dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Heiratsmarkt

Georgette Heyer

 

Verlag beHEARTBEAT, 2017

ISBN 9783732531745 , 540 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

6,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

Derzeit können über den Shop maximal 500 Exemplare bestellt werden. Benötigen Sie mehr Exemplare, nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf.


 

2. KAPITEL


Als der Marquis wenig später sein Haus betrat, fiel sein Blick als Erstes auf einen Brief, der auf einem der beiden Konsolentischchen aus Ebenholz und Goldbronze lag. Die Anschrift war in großen, schwungvollen Buchstaben geschrieben, und die blassblaue Oblate, die das Schreiben versiegelte, war nicht aufgebrochen. Mr. Charles Trevor, der vortreffliche Sekretär des Marquis, hatte auf einen Blick erkannt, dass es von einer der zarten Schönheiten stammte, die zeitweise die sprunghafte Aufmerksamkeit Seiner Gnaden fesselten. Alverstoke übergab Hut, Handschuhe und den verschwenderisch mit Schultercapes versehenen Kutschiermantel, der Miss Kitty Buxteds Bewunderung erregt hatte, den Händen des wartenden Lakaien. Dann nahm er den Brief an sich und schlenderte damit in die Bibliothek. Als er die Oblate brach und das kreuz und quer beschriebene Blatt entfaltete, stieg Ambraduft in seine empfindliche Nase. Sein Gesicht nahm einen Ausdruck des Widerwillens an, er hielt den Brief auf Armeslänge von sich weg und tastete nach seinem Monokel. Flüchtig überflog er das Schreiben und warf es dann ins Feuer. Fanny, entschied er, wurde allmählich unerträglich langweilig. Eine blendende Erscheinung, aber wie so viele erstklassige Kurtisanen bekam sie nie genug. Jetzt wollte sie ein Paar cremefarbener Pferde für ihren Landauer – vergangene Woche war es ein Diamantkollier gewesen. Das hatte er ihr geschenkt, und es würde als Abschiedsgeschenk dienen.

Der widerliche Duft, mit dem sie ihren Brief besprengt hatte, schien an seinen Fingern zu haften. Er wischte sie eben sorgfältig ab, als Charles Trevor hereinkam. Der Lord blickte auf, und als er den fragenden Blick seines Sekretärs sah, erklärte er ihm sehr freundlich, dass er Ambra nicht ausstehen konnte.

Mr. Trevor erwiderte zwar nichts, aber die Bedrückung war ihm so deutlich anzusehen, dass Alverstoke sagte: „Stimmt! Ich weiß, was Sie denken, Charles, und Sie haben völlig recht – es ist Zeit, dass ich der schönen Fanny den Laufpass gebe.“ Er seufzte. „Ein nettes Stückchen Wild, aber ebenso dumm wie habsüchtig.“

Wieder sagte Mr. Trevor nichts. Es wäre ihm sehr schwergefallen, sich äußern zu müssen, denn er war sich über das delikate Thema nicht im Klaren. Als Moralist konnte er die Lebensweise seines Arbeitgebers nur beklagen und als Mensch mit tief verwurzelten ritterlichen Idealen tat ihm die schöne Fanny leid. Aber als Mann, der genau wusste, wie großzügig Seine Lordschaft der Dame gegenüber gewesen war, musste er zugeben, dass sie keinen Grund zur Klage hatte.

Charles Trevor war der Sohn einer großen Familie. Er verdankte seine gegenwärtige Stellung dem Umstand, dass sein Vater kurz nach der Weihe den Posten eines Lehrers und Erziehers bei dem Vater des gegenwärtigen Marquis erhalten und ihn auf einer ausgedehnten Kavalierstour begleitet hatte. Ein behaglicher Lebensunterhalt war nicht sein einziger Lohn. Sein adeliger Schüler blieb ihm aufrichtig zugetan und wurde Pate seines ältesten Sohnes. Er erzog dann seinen eigenen Sohn in der vagen Überzeugung, Seine Hochwürden, Laurence Trevor, besitze einen Anspruch auf dessen Gönnerschaft.

Als daher Seine Hochwürden Laurence dem gegenwärtigen Marquis Charles als einen passenden Anwärter auf den Posten eines Sekretärs vorschlug, hatte ihn Alverstoke bereitwillig aufgenommen. Charles hegte nicht den Wunsch, Geistlicher zu werden, war jedoch ein ernsthafter junger Mann von untadeliger Moral. Alles, was er über Alverstoke gehört hatte, nährte in ihm die Befürchtung, seine Ernennung würde sich nur als Demütigung seiner moralischen Grundsätze erweisen. Da er aber außer Vernunft auch eine große Kindesliebe besaß und er wusste, dass es für einen mäßig bemittelten Geistlichen keine leichte Aufgabe war, für einen sechsten Sohn zu sorgen, behielt er seine Befürchtungen für sich und versicherte seinem Vater, er würde sein Bestes tun, um dessen Erwartungen nicht zu enttäuschen. Er tröstete sich mit der Überlegung, dass es für ihn als Bewohner des Alverstoke-Palais sicherlich leichter sein musste, eine günstige Gelegenheit zu finden und am Schopf zu packen, als wenn er müßig in einer Landpfarre herumsaß.

Da sein Interesse der Politik galt, hatte sich die günstige Gelegenheit bisher noch nicht geboten, denn der Marquis teilte Charles’ Ehrgeiz durchaus nicht und erschien daher nur selten im Oberhaus. Aber Charles durfte die kurzen Reden schreiben, von denen sein Gönner meinte, es zieme sich, sie zu halten. So konnte er ihn zumindest hier und da mit seinen eigenen politischen Überzeugungen beglücken.

Mit der Zeit schloss Charles Alverstoke mehr und mehr in sein Herz. Alverstoke interessierte sich zwar nicht für seine Angelegenheiten, aber Charles musste zugeben, dass dieser wenig Ansprüche an seine Pflichterfüllung stellte, liebenswürdig und nie unangenehm hochnäsig war. Wenn er die Briefe eines Studienkollegen las, der eine ähnliche Stellung innehatte dann wusste Charles, dass er selbst Glück gehabt hatte. Dessen Dienstgeber schien seinen Freund nämlich als eine Kreuzung zwischen einem schwarzen Sklaven und einem höheren Dienstboten zu betrachten. Alverstoke konnte einen anmaßenden Emporkömmling vernichtend abblitzen lassen. Wenn sich sein Sekretär hingegen einmal irrte, dann wies er in einer einwandfreien Art auf seinen Fehler hin - ohne jede Andeutung einer gesellschaftlichen Überlegenheit. Charles’ Freund wurden kurz angebundene Befehle hingeworfen – Charles dagegen wurde höflich ersucht. Sosehr es Charles auch versuchen mochte, er konnte sich Alverstokes Charme nicht entziehen, so wenig, wie er ihm die Bewunderung für seine Reitkunst und seine Leistungen auf vielen sportlichen Gebieten vorenthalten konnte.

„Aus Ihrem zögernden Ausdruck und schüchtern einfältigen Benehmen schließe ich“, sagte der Marquis mit einem leicht amüsierten Blick, „dass Sie sich gezwungen sehen, mich noch an eine weitere Verpflichtung zu erinnern. Ich gebe Ihnen einen Rat: Tun Sie es nicht! Ich werde es äußerst ungnädig aufnehmen und sehr wahrscheinlich wütend werden.“

Ein Grinsen vertrieb den Ernst aus Mr. Trevors Gesicht. „Das werden Sie nie, Sir“, sagte er schlicht. „Und eine Verpflichtung ist es nicht – zumindest meiner Meinung nach. Nur dachte ich, Sie möchten es gern wissen.“

„Oh, wirklich? Meiner Erfahrung nach ist dieser Satz immer, wenn er geäußert wird, das Vorspiel zu irgendetwas, das ich lieber nicht weiß.“

„Das stimmt“, sagte Mr. Trevor. „Aber ich möchte, dass Sie diesen Brief doch lesen. Ich habe nämlich Miss Merriville versprochen, dass Sie es tun werden!“

„Und wer ist Miss Merriville?“, frage Seine Gnaden.

„Sie sagte, Sie wüssten es, Sir.“

„Charles, Sie sollten mich wirklich besser kennen, als anzunehmen, dass ich mir die Namen aller ...“ Er schwieg und runzelte die Stirn. „Merriville“, wiederholte er nachdenklich.

„Ich glaube, Sir, irgendeine Verwandte von Ihnen.“

„Sehr entfernt verwandt! Was, zum Teufel, will sie denn?“

Mr. Trevor reichte ihm einen versiegelten Brief. Der Marquis nahm ihn, sagte aber streng: „Es geschähe Ihnen ganz recht, wenn ich ihn ins Feuer werfen würde. Ich sollte es Ihnen überlassen, der Dame zu erklären, wie es kam, dass Sie doch nicht imstande waren, dafür zu sorgen, dass ich ihn lese!“ Er brach das Siegel und öffnete den Brief. Als er ihn gelesen hatte, sah er auf und richtete den Blick gequält auf Mr. Trevor. „Sind Sie eigentlich ein bisschen unpässlich, Charles? Gestern Abend gebummelt und heute nicht so ganz in Ordnung?“

„Nein, natürlich nicht!“, sagte Mr. Trevor entsetzt.

„Also – wieso benehmen Sie sich, um Himmels willen, plötzlich so eigenartig?“

„Ich bin ganz in Ordnung! Das heißt ...“

„Nein, das kann nicht stimmen. In den drei Jahren unseres Beisammenseins haben Sie es noch nie versäumt, mich bei meinen zudringlichen Verwandten zu verleugnen. Aber die Armen unter ihnen auch noch zu ermutigen ...“

„Das sind sie bestimmt nicht, Sir! Sie dürften vielleicht nicht gerade reich sein, doch ...“

„Arme Verwandte“, wiederholte Seine Gnaden energisch. „Wenn man bedenkt, dass schon meine Schwester glaubt, sie lebe am Grosvenor Place abseits von der Welt, was kann man dann von Leuten halten, die sich zur Upper Wimpole Street bekennen? Und wenn ...“, er warf einen Blick auf den Brief, „und wenn diese F. Merriville die Tochter des einzigen Familienmitglieds ist, das ich am allerwenigsten gekannt habe, dann können Sie sich darauf verlassen, dass sie keinen roten Heller besitzt und hofft, ich würde so nett sein und diesen Zustand kurieren.“

„Nein, nein!“, sagte Mr. Trevor. „Ich hoffe, ich weiß Besseres, als solche Leute zu ermutigen!“

„Ich auch“, stimmte ihm Seine Gnaden zu. Er hob fragend eine Braue. „Freunde von Ihnen, Charles?“

„Ich habe sie noch nie zuvor im Leben gesehen, Sir“, antwortete Mr. Trevor steif. „Ich darf Euer Gnaden versichern, dass ich es für sehr ungehörig hielte, Freunde von mir Ihrer Aufmerksamkeit...