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Rock Kiss - Bis der letzte Takt verklingt

Nalini Singh

 

Verlag LYX, 2017

ISBN 9783736303706 , 399 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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1


Sarah wusste, dass Abe heute schlecht drauf sein würde. So wie immer, wenn sich Tessies Todestag jährte … Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass das Datum mit dem Tag ihres Kennenlernens zusammenfiel. Jede Freude darüber, mit ihr zusammen zu sein, wurde unter einer schwarzen Wolke der Trauer erstickt, die sich herabsenkte, sobald die Uhr Mitternacht schlug.

Sie verstand, dass Tessie an erster Stelle kam, das schon immer so gewesen war, und empfand keine Eifersucht. Wie könnte irgendjemand auf ein süßes Mädchen eifersüchtig sein, dessen Leben nach nur acht Jahren grausam ausgelöscht worden war? Es schien himmelschreiend ungerecht, dass dieses unschuldige Wesen tot war, während so viel Böses in der Welt fortbestand.

Nein, Sarah würde niemals eifersüchtig auf Abes geliebte kleine Schwester sein.

Das Einzige, was sie wollte, war, für ihn da zu sein. An ihrem ersten Jahrestag hatte er sich geweigert, sie an seiner Trauer teilhaben zu lassen, doch inzwischen waren sie fast zwei Jahre verheiratet. Es war an der Zeit, den Stier bei den Hörnern zu packen und Abe begreiflich zu machen, dass sie ihm immer zur Seite stehen würde – im Dunkel wie im Licht. In guten wie in schrecklichen Zeiten.

Wieso er das nicht längst erkannt hatte, konnte sie nicht sagen. Sarah hatte ihrem Mann während seiner Drogenabhängigkeit, seinen Entziehungskuren und Rückfällen beigestanden. Sie hatte ihn auf jedem Schritt seines Weges begleitet, ohne sich ein einziges Mal von ihm abzuwenden, trotzdem war ihm offenbar nicht klar, dass sie alles für ihn geben würde, sogar ihr Leben.

Sie liebte ihn mit einer Aufopferungsbereitschaft, die ihr Angst machte.

Sarah wusste, dass er ihre Liebe nicht erwiderte. Aber das war okay. Das konnte sie akzeptieren, immerhin hatte sie nie erwartet, von einem derart umwerfenden Mann wiedergeliebt zu werden. Zumindest begehrte Abe sie, er brauchte sie und war wundervoll zu ihr, wenn er seinen Körper nicht gerade mit Drogen und Alkohol vergiftete. Erst letzten Monat hatte er sie überrascht, indem er mit ihr an der Aufzeichnung ihrer Lieblingsfernsehshow teilgenommen hatte. Und die Art, wie er sie berührte … als wäre sie kostbar.

Es war mehr, als sie je zu finden geglaubt, mehr Wertschätzung, als sie sich je von irgendjemandem erhofft hatte. Könnte sie ihm doch nur im Gegenzug bei seinem Kummer helfen.

Vier Jahre waren vergangen, seit Abe und seine Familie Tessie nach dem raschen Ausbruch einer Krankheit, gegen die sie chancenlos gewesen war, beerdigt hatten, doch der Verlust war noch immer eine offene Wunde in ihm.

Auf Außenstehende mochte er den Eindruck erwecken, vor seinem Seelenschmerz kapituliert zu haben, aber Sarah kannte die Wahrheit. Ihr Ehemann war von tiefem Zorn erfüllt. Er hielt ihn in sich verschlossen, brüllte das Schicksal nur im Stillen an, dennoch erlosch seine Wut nie. Und manchmal, wenn sie zu übermächtig wurde und er sie nicht mehr bezähmen konnte, nahm er Drogen und verwandelte sich in einen Mann, den sie nicht kannte. Dann raste er wie ein Tobsüchtiger.

Zertrümmerte Möbel und Löcher in den Wänden – an all das war Sarah gewöhnt. Doch ganz gleich, wie fürchterlich seine Stimmung war, wie viel Gift durch seine Adern strömte, Abe hatte seine Rage noch nie an ihr ausgelassen. Er reagierte sich an Stein und Beton ab, bis seine Fingerknöchel bluteten, die zu bandagieren er ihr nicht erlaubte.

Beim letzten Mal hatte sie in ihrer Verzweiflung David angerufen. Der Schlagzeuger war gekommen und hatte Abe gut zugeredet, bis er sich beruhigte.

Sie hoffte, dass sich diese Nacht nicht als schmerzhaftes Echo entpuppen würde. Bitte, lass Abe heute die Nerven behalten.

Ihr Herz pochte in der nächtlichen Stille, als sie barfuß den Gang des luftig gestalteten, hell erleuchteten Hauses entlangtappte und die Tür des Musikzimmers aufdrückte, wo in einsamer Pracht ein schwarzer Stutzflügel stand.

Die Schutzhülle war heruntergezogen und beiseite geworfen worden, sodass das herrliche Instrument im Mondlicht glänzte, das durch die hauchzarten Vorhänge vor den gläsernen Faltflügeltüren rechts davon hereinschien.

Diese standen offen, und die Vorhänge wehten in der sanften Brise.

»Abe?«, rief sie, als sie ihn nirgendwo im Zimmer entdeckte.

Sie trat hinaus auf die Terrasse, deren Steinboden rau gegen ihre Fußsohlen rieb. Der Pool schimmerte im Mondschein, der Rasen lag dank der Pflege, die ihm die Gärtner jede Woche angedeihen ließen, da wie ein samtiger grüner Teppich.

Sarah hätte gern einen eigenen Garten angelegt und hübsche, fröhliche Blumen gepflanzt, aber was wusste sie schon vom Gärtnern? Wahrscheinlich würde sie ein peinliches Kuddelmuddel anrichten und die makellosen, von den Experten kreierten Beete voll Rosen verwüsten, die so viel eleganter und anmutiger waren als Sarah je sein würde.

Sie zupfte den Saum ihres kurzen, golden funkelnden Kleids zurecht, das sie zum Abendessen – welches Abe in brütendem Schweigen verbracht hatte, bevor er aufgestanden und nach draußen verschwunden war – angezogen hatte. Dabei löste sie den Blick von den schneeweißen Rosen, die an einer Seite des Hauses emporrankten, und ließ ihn über den Rasen bis zu den Bäumen an der Grundstücksgrenze schweifen. Manchmal zog Abe sich nachts dorthin zurück, aber heute konnte sie ihn selbst im Mondschein nirgendwo entdecken.

Ihr Herz begann zu rasen. »Abe?«

Dieses Mal war er seit einem Monat clean, aber wenn etwas einen Rückfall auslösen konnte, dann Tessies Todestag. »Abe!«

Ihre Stimme hallte durch die silbrige Nacht.

Während sie ins Haus zurückkehrte fragte Sarah sich, ob er in die Stadt gefahren sein könnte, um sich zu betrinken oder mit einem seiner Bandkollegen einen draufzumachen. Errötend stellte sie fest, dass sie etwas Schmutz hineingetragen hatte, darum ging sie schnell noch mal nach draußen und wischte sich die Füße am Türvorleger ab. Manchmal befürchtete sie, dass es ihr niemals gelingen würde, sich kultiviert und damenhaft zu geben, um den Anschein zu erwecken, in Abes Welt zu gehören.

Nicht in die oberflächliche Glitzerwelt eines Rockstars. Das könnte sie vorgaukeln.

Nein, es war die Welt der Bellamys, in der sie sich verloren fühlte. Elite-Universitäten, altes Geld und Menschen, die Wörter benutzten, welche Sarah nur aus den Büchern kannte, die ihr ein Leben lang treue Freunde gewesen waren. Da sie so viel las, verstand sie die Worte zumindest, auch wenn sie nicht alle aussprechen konnte. Und das war doch schon mal was.

Einmal hatte sie Abe gestanden, wie unterlegen sie sich fühlte, aber er hatte nur verständnislos den Kopf geschüttelt. »Du bist perfekt, Sarah. Klug und wunderschön.« Er hatte den Arm um ihren Hals gelegt und sie an seinen warmen, muskulösen Körper gezogen. »Wie du weißt, habe ich selbst keinen protzigen Abschluss. Hör auf, dir Gedanken zu machen.«

Danach war es ihr zwar besser gegangen, trotzdem konnte sie seinen Rat nicht befolgen, die Sorgen nicht abstellen. Abe mochte auf ein Diplom verzichtet haben, um stattdessen eine Karriere als Rockmusiker anzustreben, aber er war als klassischer Pianist ausgebildet und spielte schon seit seiner Kindheit. Und im Gegensatz zu ihr könnte er eine Elite-Universität besuchen, falls er es wollte. Seine Mutter Diane hatte ihr voll Stolz von seinen außerordentlichen schulischen Leistungen erzählt.

Von allen Leuten in Abes Umfeld bewunderte Sarah Diane Bellamy am allermeisten. Sie musste nie die Stimme erheben, um Aufmerksamkeit zu erringen, ihre Persönlichkeit und stille Grazie besorgten das von selbst. Sarah wünschte sich so sehr, sie wäre wie sie, elegant und selbstbewusst und sich ihres Platzes in der Welt gewiss.

Nachdem sie die Erde mit einem Taschentuch von den glänzenden Holzdielen entfernt hatte, knüllte sie es zusammen und steckte es wieder in die Tasche ihres trägerlosen Paillettenkleids, die bei einem Clubbesuch gerade mal Platz für ein Handy und einen Ausweis bot. Sie hatte es heute Abend angezogen, weil sie sich darin hübsch fand, aber mehr noch, weil Abe sie beim letzten Mal, als sie es trug, zu einem leidenschaftlichen Kuss zu sich herangezogen hatte.

»Abe?«, rief sie wieder, dabei stahl sich ein Zittern in ihren hoffnungsvollen Ton.

Sie spürte einen Kloß im Hals.

Er hatte sie wieder allein gelassen, war verschwunden, um sich ohne sie seinen Dämonen zu stellen – wahlweise in Gesellschaft der Menschen, die er tatsächlich liebte: Fox, Noah und David, seine Bandkollegen und besten Freunde.

Sarah wusste, dass sie ihnen dankbar sein sollte, und sie war es auch. Sie würde alles akzeptieren, was Abe half. Sie wünschte nur, er würde sie nicht ausschließen. Seine Reserviertheit war wie eine Steinmauer, die sie nicht durchbrechen konnte, egal, wie sehr sie sich anstrengte.

Trotz all der guten Zeiten in ihrer Ehe, der Momente, in denen sie zusammen lachten, der vielen Nächte, die sie eng umschlungen verbrachten, waren sie sich nie mehr so nah gewesen wie in der Nacht ihrer ersten Begegnung.

Er war allein gewesen an jenem Abend und so schutzlos in seinem Schmerz, dass sie das tiefe Bedürfnis überkommen hatte, ihn zu trösten. Sie hatte ihn in den Armen gehalten und ihm später dann ihren Körper geschenkt. Damals hatte sie nichts von Tessies Tod gewusst, sondern nur gespürt, dass er sie brauchte und sie diesem Mann, der ihrer Seele Leben einhauchte, alles geben wollte. Nicht einmal die Erkenntnis, dass er in einer...