichen Dinge, die sich in der »Arena« abspielten und auf deren Ausgang gewettet wurde, was das Zeug hielt. Nicht selten wechselten an einem Abend mehrere Zehntausend Dollar von der Verlierer- auf die Gewinnerseite. Unabhängig vom Kampfausgang sackten die Baptistes von jeder platzierten Wette ein Fünftel für den Familienbetrieb ein. Allein von dem Erlös hätte sich die Sippschaft längst ein luxuriöseres Leben leisten können. Wieso sie stattdessen lieber in Hütten hausten, blieb eines der ungelösten Rätsel der Bayous.

Zu den Wettverlierern des vergangenen Wochenendes hatte auch Joe Bennet gezählt. Als altem Stammkunden hatten die Baptistes ihm eine kleine Zahlungsfrist eingeräumt, die er dummerweise verstreichen ließ.

Deswegen hatte Louis ihn in die Sümpfe verschleppt. Bevor er ihn dann kaltgestellt hatte, hatte Joe noch versucht, ihm das Vorhaben auszureden: »Okay, lass mich das erklären, Louis.«

»Du hast eine Wette verloren und schuldest uns Kohle, Joe«, erinnerte der ihn. »Was gibt es da zu erklären?«

»Ich möchte dir gern meine finanzielle Lage anschaulich vermitteln.« Joe griff mit beiden Händen in seine Hosentaschen und zog die Innenfutter heraus, sodass die Stoffbeutel außen runterbaumelten. »Siehst du meine leeren Taschen? Tja, so sieht’s finanziell bei mir aus. Was willst du jetzt tun? Mich umlegen?«

»Was ist hier los?« Louis’ Vater stellte eine Kiste voll Krabben auf der Pier ab und trat vor seinen unfreiwilligen Gast, dessen Gesicht schlagartig eine glänzende Schicht Angstschweiß überzog.

Henry Baptiste war ein Fettsack, der in seinem Leben mehr Zeit hinter Gittern gesessen hatte als ein Wellensittich. Während sich die Stirnglatze des Mittsechzigers immer weiter Richtung Kopfmitte vorarbeitete, baumelten ihm im Genick die verfilzten Zottelhaare bis auf die Schultern runter. Henry trug mit Vorliebe eine schmuddelige Arbeitshose, die den Flicken nach schon sein Vater von dessen Vater geerbt hatte. Über dem Gürtel beulten mehrere wulstige Fettringe sein farbloses Hemd aus.

»Joe will uns auf seinen Wettschulden sitzen lassen«, klärte Louis seinen Erzeuger auf.

Der verzog die Mundwinkel und nickte bedächtig, als ließe er sich die Problematik durch den Kopf gehen, bevor er meinte: »Ich will dich jetzt nicht mit unseren Geschäftsbedingungen überfordern, Joe, aber wenn du uns das Geld nicht gibst, das du uns schuldest, landet du im Jenseits.«

»Und zwar jetzt hier und heute«, meldete sich Henrys zweiter Stammhalter zu Wort.

Vincent Baptiste machte mit dem dünnen Oberlippenbart, der gepflegten Kurzhaarfrisur und in einem hellgrauen Anzug optisch mehr her als Henrys andere Söhne, was jetzt nicht viel heißen wollte. Im Gegensatz zu seinen Brüdern konnte Vincent aber zumindest ab und an eine Begleiterin vorweisen, die sich ihre Gesellschaft nicht nach Stundentarif bezahlen ließ. Dabei handelte es sich ausschließlich um Mexikanerinnen. Nicht, weil er auf Latinas stand wie ein Texas Ranger auf blutige Steaks, sondern aus praktischen Erwägungen. Wurde einmal eine von ihnen ungewollt schwanger oder sonstwie lästig, genügte ein Tipp an die Einwanderungsbehörde, um das Problem zurück über die Grenze und ihm aus den Augen zu schaffen.

Da Joe nichts erwiderte, fuhr Vincent fort: »Sonst verschwindest du von der Bildfläche. Dann wird alles, was die Spurensicherung von dir noch findet, ein Haufen Alligatorenkacke mit deiner DNA sein.«

Vincent war in Begleitung von Damien Baptiste, dem jüngsten Spross und dem Fliegengewicht der Familie. Einem dürren Blondschopf, der morgens im Spiegel verzweifelt nach einem Barthaar Ausschau halten musste, um es abrasieren zu können. Mutter Natur hatte dem Blässling mit seinem hageren, einem Totenschädel nicht unähnlichen Gesicht zum Ausgleich für die fehlende Muskelmasse etwas mehr Grips als seinen Brüdern spendiert. Es war jetzt nicht so, dass er Shakespeare rezitieren konnte, doch immerhin kannte er alle sechsundzwanzig Buchstaben des Alphabets und beherrschte halbwegs das kleine...