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Die galante Entführung

Georgette Heyer

 

Verlag beHEARTBEAT, 2017

ISBN 9783732531752 , 360 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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6,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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Kapitel 1


Am Ende eines feuchten Herbsttages fuhr kurz vor acht Uhr eine Postkutsche auf der Londoner Straße in Bath ein und hielt bald darauf vor einem Haus am Sydney Place. Es war ein Mietfahrzeug, jedoch vierspännig. Die Erscheinung der Dame, die darin saß, ließ keinen Zweifel daran, dass sie sich eine Privatkutsche mit ihren eigenen Gespannführer sehr wohl leisten konnte. Sie wurde von einer Dienerin mittleren Alters begleitet. Der olivgrüne Mantel aus Köperseide, die sie trug, umschmeichelte ihre bewundernswerte Figur. Jede andere Frau hätte bei dem Anblick des Kleidungsstückes sofort erkannt, dass es von einer erstklassigen Schneiderin stammte.

Der Einfachheit und Eleganz des Reisekleides entsprach das Hütchen, das Miss Abigail Wendovers Gesicht kleidsam umrahmte. Gekräuselte Federn oder Blumenbüschel fehlten an dieser Kreation. Sie war aus Taft gefertigt und unter dem Kinn mit einem Seidenband gebunden.

Das Gesicht unter dem Hut war weder das eines Mädchens in seiner ersten Blüte noch das einer anerkannten Schönheit. Es besaß jedoch einen undefinierbaren Zauber, der vor allem in den Augen und dem scheuen Lachen lag, das in ihnen lauerte. Sie waren grau und sehr klug. Die Gesichtszüge waren nicht bemerkenswert, denn der Mund war zu groß, um schön zu sein, die Nase vom klassischen Ideal weit entfernt und das Kinn fast etwas zu energisch. Das Haar war weder dunkel, wie es zur Zeit gefragt war, noch engelhaft blond, sondern von einem sanften Braun. Es war auch nicht nach der herrschenden Mode kurz geschnitten; die Dame trug es entweder um den Kopf geflochten oder in einem Knoten, aus dem Locken über die Ohren fielen.

Gelegentlich, und der heftig geäußerten Missbilligung ihrer Nichte zum Trotz, band sie ein Spitzenhäubchen darüber. Fanny behauptete, sie sähe damit wie eine alte Jungfer aus. Doch Abigail entgegnete mit ihrer hübschen, melodischen Stimme bloß: «Aber ich bin doch eine alte Jungfer!»

Anscheinend hatte man ihr Eintreffen voll Ungeduld erwartet. Kaum war die Kutsche vorgefahren, wurde die Haustür aufgerissen und ein Lakai stürzte heraus, um die Stufen der Kutsche herunterzulassen. Ihm folgte ein älterer Butler, der seiner Herrin beim Aussteigen half. Er strahlte sie an und sagte: «Guten Abend, Miss Abby! Und es ist ja wirklich ein guter Abend, denn er bringt Sie zurück! Ich bin sehr glücklich, Sie wiederzusehen!»

«Und wie ich erst glücklich bin, Mitton!», antwortete sie. «Ich glaube nicht, dass ich jemals so viele Wochen fort war. Geht es meiner Schwester gut?»

«Sehr gut, Ma’am – mit Ausnahme einer Spur Rheumatismus. Als Sie abreisten, war sie zunächst ein bisschen bettlägerig und bildete sich ein, sie sei schwindsüchtig –»

«Nein, doch nicht das!», rief Abby in gespielter Bestürzung.

«Nein, wirklich nicht, Ma’am», sagte Mitton zustimmend. «Es war nichts als eine Erkältung, von der ein leichter Husten zurückblieb, wie sie ihr neuer Arzt zu überzeugen vermochte.»

Er brachte das im Ton höflicher Ehrerbietung vor, in seinen Augen saß jedoch ein Zwinkern, das Abby unwillkürlich ein Kichern entlockte. Das Zwinkern verstärkte sich, aber Mitton sagte nur: «Und wie froh sie sein wird, Sie wiederzusehen, Miss Abby! Sie ist schon seit Stunden nervös vor Angst, dass es einen neuerlichen Aufschub hätte geben können.»

«Dann muss ich sofort zu ihr hinaufgehen», sagte Abby und ging leichten Schrittes ins Haus. Mitton blieb zurück und ließ ihrer Dienerin eine übertrieben höfliche Begrüßung zuteil werden.

Da zwischen dem in den Diensten der Familie ergrauten Butler und der ehemaligen Kinderfrau der drei jüngeren Töchter ein ununterbrochener Kampf um den Vorrang herrschte, fasste Mrs. Grimston die Begrüßung, in der sie einen gönnerhaften Ton entdeckte, schlecht auf. Sie wies ihn an, sich keine Gedanken darum zu machen, wie es ihr gehe, sondern sich bloß um Miss Abbys Schmuckköfferchen zu kümmern.

Inzwischen war Abby die Treppe hinaufgelaufen und sah, dass ihre Schwester sie schon auf dem obersten Treppenabsatz erwartete. Miss Selina umarmte Abby zärtlich, vergoss Freudentränen und bat sie in einem Atemzug, sich nach der ermüdenden Reise sofort hinzulegen, in den Salon zu kommen, nicht ein einziges Wort zu äußern, solange sie sich nicht völlig ausgeruht habe, und ihr sofort alles über die liebe Jane und die liebe Mary und das süße Neugeborene der lieben Jane zu erzählen.

Zwischen den Schwestern lag ein Altersunterschied von sechzehn Jahren, denn Selina war das älteste und Abby das jüngste Mitglied einer zahlreichen Kinderschar. Drei ihrer Geschwister waren im zarten Säuglingsalter gestorben, und der älteste Bruder wurde dahingerafft, als sein einziges Kind, Fanny, gerade erst Laufen gelernt hatte.

Zwischen Selina, die über vierzig, und Abigail, die achtundzwanzig Jahre alt war, wurden James, Mary und Jane geboren. Bei Jane, die mit dem Besitzer ansehnlicher Ländereien im Huntingdonshire verheiratet war, hatte Abigail den Großteil der letzten sechs Wochen verbracht. Sie war herbeigerufen worden, um ihrer Schwester in einigen Katastrophen beizustehen: Die Kinder hatten die Masern bekommen und zwar gerade, als das Kindermädchen sich bei einem Sturz über die Hintertreppe das Bein gebrochen hatte. Jane war hochschwanger und wartete stündlich darauf, Sir Francis mit einem vierten Sprössling zu beschenken.

In einem Brief, der von Unterstreichungen strotzte, hatte Lady Chesham ihre liebste Abby angefleht, sofort zu ihr zu kommen und Grimston mitzubringen, denn nichts würde sie dazu bewegen, ihre geliebten Kinder der Obhut eines fremden Frauenzimmers anzuvertrauen.

Deshalb also war Abigail mit der Postkutsche ins Huntingdonshire gefahren, wo sie fünf Wochen lang unter misslichen Umständen weilte. Vor ihrer Ankunft waren, wie gesagt, alle drei Kinder den Masern anheimgefallen, und zwei Tage später kam ihre Schwester ins Kindbett.

Ihr Schwager, der sich noch nie durch Liebenswürdigkeit ausgezeichnet hatte, litt anscheinend an der Überzeugung, diese unglückliche Verkettung von Umständen sei eigens dazu ersonnen worden, ihm das Höchstmaß an unverdienten Schwierigkeiten aufzuerlegen.

«Du musst ja völlig erledigt sein!», sagte Selina, als sie ihre Schwester in den Salon führte. «Und dann noch nach London fahren zu müssen, bei all der Aufregung und dem Trubel! Mary hätte das, meiner Meinung nach, nicht von dir verlangen dürfen!»

«Hat sie ja gar nicht! Ich habe mich selbst bei ihr eingeladen, als Belohnung dafür, dass ich mit Sir Francis nicht in Streit geraten bin. Einen mürrischeren und unangenehmeren Menschen habe ich noch nie erlebt! Jane tut mir aufrichtig leid und ich verzeihe ihr all ihre Verdrießlichkeit. Du kannst dir nicht vorstellen, wie froh ich war, das gutmütige Gesicht von George wiederzusehen, als ich in der Brook Street eintraf und von ihm und Mary so herzlich aufgenommen wurde! Ich habe mich prächtig amüsiert und Unmengen eingekauft. Warte nur, bis du den Hut siehst, den ich dir mitgebracht habe: Du wirst entzückend darin aussehen! Dann habe ich dutzende Ellen des hübschesten Stoffes, einem Musselin, für Fanny gekauft. Außerdem einigen Plunder für mich – aber wo ist Fanny?»

«Sie wird sich ja so ärgern, dass sie zu deiner Begrüßung nicht da war!»

«Unsinn, warum denn? Es ist doch Donnerstag, nicht? Ich nehme also an, dass sie beim Kotillonball der Debütantinnen ist?»

«Ich dachte, dagegen sei nichts einzuwenden», sagte Selina etwas defensiv.

«Lady Weaversham hat sie zum Abendessen und nachher in ihrer Gesellschaft in die Upper Rooms eingeladen. Ich habe zugestimmt, da ich nicht erwartet habe, dass du schon heute wieder daheim sein würdest.»

«Aber natürlich!», sagte Abby. «Es wäre von Fanny sehr unhöflich gewesen, abzusagen!»

«Eben!», erwiderte Selina eifrig. «Noch dazu mit Lady Weaversham – einer so liebenswürdigen Frau, wie du sicher zugeben wirst. Überdies hat sie zwei Töchter, und daher ist es besonders freundlich von ihr, Fanny einzuladen! Denn es ist nicht zu leugnen, dass unsere Liebste das hübscheste Mädchen von Bath ist.»

«Oh, außer Frage! Was Lady Weaversham betrifft, so gibt es niemand Liebenswürdigeren, aber auch Zerfahreneren. Ich wollte – nein, nichts. Ich bin sogar froh, dass sie Fanny zu dem Ball mitgenommen hat, denn ich muss mit dir über Fanny sprechen.»

«Ja, Liebes, natürlich. Aber du bist müde und musst dich ja nach deinem Bett sehnen! Einen Teller Brühe –»

«Nein, nein, nur ein wenig Hafergrütze genügt», sagte Abby und lachte. «Ich habe zum Abendessen in Chippenham haltgemacht und ich bin nicht im Geringsten müde. Wir trinken Tee, sowie ich meinen Hut abgelegt habe, und genießen einen gemütlichen Plausch.»

Spitzbübisch fügte sie hinzu: «Du bist das Schuldbewusstsein in Person – als hättest du Angst vor Schelte! Aber ich...