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Nimue Alban: Gefährliche Offenbarungen - Roman

David Weber

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2017

ISBN 9783732539857 , 672 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

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.I.
Delthak-Werke,
Baronie High Rock,
Altes Königreich Charis


Das wäre dann wohl alles«, seufzte Ehdwyrd Howsmyn, Herzog von Delthak. Er stieß sich mit dem auf Rollen gesetzten Sessel von seinem Schreibtisch ab und reckte und streckte sich ausgiebig. Jenseits der Fensterscheiben seines Arbeitszimmers war es so dunkel, wie es in den Delthak-Werken nur werden konnte. Die Gasbeleuchtung im Zimmer war hell, doch auf Dauer strengte sie die Augen an. Nun, es war ja auch wirklich schon spät. »Hoffentlich war’s das«, setzte er dann hinzu. »Ich habe Zhain versprochen, dass ich heute pünktlich zum Abendessen nach Hause komme … wenn sie einverstanden ist, dass wir eine Stunde später essen als sonst. Und da sie zugestimmt hat …«

Er verzog das Gesicht, und Nahrmahn Tidewater und Zosh Huntyr lachten leise. Selbst Engelsgeduld wäre bei dem außerordentlich anspruchsvollen Terminkalender von Zhain Howsmyns Ehemann auf die Probe gestellt worden. Zhain sah nicht gern, wie viel (und wie lang) er Tag für Tag arbeitete – vor allem, weil er selbst sich dazu unermüdlich antrieb. Zugleich jedoch bemühte sie sich nach Kräften, ihn nicht durch Ansprüche ihrerseits zusätzlich unter Druck zu setzen. Allerdings beharrte sie darauf, dass er wenigstens zwei Tage eines jeden Fünftags rechtzeitig zum Abendessen nach Hause käme und sich ansatzweise genug Schlaf gönnte. Sogar in dieser Hinsicht hatte Ehdwyrd seine Frau schon häufiger enttäuscht, als er hätte benennen können. Doch er bemühte sich redlich, Verstöße dieser Art auf das absolut unvermeidliche Maß zu beschränken. Hatte Ehdwyrd Howsmyn aber seiner Gemahlin etwas versprochen, setzte er Himmel und Hölle in Bewegung, um sein Wort zu halten.

»Allerdings möchte ich noch einmal betonen«, erklärte er seinen leitenden Handwerksmeistern, während er den letzten Ordner mit Produktionsberichten zuklappte und sich dann aus dem Sessel stemmte, »dass sie mir seit dieser Geschichte mit der Herzogswürde ein wenig mehr Freiraum zugesteht. Wenn die Herrn mich dann also entschuldigen wollten …«

»Oh, ich für meinen Teil ziehe stets vor, meinen Beitrag zu Mistress Zhains Zufriedenheit zu leisten«, gab Huntyr zurück. »Vor allem, wenn es sie davon abhält, ihre Unzufriedenheit an uns auszulassen.«

»Zosh, ich bin entsetzt! Wirklich, was denken Sie von mir! Wie können Sie glauben, ich würde die Schuld für meine Verspätung auf Sie abwälzen!«

»Nun, weil Sie es der Erfahrung gemäß tun … beispielsweise damals, als Sie zu spät nach Hause gekommen sind, nachdem Sie sich ein wenig arg lang mit Taigys’ neuestem Spielzeug beschäftigt haben«, warf Tidewater ein.

»Tja, mir scheint wenig sinnvoll, hier noch länger zu verweilen und mich beleidigen zu lassen!«, gab Howsmyn zurück, ein breites Grinsen auf dem Gesicht. Dann steuerte er auf die Tür des Arbeitszimmers zu. »Daher …«

Ein jaulender Heulton ließ ihn mitten in der Bewegung erstarren. Howsmyns Augen weiteten sich, während Tidewater und Huntyr entsetzt von ihren Stühlen hochfuhren. Ein zweites schrilles Heulen gesellte sich zu dem der ersten Sirene. Alle drei Männer wirbelten gleichzeitig herum und stürmten zur Tür.

Es war, als blickte man geradewegs in einen Vulkan.

Flammen tosten wie in einem Gebläseofen – nur dass es hier keinen Gebläseofen gab. Als Vorgeschmack auf die Hölle selbst stieg eine dicke, schwarze Rauchsäule empor, die Unterseite fahl angeleuchtet von den auflodernden Flammen. Deren Hitze traf die Männer wie ein Fausthieb.

In Manufakturen, vor allem in solchen von der Größe der Delthak-Werke, war es immer gefährlich. Niemand wusste das besser als Ehdwyrd Howsmyn. Ebenso lange, wie er darüber nachdachte, wie er die Produktion vorantreiben und beschleunigen könnte, hatte er sich Gedanken darüber gemacht, wie sich seine Arbeiter – und auch seine Werkhallen – vor den Unfällen schützen ließen, die immer und überall lauerten. Dessen waren sich auch seine Arbeiter und Angestellten bewusst, und sie wussten seine Bemühungen zu schätzen, auch wenn Howsmyn selbst nie mit dem Erreichten zufrieden war. Sein Verstand sagte ihm, dass sich selbst mit allen nur erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen Unfälle niemals zur Gänze verhindern ließen. Ihm war auch bewusst, dass es in den Delthak-Werken, trotz deren Größe, trotz der Vielzahl an prinzipiell gefährlichen Arbeitstechniken und trotz des beinahe schon fieberhaften Arbeitstempos zu deutlich weniger Unfällen kam als in deutlich kleineren Manufakturen mit ungleich kleinerer Belegschaft. Denn deren Eigner hatten sich sehr viel weniger mit Sicherheitsmaßnahmen befasst, und sie hatten auch keinen werkseigenen Rettungsdienst eingerichtet.

Im Augenblick jedoch war auch das nur ein schwacher Trost.

Die Werksfeuerwehr hatte gleich auf das erste Aufheulen der Sirenen reagiert. Noch bevor Howsmyn die Unglücksstelle erreicht hatte, waren sie eingetroffen. Schläuche waren an die allgegenwärtigen Hydranten gekuppelt und die ersten kräftigen Wasserstrahlen geradewegs in die Flammen gelenkt. Doch alles hatte seine Grenzen, und der ›Eisenhüttenmeister von Charis‹, wie man Howsmyn nannte, knirschte mit den Zähnen, als ihm bewusst wurde, wo genau sich der Brandherd befand und wie gewaltig die Feuersbrunst schon geworden war.

»Meister Howsmyn!«

Als er seinen Namen hörte, wirbelte er herum. Gerufen hatte Commander Stahnly Gahdwyn, der Leiter der Werksfeuerwehr. Zuvor war er stellvertretender Leiter der Feuerwehr von Tellesberg gewesen – Howsmyn hatte ihn für die Delthak-Werke abgeworben. Dort hatte sich der Commander auf die neuen Aufgaben gestürzt wie ein ausgemachter Geizhals auf eine Kiste Gold. Gahdwyn war ein kantiger, nicht gerade hochgewachsener Bursche mit dunklem Haar und braunen Augen. Seine linke Hand war auffallend vernarbt, eine Erinnerung an einen Großbrand in Tellesberg. Spätestens seit dieser Zeit sah er in Feuer seinen persönlichen Feind, nicht etwa eine unpersönliche Naturgewalt.

»Was ist passiert, Chief?«

»Unklar, Sir!« Gahdwyn nahm den Stahlhelm ab und fuhr sich mit den Fingern durch das Haar. »Könnten die Gasleitungen sein.«

»Ich habe keine Explosion gehört!«

»Nein, Sir.« Gahdwyn schüttelte den Kopf. »Ich gehe von einem größeren Riss aus, nicht von einer Explosion. Als meine Jungs hier eingetroffen sind, stand da vorn, genau in der Mitte des Brandherds, eine Flammensäule. Das Standardvorgehen im Falle eines Brandes sieht als Erstes eine Unterbrechung der Gaszufuhr vor, und weil die gesichtete Flammensäule dann sehr schnell zusammengebrochen ist, gehe ich davon aus, dass das die Ursache war. Leider haben sich in der Zwischenzeit die Flammen tief genug in die Umgebung gefressen, und hier gibt es, weiß Shan-wei, genug brennbares Gefahrengut, um das Feuer die ganze Nacht hindurch zu ernähren – von den Deckenträgern, den Querbalken und Sparren aus Holz einmal ganz abgesehen.«

»Scheiße!«, entfuhr es Ehdwyrd Howsmyn aus tiefstem Herzen.

»Allerdings, Sir.« Gahdwyn setzte den Helm wieder auf und straffte die Schultern. »Ich habe schon sämtliche Unterstützungstrupps herbeigerufen. Eine weitere Ausbreitung der Flammen werden wir wohl verhindern können, aber ich müsste lügen, wenn ich sage, hier unten sähe es gut aus.«

»Ich weiß«, kurz legte Howsmyn dem Leiter der Werksfeuerwehr die Hand auf die muskulöse Schulter, »ich weiß. Tun Sie, was Sie können, Chief.«

»Großer Gott!«, sagte Brahd Stylmyn. »Großer Gott, was für ein Desaster!«

Howsmyn bezweifelte, dass sich Stylmyn überhaupt bewusst war, den Gedanken laut ausgesprochen zu haben. Vor Erschöpfung sackte der Ingenieur regelrecht in sich zusammen, als er im fahlen Halbdunkel des heraufdämmernden Morgens zuschaute, wie die Feuerwehr darum rang, die letzten Flammen zu ersticken. Ebenso wie Howsmyn selbst war Stylmyn rußgeschwärzt, und überall hatte seine Kleidung Brandflecken. Stylmyns schlimm verbrannte rechte Hand war unter einem verschmutzten Verband verborgen.

»Es hätte viel schlimmer kommen können«, gab Howsmyn zurück. Stylmyn drehte sich zu ihm um, und der Industrielle zuckte schicksalsergeben mit den Schultern. »Wir hätten die ganze Gießerei verlieren können.«

Stylmyn verzog das Gesicht, Bitterkeit war darin zu lesen.

Howsmyns Reaktion war erneut ein Schulterzucken. »Ich habe gesagt: Es hätte viel schlimmer kommen können. Und ›hätte schlimmer kommen können‹ ist nicht das Gleiche wie ›gut‹!«, ergänzte er. »Das wahre Ausmaß der Brandkatastrophe können wir momentan noch nicht beurteilen. Der ganze Schutt muss erst abkühlen, ehe wir uns das genauer ansehen können. Aber was auch immer geschehen mag: Unsere Pläne mit den König Haarahlds wird das gehörig durcheinanderwirbeln!«

»Da sagen Sie was, Sir … verdammt noch mal!«, pflichtete ihm Stylmyn bei. Dann straffte er die Schultern. »Gehen Sie jetzt lieber nach Hause und duschen Sie ausgiebig, Sir. Und wenn Sie schon zu Hause sind, sollten Sie auch gleich was frühstücken. Später kann ich Ihnen vielleicht schon eine erste Schadensmeldung geben.«

»Sie haben doch selbst gute Assistenten, Brahd.« Howsmyn bedachte seinen Leitenden Ingenieur mit einem gestrengen Blick. »Sehen Sie zu, dass sich die Heiler um Ihre Hand kümmern, und dann gehen Sie selbst duschen! Wenigstens vier Stunden bleiben Sie von hier fort, haben wir uns verstanden?«

Stylmyns Miene verspannte sich noch mehr. Einen Moment lang schien es, als wollte er sich dieser Anweisung tatsächlich widersetzen. Doch dann schüttelte er sich nur und atmete einmal tief durch, egal wie...