dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Emotionale Kompetenzen im Vorschulalter fördern - Das EMK-Förderprogramm

Franz Petermann, Nicole Gust

 

Verlag Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2016

ISBN 9783840927942 , 76 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

52,99 EUR


 

3. Theoretische Grundlagen (S. 12-13)

3.1 Bereiche der emotionalen Entwicklung

Unter dem Begriff „emotionale Entwicklung“ wird die Ausbildung des Emotionswissens, der Emotionsregulation (Petermann & Wiedebusch, 2016) sowie der Empathie (Berk, 2011) verstanden. Diese drei großen Bereiche können durch einzelne emotionale Kompetenzen beschrieben werden, die differenziert gefördert werden können.

Der erste Bereich der emotionalen Entwicklung, das Emotionswissen, umfasst vielfältige Kompetenzen (vgl. Petermann & Wiedebusch, 2016). Zum einen gehört hierzu die Fähigkeit, mimische Anzeichen von primären und sekundären Emotionen zu erkennen und emotionsspezifisch zuzuordnen. Zum anderen wird der sprachliche Emotionsausdruck (Benennen von primären und sekundären Emotionen, Sprechen über Emotionen, Emotionsvokabular) dem Emotionswissen untergeordnet. Schließlich ist das Verständnis von Ursachen für primäre und sekundäre Emotionen ein Teil des Emotionswissens. Eine weitere Komponente der emotionalen Entwicklung bildet die Emotionsregulation. Diese Komponente umfasst nicht nur das vorhandene Wissen über die Strategien zur spontanen Regulation von Emotionen, sondern auch Strategien, die man bewusst einsetzt, um das Verhalten in emotionalen Situationen aktiv zu kontrollieren (reflexive Emotionsregulation; Holodynski, Hermann & Kromm, 2013). Die dritte Komponente der emotionalen Entwicklung schließt die Empathie ein (sich in eine andere Person hinein versetzen, den emotionalen Zustand einer anderen Person erkennen), die das prosoziale Verhalten (helfen, loben) fördert (Berk, 2011). In den folgenden Abschnitten soll auf diese drei Bereiche der emotionalen Entwicklung näher eingegangen werden.

3.1.1 Emotionswissen

Die Entwicklung von Emotionen beginnt bereits in den ersten Wochen nach der Geburt. Die Auseinandersetzung mit den vielfältigen Umweltreizen ruft bei einem Säugling zunächst lediglich Unzufriedenheit oder Freude hervor (Petermann & Wiedebusch, 2016). Durch die Orientierung am Ausdrucksverhalten der Mutter entwickeln sich im Kindesalter primäre (Trauer, Freude, Angst/ Furcht und Ärger/Wut) und sekundäre Emotionen (z. B. Scham, Stolz, Schuld; Hülshoff, 2012). Während zur Differenzierung der primären Emotionen eine Interaktion mit einer Bezugsperson erforderlich ist, sind für die Entstehung von sekundären Emotionen die Selbstreflexion und weitere Sozialisationseinflüsse (z. B. die Kenntnis von sozial anerkannten Verhaltensnormen) notwendig. Die primären und sekundären Emotionen werden durch deren Ausdruck wahrnehmbar. Der Ausdruck beinhaltet nicht nur die Mimik, sondern auch die Körperhaltung und Bewegung, die Gestik, den Ton der Stimme sowie das Blickverhalten. Die Fähigkeit, Emotionen anhand von mimischen und gestischen Anzeichen zu bestimmen, hängt mit der Entwicklung von kognitiven Kompetenzen wie Sprache, Aufmerksamkeit und Theory of Mind zusammen (Rosenqvist et al., 2014) und ist für erfolgreiche soziale Interaktionen essenziell (Juen, Huber & Peham, 2012). Solche Kompetenzen sind auch deshalb so wichtig, weil viele Informationen im Sozialkontakt nicht verbal, sondern nonverbal (mithilfe von Mimik und Gestik) übermittelt werden (Herba & Phillips, 2004). Defizite im Verständnis der mimischen Anzeichen von Emotionen werden mit Auffälligkeiten sowohl im Erwachsenen- als auch im Kindesalter assoziiert (Blair, 2003).

Die Entwicklung des sprachlichen Emotionsausdrucks ist in die allgemeine sprachliche Entwicklung eingebettet. So besitzen Kleinkinder um den 20. Lebensmonat ein passives Verständnis von einfachen Emotionswörtern und benutzen aktiv nur wenige Gefühlswörter für primäre Emotionen (vgl. Petermann & Wiedebusch, 2016). Im Vorschulalter erweitert sich das Emotionsvokabular, Gesichtsausdrücke werden vermehrt richtig erkannt und benannt (Schnellknecht, 2007). Interessanterweise zeigen auffällige Kinder Defizite beim Benennen von Emotionen anhand des Gesichtsausdrucks: Im Vergleich zu unauffälligen Kindern einer Kontrollgruppe benennen Kinder mit Auffälligkeiten erst bei einem intensiveren Gesichtsausdruck die Emotionen korrekt (Rich et al., 2008).

Im Laufe der emotionalen Entwicklung lernen Kinder, Ursachen und Auslöser von Emotionen zu erkennen und zu verstehen (Denham, Wyatt, Bassett, Echeverria & Knox, 2009). Bereits Kleinkinder erkennen Ursachen für eigene Emotionen wie Freude (am Geburtstag freut man sich über gewünschte Geschenke: Lagatutta, 2005) und Vorschulkinder können den primären Emotionen passende auslösende Situationen zuordnen (Pons & Harris, 2005). Die am häufigsten genannte Ursache für positive Emotionen im Vorschulalter ist die Tatsache, etwas zu bekommen, was man sich wünschte. Negative Emotionen werden dagegen am häufigsten dadurch ausgelöst, dass man einen Wunsch nicht erfüllt bekommt. Dabei ordnen Vorschulkinder Auslöser für die Emotionen eher in den familiären Kontext ein, wogegen Grundschulkinder vermehrt Gleichaltrige als Auslöser für ihre Emotionen nennen (Hughes & Dunn, 2002).

3.1.2 Emotionsregulation

Bereits sehr junge Kinder sind in der Lage, selbst einige Strategien (z. B. Selbstberuhigung, Aufmerksamkeitslenkung) zur Regulation der Emotionen anzuwenden (Kullik & Petermann, 2012). Mit dem Kindergarteneintritt werden die Emotionsregulationsstrategien im Sozialkontakt mit Gleichaltrigen eingesetzt (Dollar & Stifter, 2012; Helmsen & Petermann, 2010). Durch die Rückmeldung aus der Umwelt (Eltern, Gleichaltrige) können die Strategien angepasst, modifiziert oder verworfen werden (Cole et al., 2009). Ein effektiver Einsatz von Emotionsregulationsstrategien setzt ein umfangreiches Wissen über diese voraus. Das Wissen über Emotionsregulationsstrategien umfasst die Fähigkeit, unterschiedliche Emotionsregulationsstrategien situations- und emotionsübergreifend korrekt als effektiv oder ineffektiv einzuschätzen und zu benennen (Verständnis von Emotionsregulationsstrategien; vgl. Gust, Koglin & Petermann, 2014; Janke, 2010). Weiterhin schließt das Wissen über Emotionsregulationsstrategien die Fähigkeit ein, situations- und emotionsübergreifend passende Emotionsregulationsstrategien zu generieren (Generieren von Emotionsregulationsstrategien; vgl. Cole et al., 2009).

Die reflexive Emotionsregulation schließt Prozesse der bewussten Regulation von Emotionen ein (Holodynski et al., 2013). Bei der reflexiven Emotionsregulation werden spezifische Strategien (z. B. Impulsunterdrückung, Ablenkung der Aufmerksamkeit) und exekutive Funktionen eingesetzt, um den Prozess der Steuerung der Emotionen aktiv zu unterstützen (Berk, 2011). Die verschiedenen Regulationsformen können sich im Alltag gegenseitig ergänzen: Ein großes Repertoire an Emotionsregulationsstrategien und das Wissen um die Effektivität von diesen kann mehr Spielraum bei der bewussten Regulation bieten.