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Dorian Hunter 44 - Das Kind des Krakatau

Dario Vandis

 

Verlag Zaubermond Verlag, 2014

ISBN 9783955720445 , 272 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

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4,99 EUR


 

 

Schattenspiele

 

 

1. Kapitel


 

Die Nacht war wie geschaffen für einen Überfall. Dichter Nebel lag über der Straße von Malakka, verdeckte die Sterne und die dünne Sichel des Mondes. Die Borduhr zeigte kurz nach einundzwanzig Uhr Singapur-Zeit. Eine Seemeile voraus fuhr die Cheung Son, ein alter Fischkutter, dessen Besatzung nichts von ihrem Schicksal ahnte.

Die Luft war schwül und warm. Der Salzgeruch des Meeres vermischte sich mit dem Nelkenduft der Kretek-Zigarette, die in Lukmans Mundwinkel glomm. Er nahm einen tiefen Zug und schnippte die Kippe über Bord.

Normalerweise überfielen sie Containerschiffe und Tanker, pumpten das Öl ab, um es im Südchinesischen Meer meistbietend zu verkaufen.

Die Cheung Son war ein Sonderauftrag. Ein alter Kutter, der eigentlich keinen Wert darstellte. Keine Ladung.

Aber Lukman stellte keine Fragen. Seine Männer waren bekannt für ihre Zuverlässigkeit. Ein hervorragend ausgebildetes Team, keine Amateure wie die zerlumpten Piratenbanden, die die Meerenge von Malakka bevölkerten. Lukman war der Einzige, der den Namen ihres Auftraggebers kannte. Ein Mittelsmann instruierte Lukman, und Lukman instruierte seine Leute. Sie waren Profis.

Ein Ruf vom Achterdeck. Die Lichter des Kutters waren aus dem Nebel aufgetaucht. Die Mannschaft der Cheung Son würde tief schlafen, wenn der Tod an Bord geschlichen kam.

Lukmans Männer sammelten sich an Deck. Ein Nebelhorn ertönte von Backbord. Die Umrisse eines Tankers schälten sich aus dem Nebel. Das war das Risiko der Straße von Malakka – und gleichzeitig ihr größter Vorteil. Sie war die meistbefahrene Wasserstraße der Welt. Niemand würde auf einen Fischkutter achten, dessen Lichter erloschen und der von einem Augenblick zum anderen vom Kurs abwich.

Lukman wartete, bis der Tanker verschwunden war, und gab dem Steuermann ein Zeichen. Das Brummen der Motoren wurde unmerklich lauter. Die Radarschirme verrieten, dass die Cheung Son nur noch eine halbe Seemeile entfernt war. Lukman ließ die Lichter löschen.

Noch zweihundert Fuß. Die Silhouette des Kutters tauchte aus dem Nebel auf.

Noch hundertfünfzig.

Auf der Cheung Son war alles still. Die Bordwand war kaum sieben Fuß hoch. Ohne Ladung lag der Kutter nicht tief im Wasser. Nur Lukman wusste, dass sie diesmal nicht engagiert worden waren, um Beute zu machen.

Drei Enterhaken wurden ausgeworfen. Lautlose Schatten hangelten sich die Bordwand hinauf. An Deck der Cheung Son verbargen sie sich hinter einer Seilwinde. Lukman gab einem kräftigen, vollbärtigen Kerl, den sie Oleg nannten, ein Zeichen. Oleg löste sich aus dem Versteck und schlich geduckt zum Achterdeck. Geräuschlos verschwand er durch die Tür zum Steuerraum.

Zwei Minuten vergingen, dann blitzte eine Taschenlampe auf. Die Männer huschten auf die Kajüten zu. Lukman schickte einige seiner Leute zu den Mannschaftsunterkünften und folgte Oleg in das Steuerhaus.

Der Steuermann lag auf dem Boden, um seinen Hals eine dünne Drahtschlinge, die sich in seine Haut gegraben hatte.

Oleg stand am Ruder.

»Elektronischer Alarm?«

»Nichts«, antwortete der Riese einsilbig. Seine Stimme war tief, aber ohne Akzent. Er stammte aus Sumatra, und Oleg war gewiss nicht sein richtiger Name. Er sprach nie über seine Vergangenheit, und Lukman interessierte sich auch nicht dafür.

Der Kahn war mit den neusten Shiploc-Systemen ausgerüstet gewesen. Das war ungewöhnlich für einen Kutter. Das Kästchen strahlte Signale aus, um der Reederei den Aufenthaltsort mitzuteilen. Nicht einmal der Kapitän wusste, wo der Sender versteckt war. Lukman hatte die Worte des Mittelsmannes noch im Ohr: Sie können davon ausgehen, dass das Shiploc-Signal deaktiviert ist. Manchmal fürchtete er sich fast vor seinem Auftraggeber.

»Es befindet sich ein Kind an Bord«, sagte Oleg, »und zwei Frauen als Passagiere.«

»Wir setzen sie mit der Mannschaft aus.«

Es gab eine Vereinbarung zwischen ihnen und dem International Maritime Bureau zur Bekämpfung der Freibeuterei in Singapur. So wenig Tote wie möglich, keine sinnlose Gewalt. Lukman hatte sich stets daran gehalten.

»Wohin fahren wir?«

Lukman entschied, dass es an der Zeit war, Details preiszugeben. »An der Küste von Sumatra entlang, raus aus den internationalen Gewässern. Unser Ziel ist Sunda Kelapa.« Eine weitere ungewöhnliche Fußnote an diesem Auftrag. Der alte Hafen von Jakarta war schon seit Jahrzehnten stillgelegt. »Die Hafenbehörden sind bestochen, die Papiere vorbereitet. Wir nehmen etwas an Bord und liefern es am Krakatau ab. Danach wird der Kahn versenkt.«

Oleg erhöhte die Geschwindigkeit. Die Motoren brummten und übertönten die Geräusche aus den Kabinen. Lukman glaubte, Schreie zu hören, aber er war sich nicht ganz sicher.

»Was nehmen wir an Bord?«

»Nur eine alte Kiste.«

Oleg grunzte. »Eine Kiste?«

Lukman nickte. »Eine Kiste.«

 

Vierundzwanzig Stunden später in Jakarta, Westjava

Saimun strich der jungen Frau, die er vor einer Stunde auf der Straße kennengelernt hatte, mit gespielter Zärtlichkeit durch das Haar. »Ich möchte mit dir glücklich sein, Hasnah – für immer.«

Hasnah lächelte und ließ sich von seinen Worten verzaubern. Sie spürte nicht den leichten hypnotischen Einfluss, der sich wie eine Fessel um ihren Geist gelegt hatte und sie jedes seiner Wort ergriffen aufsaugen ließ. Sie stand in seinem Bann – und so würde es bleiben bis zu ihrem Tod.

Saimun Himotu war ein gut aussehender junger Mann, dem Anschein nach nicht älter als zwanzig, mit einem sportlichen Kreuz und modisch kurz geschnittenen schwarzen Haaren. Aber sein Aussehen war zweitrangig. Es war dieser Blick, der jede Frau betörte.

»Möchtest du noch etwas trinken?« Er winkte den Ober heran. »Rotwein bitte, etwas Exquisites. Siehst du, Hasnah, ich nehme nur das Beste für dich. Es soll ein wunderschöner Abend werden.«

Sie nickte verträumt.

Eine halbe Stunde später ließ Saimun die nächste Flasche kommen, dann noch eine und noch eine. Er liebte es, seine Opfer willenlos zu machen. Wenn man später ihre Leichen fand – gewöhnlich als Opfer eines Verkehrsunfalls –, lieferte der Alkohol im Blut der Polizei eine willkommene Erklärung. Natürlich hätte Saimun als Mitglied des mächtigen Himotu-Clans ganz andere Möglichkeiten der Einflussnahme gehabt, aber die raffinierte Planung eines Mordes, die anschließende Spurenbeseitigung, das überließ er staubtrockenen Dämonen vom Schlage seines Vaters. Saimun war ein impulsiver Mann, und er wollte jeden Moment seines Lebens genießen.

»Gehen wir.«

Er half Hasnah in den Mantel. Sie war schwarzhaarig wie alle seine Opfer. Er hatte ein Muster entwickelt mit der Zeit. Die Mädchen mussten zierlich und von blasser Hautfarbe sein. Und natürlich alleinstehend, um Aufsehen zu vermeiden. Sein Vater Pak Himotu, Oberhaupt der Sippe und Herr über Jakartas Ober- und Unterwelt, war schrecklich altmodisch, wenn es um diese Dinge ging. Für ihn galt der Kodex der Schwarzen Familie, stets unauffällig zu operieren. Er fühlte sich den alten Vorsätzen verpflichtet. Saimun fand das lächerlich.

Er führte Hasnah zu seinem Wagen, einem roten BMW, der am Straßenrand parkte. Das Restaurant, in dem sie zu Abend gegessen hatten, lag im Zentrum von Jakarta, am Rande des Geschäftsviertels. Ein paar Blocks weiter ragten die spiegelverglasten Hochhäuser in den Himmel, zwischen denen sich bei Tag Millionen von Autos und Fußgänger durch enge Straßenschluchten schleppten. Um diese Zeit war die Gegend menschenleer.

Er parkte den Wagen auf der Frontseite des Himotu-Towers, des Hauptsitzes einer Versicherungsgesellschaft, die sein Vater vor mehr als siebzig Jahren gegründet hatte. Saimun selbst war zu dieser Zeit noch ein Kind gewesen und hatte kurz vor seiner Weihe zum Dämon gestanden. Er erinnerte sich nur ungern daran, denn die Erziehung seines Vaters war streng gewesen. Er hatte sich nach Leibeskräften bemüht, die eigene Mittelmäßigkeit und Spießigkeit auf seinen Sohn zu übertragen.

Was Vater wohl sagen würde, wenn er wüsste, dass ich direkt vor dem Eingang seines geliebten Towers ein Opfer schlage?

Er würde toben. Gerade jetzt, da ein Cousin Pak Himotus von einem unbekannten Dämon getötet worden war. Vielleicht stand ein Sippenkampf bevor, und was die Himotus jetzt am wenigstens brauchten, waren Ermittlungen in einem weiteren Mordfall. Saimun wusste, dass sein Vater recht hatte, aber es scherte ihn wenig.

Pak Himotu würde seinen einzigen Sohn niemals verstoßen. Er litt an einer magischen Krankheit, die ihn vor über dreißig Jahren zeugungsunfähig gemacht hatte. Eines Tages würde Saimun sein Nachfolger werden, auch wenn es Pak Himotu wahrscheinlich insgeheim vor diesem Tage grauste. Ein Leichtfuß wie er an der Spitze des Himotu-Imperiums ... Schon jetzt konnte er es kaum noch abwarten, über die Machtfülle seines Vaters zu verfügen.

»Was tun wir hier?«, fragte Hasnah und blickte verwundert aus dem Fenster. Sie war hübsch, aber dumm und schöpfte noch immer keinen Verdacht.

»Zieh dich aus.«

»Wie bitte?«

»Ich will es mit dir treiben. Zieh dich aus.«

»Aber Saimun, wir können doch nicht ...« Der Alkohol machte ihre Zunge schwer. Sie verstummte, als sie seinen Blick sah. Er meinte es ernst! Es fiel Hasnah schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Warum eigentlich nicht? Wenn du ehrlich bist, findest du doch gar nichts dabei ... Waren das etwa ihre...