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Ein MORDs-Team - Band 14: Verloren und Vergessen (All-Age Krimi)

Andreas Suchanek

 

Verlag Greenlight Press, 2016

ISBN 9783958342279 , 120 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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2,49 EUR


 

*

 

Innenstadt von Maple Peaks, Praxis von Doktor Janus March


Ein Samstagmittag

 

Sonja trank einen weiteren Schluck des Minztees. Der beigemengte Honig verlieh dem Ganzen eine süßliche Note. Eine wohlige Wärme breitete sich in ihrem Magen aus. Auch Cat verzichtete dankenswerterweise kurz auf das Overacting und trank einfach schweigend.

Stille. Sie tat so gut.

Sie hatten Doktor March über die Aufklärung des King-Falls zurück in die 80er gelotst und dabei auch den schrecklichen Mord an den beiden Zwillingen angesprochen. Die Kurve war sauber genommen, der Arzt schöpfte bisher keinen Verdacht.

Zumindest wirkte er völlig entspannt, vielleicht ein wenig betrübt, als er die Tasse abstellte. »Ja, es war eine traurige Geschichte. Hier in Maple Peaks gibt es kaum Verbrechen, sieht man von den üblichen Bagatellen ab. Die Sache war ein Schock für uns alle. Dass ich Katrina Parker als Klient angenommen habe, war dann eher ein Zufall.«

»Wie das?«, fragte Sonja, ganz die neugierige Hausfrau spielend.

»Ein alter Freund hat mich darum gebeten«, erklärte er. »Philipp van Straten. Er hatte bis vor Kurzem eine Anwaltskanzlei in Barrington Cove.«

»Oh, ja, ich habe von ihm gehört«, sagte Sonja. »Eine traurige Sache.«

March nickte gedankenverloren. »Die Schatten der Vergangenheit lassen uns nicht los. Nun, Mrs. Parker litt unter massiver Paranoia. Immer wieder sprach sie von Familien, die sie und die Kinder umbringen wollten, weil sie sie gefunden hätten und von der Sache wüssten.«

Sonjas Nackenhaare stellten sich auf. Bisher waren sie davon ausgegangen, dass allein die Tatsache, dass die Parkers der fünften Dynastie angehört hatten, deren Tod verursacht hatte. Doch gab es da vielleicht noch mehr? »Zweifellos völlige Paranoia.«

March nickte. »Absolut. Sie wollte auch nicht genauer darauf eingehen, um was für eine Sache es sich überhaupt handelte. Sie wollte mich nicht in Gefahr bringen, immerhin sei das schon ihrem Mann zum Verhängnis geworden.«

»Aber … starb der nicht einige Jahre zuvor? Das … habe ich irgendwo gelesen. Vielleicht irre ich mich ja.« Sie trank einen weiteren Schluck Tee.

»Da haben Sie ganz recht«, sagte March. »Auch eine traurige Sache. Ein Autounfall. Tragisch, doch unabwendbar. Das Auto der Familie war wohl länger nicht gewartet worden, die Bremsen müssen versagt haben. Jedenfalls stürzte es ins Meer, in der Nähe von Maple Peaks. Das muss der Auslöser für den Verfolgungswahn gewesen sein.« Er seufzte, trank einen weiteren Schluck. »Von da an hat Katrina Parker einen Beschützerinstinkt gegenüber ihren Kindern entwickelt. Das ging sogar so weit, dass sie glaubte, der Tod sei der einzige Ausweg.«

»Der absolute Schutz vor jedem weltlichen Unheil«, flüsterte Sonja.

March nickte. »Genau. Das einzig Verblüffende an der Sache war, dass sie anfangs vehement bestritt, dass sie den Kindern etwas angetan hat. Sie bestand darauf, dass der Sheriff einen Suchtrupp ausschickte. Dann, plötzlich, gab sie alles zu. Solch abrupte Veränderungen der Psyche in einem so fortgeschrittenen Stadium sind sehr ungewöhnlich.«

»Entsetzlich«, hauchte Sonja. »Aber warum wurden die Leichen nie gefunden?«

»Das ist eine weitere Absonderlichkeit«, gab March zu. »Sie gestand, die beiden Kinder von einer Klippe gestoßen zu haben. Maple Peaks hat keine Küste. Sie ist also eine ordentliche Strecke gefahren, bis sie eine erreichte. Kennen Sie das Devils Cross?«

Sonja schluckte. Es gab wohl niemanden in Barrington Cove, der diese gemeine Stelle nicht kannte. Sie lag weit außerhalb der Stadt. Eine kleine Landzunge ragte ins Meer, eingerahmt von scharfkantigen Felsen, umgeben von einer starken Meeresströmung. Zahlreiche Schiffe waren dort schon zerschellt.

Tatsächlich war es dem Devils Cross zu verdanken, dass der alte Leuchtturm von Barrington Cove in den frühen 90ern aufgegeben worden war. Schiffe, die sich daran orientiert hatten, waren der Strömung gefährlich nahegekommen. Der neue Leuchtturm ließ die Suchenden in der Nacht auf einem anderen Kurs in den Hafen einlaufen.

»Natürlich«, sagte sie.

»Dort hat sie die beiden heruntergestoßen. An der gleichen Stelle, an der auch der Ehemann umgekommen ist.«

Eine schlaue Geschichte, befand Sonja. Die Strömung hätte die Zwillinge nach unten gezogen und meilenweit vor die Küste getragen. Niemand hätte sie je gefunden. Dass dieser Ort Jahre zuvor dem Vater der Familie zum Verhängnis geworden war, machte es sogar glaubwürdiger. Da Corey in Wahrheit auf Angel Island umgekommen war und Wendy noch lebte, konnte all das nur erfunden sein. Ein sehr ausgeklügelter Plan.

»Hat sie vielleicht gelogen?«, fragte Sonja.

Zum ersten Mal blickte March sie stirnrunzelnd an. »Wie kommen Sie darauf?«

»Nun, Sie war allem Anschein nach total verrückt«, sagte sie. »Ich habe neulich einen Film gesehen, in dem ein Totgeglaubter viele Jahre nach seinem angeblichen Tod zurückkehrt, um …«

»… Rache zu nehmen an jenen, die ihn töten wollten.« March winkte ab. Er schien seine Meinung von Sonja bestätigt zu sehen, seine Aufmerksamkeit ließ wieder nach. »Diesen Stoff gibt es in Dutzenden Ausprägungen, da darf man nicht zu viel hineininterpretieren. Es gibt keinen Grund, an der Aussage von Katrina Parker zu zweifeln. Sie blieb den gesamten Prozess über bei ihrer Version der Geschichte.«

Er setzte die Tasse ab.

»Philipp war ein guter Anwalt. Es grenzt an ein Wunder, dass er ihr Leben retten konnte. Dank meinem Gutachten erhält sie zudem psychologische Betreuung.«

Sonja gab sich keinerlei Illusionen hin. Philipp van Straten hatte Katrina Parker exakt dorthin gebracht, wo er sie hatte haben wollen. Sie vermerkte gedanklich, dass sie unbedingt nachrecherchieren musste, wer der zuständige Psychologe im Gefängnis war. Zweifellos arbeitete auch dieser den Dynastien zu.

»Damit haben Sie wohl ihr Leben gerettet«, sagte Sonja. Sie gähnte. Die Kälte dort draußen und die behagliche Wärme hier drinnen zeigten Wirkung.

Ich darf nicht mehr so viel arbeiten.

Es fehlte gerade noch, dass sie jetzt einschlief. Ein Blick zur Seite zeigte ihr, dass auch Cat selig schlummerte. Adrenalin peitschte durch ihre Adern, zerschlug den Schleier aus Wohlgefühl.

»Der Tee«, hauchte sie. Ihre Hand zitterte. Sie ließ die Tasse fallen. »Was haben Sie getan?!«

March schaute sie gelassen an. »Bitte, meine Liebe, Hysterie hilft niemandem weiter.«

Sonja wollte aufstehen, doch ihre Muskeln gehorchten nicht länger. Der gesamte Raum drehte sich. Das war kein einfaches Betäubungsmittel, es musste etwas Stärkeres sein. Vielleicht flüssiges Rohypnol? Es war geruchs- und geschmacksneutral. Sie hatte einmal einen Artikel darüber geschrieben.

Konzentrier dich!

Ihr blieben nur noch Sekunden, um zu handeln. Was auch immer sie tat, es musste schnell geschehen. Sie griff in die Tasche, riss das Handy hervor und berührte mit dem Daumen die Notruftaste. Eine Hand tauchte in Sonjas Blickfeld auf, nahm das Smartphone und legte es beiseite.

»Damit helfen Sie niemandem«, sagte March mit rauchiger Stimme. »Entspannen Sie sich.«

Seine ruhigen Augen waren das Letzte, was Sonja sah, bevor die Schwärze über ihr zusammenschlug.

 

*

 

Mason starrte auf das Bett.

»Du denkst jetzt nicht ans Schlafen, oder?«, fragte Randy, der soeben hinter ihm das Zimmer betrat. Sein Blick fiel auf das Bett. »Oh!«

Olivia kam ächzend in die Höhe. Wütend stapfte sie herbei. »Jeden Augenblick kann der Sheriff hier auftauchen und … ach du heilige Sch…«

»Die fehlende Tonfigur.« Mason ging neben dem Bett in die Hocke und nahm sie auf. Sie stammte eindeutig aus der Parkerschen Sammlung.

»Ist das ein Eisenbahnwaggon?« Olivia kniff die Augen zusammen.

»Ich denke schon«, erwiderte er. »Was hat es mit den verdammten Dingern auf sich? Pembroke muss sie aus dem Haus der Parkers gestohlen haben. Aber warum?« Er schüttelte die kleine Figur, doch sie war schwer, genau wie der Glockenturm, den sie im Rucksack von Wendy gefunden hatten. Also gab es vermutlich keinen Hohlraum im Inneren.

Randy studierte die Unterlagen, die auf dem Bett ausgebreitet lagen. »Der Sheriff muss das hier auch gesehen, ihm aber keine Bedeutung beigemessen haben.«

»Was ist es?«, fragte Olivia, während sie die Tonfigur mit Argusaugen untersuchte.

»Fotokopien von Zeitungen«, murmelte Randy. »Es geht um einen Banküberfall.« Er fuhr sich gedankenverloren durchs Haar. »1978 wurde eine Bank in Chicago überfallen. Die Täter erbeuteten mehrere Millionen Dollar. Das Geld wurde nie gefunden, die Täter nie überführt.«

»Ich dachte, Pembroke ist eher archäologisch unterwegs«, sagte Mason. »Kümmert er sich nicht um alte Artefakte und solchen Kram?«

»Das stimmt«, gestand Randy. »Aber nicht zum Selbstzweck. Meine Tante hat...