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Steirerpakt - Sandra Mohrs siebter Fall

Claudia Rossbacher

 

Verlag Gmeiner-Verlag, 2017

ISBN 9783839253304 , 313 Seiten

3. Auflage

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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14,99 EUR


 

1.


Sandra nahm die Autobahnausfahrt Traboch, um auf die Eisen-Bundesstraße zu gelangen, die sie wenig später an Trofaiach vorbeiführte.

»Sag mal, spürst du das auch?«, fragte Bergmann, kaum dass sie das neu erbaute Schubhaftzentrum Vordernberg hinter sich gelassen hatten.

Bislang war der Chefinspektor mit seinem Smartphone beschäftigt gewesen und hatte fast die ganze Fahrt über geschwiegen, was Sandra nur recht war. Wenigstens konnte sie den eigenen Gedanken nachhängen, die sich weniger um den toten Mann auf dem Sessellift als vielmehr um die lebenden Männer drehten, mit denen sie einfach kein Glück hatte. »Und was genau sollte ich bitte spüren?«, fragte sie zurück.

»Diese Gegend hat so etwas Beklemmendes, Morbides. Selbst bei einem solchen Kaiserwetter.« Im Vorbeifahren betrachtete Bergmann das halb verfallene Fabrikgebäude, auf dessen Dach neben einigem Unkraut eine junge Birke in den wolkenlosen Himmel ragte.

»Na ja, die Eisenstraße ist schon ganz besonders geschichts- und schicksalsträchtig. Vielleicht spürst du ja das harte, karge Leben deiner Namensvettern von anno dazumal«, witzelte Sandra.

»Du meinst die Bergmänner, die das Eisenerz abgebaut haben?«

Sandra nickte. Vor ihnen tauchte das Viadukt auf, auf dem dereinst die Erzbergbahn verkehrte, um das Erz vom Erzberg zu den Hochöfen nach Vordernberg und Donawitz bei Leoben zu transportieren. Dass der Betrieb der steilsten Normalspurbahn in Europa eingestellt worden war, hatte sie neulich in einem Fernsehbericht mitbekommen. Dem Verein ihrer Anhänger war es bislang nicht gelungen, das nötige Geld aufzubringen, um das Teilstück, das die ÖBB verkaufen wollte, zu erwerben und das historische Kleinod als Museumsbahn weiter zu betreiben.

»O ja, ich kann es fühlen.« Bergmann fasste sich an die Brust. »Den Schweiß, das Blut und die Tränen, die über die Jahrhunderte hinweg beim Erzabbau vergossen wurden«, meinte er theatralisch.

»Seit wann bist du so sensibel und nimmst derlei energetische Schwingungen wahr?«, fragte Sandra, als sie am menschenleeren Hauptplatz der Marktgemeinde Vordernberg vorbeifuhren. Nicht alle historischen Relikte der Eisenstraße waren so gut erhalten wie die schwarze Dampflok direkt vor dem Gasthof »Zum Radmeister«, die wie frisch poliert in der Sonne glänzte. Als eindrucksvolles Schaustück zeugte sie ebenso von der einstmals bedeutenden Vergangenheit dieses Ortes in der Roheisenproduktion wie die alten Radwerke, Hochöfen und andere längst stillgelegte Industriebauten.

»Ich bin nun mal ein hochsensibler Typ«, scherzte Bergmann.

Zumindest glaubte Sandra, dass es sich nur um einen Witz handeln konnte, und lachte hell auf.

»Liegt wohl an meinem Sternzeichen«, erklärte er ungerührt. »Wassermann, vom Geruch her aber schon Fisch.« Noch immer verzog er keine Miene.

Sandra musste neuerlich lachen. »Wenn du mir jetzt auch noch mit Horoskopen und Sterndeuterei kommst, kannst du dir eine neue Partnerin suchen«, drohte sie ihm nicht ganz ernst gemeint. »Oder spielst du etwa auf die Sage vom Wassermann an?«

»Hm?« Bergmann sah sie verständnislos an.

»Der Sage nach ist das Eisenerz im Erzberg einem Wassermann zu verdanken«, erklärte ihm Sandra, was in der Steiermark jeder Volksschüler wusste.

»Soso. Einem Wassermann.« Bergmann wischte mit der Hand vor seinem Gesicht herum, um klarzustellen, was er von dieser Theorie hielt.

»Vor langer, langer Zeit sollen die Leute in der Nähe des Leopoldsteiner Sees einen Wassermann gefangen haben«, fuhr Sandra unbeirrt fort. »Für seine Freilassung hat er ihnen Gold für zehn Jahre, Silber für 100 Jahre oder Eisenerz für immerdar versprochen. Wofür sie sich entschieden haben, ist hinlänglich bekannt. Leider ist die steirische Erzindustrie trotz dieses Versprechens im Lauf der letzten Jahrzehnte den Bach runtergegangen.«

»Dann hat der alte Wassermann wohl zu einer Notlüge gegriffen, um freizukommen«, meinte Bergmann grinsend.

»Oder er hat nichts vom internationalen Rohstoffmarkt in einer globalisierten, technologisierten Welt geahnt, der dem steirischen Erz enorme Umsatzeinbußen bescheren und Tausende Arbeitsplätze vernichten würde. Die Region ist von massiver Abwanderung geprägt. Die meisten jungen Leute ziehen von hier weg und suchen ihr Glück woanders.«

»Wie man allerorts deutlich sehen kann«, kommentierte Bergmann ein weiteres leer stehendes Gasthaus, an dem sie eben vorbeifuhren.

»Eisenerz bietet ein ähnlich trauriges Bild. Dabei war das einmal eine stolze Industriestadt mit gut dreimal so vielen Einwohnern wie heute. Das Leben war wie in allen anderen einstmals florierenden Orten entlang der Eisenstraße über ein Jahrtausend lang vom Erzberg geprägt. Dass dieser so viele Leute in der Region, aber auch außerhalb ernährte, hat ihn im Volksmund den Namen ›steirischer Brotlaib‹ eingetragen. Heute leben überwiegend ältere Semester in Eisenerz. Nicht umsonst trägt die Stadt den Titel der ältesten in Österreich. Die meiste Zeit über ist sie wie ausgestorben. Viele Geschäfte und Lokale stehen leer und hinterlassen einen ziemlich trostlosen Eindruck, obwohl gerade der Stadtkern mit einigen Baujuwelen in tadellosem Zustand aufwarten kann. Nur ein paar Tage im Jahr kehrt Leben ein, und das Durchschnittsalter sinkt drastisch. Etwa, wenn die waghalsigsten Motorrad-Offroad-Fahrer aus aller Herren Länder zum Erzbergrodeo anreisen, um auf ihren Enduro-Maschinen die staubigen, bei Regenwetter gatschigen Stufen des Erzberges zu erklimmen, und Zigtausende Zuschauer anlocken. Dann ist hier die Hölle los. Oder auch beim alljährlichen Erzberglauf. Dort wollte ich eigentlich auch schon längst einmal mitlaufen. Vielleicht mache ich das ja im Sommer …«

»Und was ist sonst mit Tourismus?«

»Kaum vorhanden. Vorwiegend kommen Tagesgäste, die den Erzberg mit seinem Schaubergwerk, die historischen Relikte an der Eisenstraße oder den idyllischen Leopoldsteiner See besuchen.« Sandra kramte in ihrer Erinnerung, ehe sie fortfuhr. »Fährt man die Eisenstraße noch ein Stück weiter, befindet man sich mitten im Nationalpark Gesäuse. Der ist nicht nur bei Bergwanderern und Kletterern äußerst beliebt, sondern auch bei Wildwassersportlern, die sich in der Enns und der Salza austoben können. Am anderen Ende des Gesäuses, nur wenige Kilometer weiter, steht das Benediktinerstift Admont mit der weltgrößten Klosterbibliothek«, zählte Sandra jene Plätze auf, die sie selbst schon besucht hatte.

»Du solltest dich beim Tourismusverband bewerben.«

»Du hast mich doch gefragt …«

»Und was ist mit unserem Einsatzort, dem Präbichl? Ein bisschen was hab ich ja schon im Internet recherchiert.«

»Na, dann weißt du höchstwahrscheinlich, dass der Präbichl im Winter Skifahrer, im Sommer Wanderer und Bergsteiger anlockt, hauptsächlich welche aus der Umgebung. Es gibt nämlich viel zu wenig Gästebetten in der Region, auch wenn vor einigen Jahren ein größeres Spa-Hotel in Leoben eröffnet hat. Aber das ist ja auch eine Dreiviertelstunde weit weg.«

Bergmann streckte seinen Rücken durch. »Gegen Sauna mit anschließender Massage hätte ich jetzt nichts einzuwenden.«

»Träum weiter, Sascha.«

»Müssten wir nicht bald da sein?« Bergmann gähnte, ohne sich die Hand vor den Mund zu halten.

»In fünf Minuten, schätze ich.«

»Gut. Dann erzähle ich dir jetzt schnell mal, was ich unterwegs über den Präbichl und den Polster-Sessellift herausgefunden habe. Es hat in letzter Zeit nämlich einige Aufregung darum gegeben«, berichtete Bergmann.

»Warte mal, irgendetwas ist neulich über diesen Lift in der Zeitung gestanden …«, dämmerte es Sandra.

»Vermutlich hast du gelesen, dass der historische ›Polster Classic‹, so der offizielle Name des Einser-Sessellifts, in zwei Jahren womöglich endgültig Geschichte ist«, erzählte der Chefinspektor, was er während der Fahrt im Internet gelesen hatte. »Dann nämlich läuft die Konzession aus. Nur mit hohen Investitionen wäre es möglich, ihn technisch soweit aufzurüsten, dass er die erforderlichen Sicherheitsauflagen dann noch erfüllt und wie bisher weiterbetrieben werden kann.«

»Aber die finanziellen Mitteln sind nicht vorhanden«, erinnerte sich Sandra wieder an die Zeitungsreportage über den Präbichl.

»Du sagst es. Zwar hat das Land seine Bereitschaft signalisiert, die Sanierung zu fördern, verlangt dafür aber ein kostendeckendes Zukunftskonzept vom Seilbahnbetreiber, das es aus dessen kaufmännischer Sicht aufgrund der geringen Beförderungskapazität und der mangelnden Auslastung des Einser-Sessellifts jedoch nicht gibt. Auf der anderen Seite steht eine Bürgerini­tiative, die sich für die Erhaltung in seiner bisherigen Form starkmacht und ihn am liebsten unter Denkmalschutz stellen möchte. Für die zahlreichen Anhänger ist er nämlich mehr als nur irgendeine Aufstiegshilfe, zählt er doch zum historischen Baukulturerbe der Eisenstraße. Immerhin fährt dieser Lift schon seit 1948 vom rund 1.200 Meter hohen Präbichl in zwölf Minuten zur Polster-Bergstation auf etwa 1.800 Meter Seehöhe. Bis zum Gipfel sind es dann nur noch 100 Meter und ein paar Zerquetschte. Die würdest du locker auch in deinen High Heels bewältigen.«

Sandra spürte, dass Bergmann sie von der Seite angrinste. Sie zog ihre Mundwinkel hoch. »Und warum sollte ich das bitteschön tun?«, fragte sie schnippisch.

Bergmann klimperte mit den Augen. »Weil du mir mit hohen Absätzen viel besser gefällst, Liebling

Als...