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9 Tage wach - Der Nr.1 SPIEGEL-Bestseller

Eric Stehfest, Michael J. Stephan

 

Verlag Edel Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe, 2017

ISBN 9783841905406 , 288 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

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15,99 EUR


 

1.


Frisch verhandelt, die Eltern und Schwiegereltern waren über das Urteil zu unterrichten. Hatte eine großartige Vorstellung mit dem Brecht, sagte Eric, wobei er untertrieb.

Entschuldigung, bei euch allen, für den Lärm der letzten Jahre. Ich will wieder artig sein.

Anja war überhaupt nicht tough bei der Frage, ob sie das Heide-Nest verlassen würde, ihre Eltern und Freunde. »Leipzig, wir machen das zusammen, ich liebe dich.« Hatte sich gut angefühlt, Hand in Hand mit ihr, als sie endlich ja sagte: »Ja, ich begleite dich.« Eric war verrückt nach dieser Frau, selbst wenn sie duschte, hockte er neben ihr.

Hab Vertrauen, Schwester, diese eine Geschichte wird gut ausgehen.

Später einmal wird Eric einen Text verstehen wollen, »Die Möwe«. Er wird sie komplett abschreiben, den Hinweis wird ihm sein Leipziger Mentor geben. Ab da wird er sogar in Treplews Worten leiden und Anja wird Nina sein, die Möwe, die ihren Verehrer verschmäht. Hätte Eric diesen Text hier bereits gekannt, hätte er Angst vor Tschechows Ende für Eric und Anja gehabt – dem mit einer toten Möwe und einem toten Protagonisten.

 

NINA: Ich bin nicht zu spät gekommen? Nicht wahr, ich bin nicht zu spät gekommen? Den ganzen Tag war ich in Unruhe, ich hatte eine solche Angst! Ich fürchtete, dass der Vater mich nicht gehen lassen würde.

Ein letzter Spaziergang an der Elbe, Eric mit seiner tätowierten Frau und dem Hund. Gib mir bitte die Leine. Mama, Papa, Stiefhund. Sanft etwas Elbwasser auf den Kleinen geträufelt.

Du darfst bellen, ich dein Frauchen vögeln. So wird er sein, unser Deal.

2.


Wir sind ja alle so clean. Eine cleane Doppelfamilie half beim Umzug von Heidenau nach Leipzig. Zur Begrüßung kein »Hallo«, sondern: »Der Spuk hat ein Ende.« Leise genuschelt, damit meinten sie die Gerichtsverhandlung. Ein distanziertes Schulterklopfen, noch waren die Eltern keine Freunde.

Eric und Anja feierten ihre dritte Stunde null, als sie das Heide-Nest verließen. Drei angetäuschte Trennungen, dreimal »Ich verzeihe uns«.

Endlich, schöne Prinzessin der Haubitzen, können wir fliehen. Du, ich. Dein tätowierter Mut ist beeindruckend.

Auch Anjas geschickter Zug, die Familien so zusammenzuführen. Keine Peinlichkeit beim ersten gemeinsamen Tee, wer nimmt welchen Keks? Zwei geräucherte Väter begingen einen begehbaren Schrank und planten leise das Leben ihrer Königskinder. »Sie müssen auf uns hören, die beiden, denn sie lieben sich.« König und Königin legten ihre Stimmen übereinander, im Treppenhaus. »Nicht anecken, aufpassen bitte, der Schrank war sündhaft teuer, danke.« Als das wertvolle Ding auf dem Wagen stand, die erste Belobigung.

Drogen an das Volk. Die Droge aller Drogen, im Kelch gelb gebrautes Gold, die effektivste Waffe gegen das Weinen trauriger Väter.

In unserer Welt, in der wir die Liebe aus einem Märchenbuch feiern, haben Waffen große Bedeutung. Eine davon heißt »Rotkäppchen«.

Für die Ladies der Familie dieses besondere Extra, ein intravenöses Prickeln, direkt in die Blutbahn gespritzt.

Ein Knall nur, und mit dem Korken hüpfte zwanglose Freiheit in den Himmel.

Auf denn, ihr Knappen, wir rücken aus!

Verstohlen kicherten König und Königin, machten Scherze über die beschwipsten Eltern. So fuhren Kinder, Väter, Mütter und Großeltern in die Stadt Leipzig.

»Girls just wanna have fun«, Eric fuhr, Anja spielte mit der Zunge an seinem Schwanz herum. Elegant, wie sie das konnte, selbst bei voller Fahrt auf der Autobahn. Erics linke Hand am Lenkrad, mit rechts ihre Haare zur Seite gehalten, um sehen zu können. Besser beide Hände, wie praktisch, dass Opa ihm beigebracht hatte, mit den Knien zu lenken. Eric wollte unbedingt sehen, frühreife Männer sind ausgeprägte Voyeure. Zuviel Porno in den Koordinaten, die bleiben immer Beobachter, selbst, wenn sie beim Sex unten liegen – ein ewiges Kino. Das hatte Anja total irritiert: »Kannst du mal aufhören, mich immer anzuschauen?« Eric hörte auf, hielt ihren Kopf fest. »Schau du mich an.« Damit kannte er sich aus.

Drei Autos hinter ihnen, Eltern eins, Oma und Opa. Und Eltern zwei, Anjas Eltern. Beim ersten gemeinsamen Weihnachtsfest bekam nur Eric keine Küchenutensilien geschenkt. Anjas Vater zog eine Pappkiste unter dem Sofa hervor. »Hier, Schwiegersohn, für alle Fälle.« Eric hielt eine labbrige Silikon-Muschi in der Hand, Großkaliber, eine Art Schlauch mit einem Loch, wie sie an Spülmaschinen hängen. Also doch ein Küchenutensil.

Eine Wohnung in Leipzig-Gohlis war einzurichten, die Väter meckerten jetzt schon. Zu laut, die Stadt. »Wo wir wohnen«, der Taschenmuschi-Vater, der manchmal Wurst räucherte, fragte das, »zu Hause ist es doch viel schöner, nicht wahr Eric?« Sein geliebtes Kind ging fort, Töchterlein, wen hast du dir erwählt?

Konzentration auf den Verkehr, den Rückspiegel, auf die Autos, die hinter ihnen fuhren. Zusammenbleiben, unbedingt. Zur Belustigung saß der Stiefhund heute im Auto von Erics Eltern, sollten die mal hören, wie es kläffte, das liebe Tierchen. Ganze anderthalb Stunden lang auf einer einspurigen Autobahn, nun einer einspurigen Baustelle.

Hier wurde Zukunft gebaut, liebe Kinder, aus dem Staub der Geschichte, wir danken für Ihr Verständnis. Teile der Autobahn waren wirklich von vorvorgestern, uralte Betonplatten, die sich inzwischen abgesenkt hatten. Ein Sound, fast wie auf alten Schienen. Schienen erzeugen einen Zweivierteltakt, ta-tam, ta-tam. »Er« hatte niemals die Autobahn gebaut, sondern Gefangene, Arbeitslose, die durften nicht mal Bagger benutzen.

Doch hier wurde der Techno geboren, durch die Schläge beim Darüberfahren. »Bamm, bamm, bamm, bamm …«, der magischste Rhythmus überhaupt. Die Räder übertrugen ihn auf Anjas Lippen, mit denen sie Erics Schwanz umschloss. Der Kapellmeister brauchte nur einen verbindlichen Ton, dann konnte er sein Orchester kontrollieren. Kein Spritzer ging auf die Frontscheibe. Im Rückspiegel der Konvoi. Nein, die waren nicht verwundert, über Anjas verschwundenen Kopf, sie winkten fröhlich weiter. Der Taschenmuschi-Vater freute sich grundlos, sein Lenkrad wurde von seinem Bauch gehalten.

Lieber Schwiegerpapa, wenn du wüsstest, was deine geheiligte Tochter für Lippenkünste beherrscht, könntest du endlich wieder weinen.

Häuser brauchen Namen, wie blödsinnig und fantasielos, sie stumpf zu nummerieren. Im neuen »Haus der blutigen Eltern« traf Blau auf Blau, küsst euch, liebe Schwiegereltern. Die einen sortierten Kartons, die anderen schwitzten. Müsste genau so geschrieben stehen, im Tagebuch, über den Auszug der braven Kinder. Auch dass die Väter schon wieder meckerten, über die Stadt, die Straßenbahnen und vielen Autos. Ist doch viel schöner bei uns im Grünen …

Leipzig-Gohlis, die Wolfstraße, ein Haus in einer Kurve, direkt an der S-Bahn. Frisch renoviert, rausgeschmissen alle Rüpel und schlechten Nachbarn. Herrschaftlich empfing das Treppenhaus mit roten Kokosläufern, wie ein Neuanfang, der nach Farbe roch. Die Wohnung staubig, doch überall Spuren der Verschönerung. Reste von Klebeband an den Fenstern. Die zu entfernen übernahmen Oma und Mama. Hinter der Eingangstür ein langer Gang, gleich links das frischweiß geflieste Bad, nirgends Hello Kittys. Eine moderne Küche, geräumig, große Sitzecke mit Balkon auf den Innenhof. Leipzigs Innenhöfe sind grün, nur die Spots an den Decken glänzten Blauweiß. Der Ausblick lohnte sich, die Hauptkriterien waren erfüllt bei der Partnerwohnungswahl. Geräumige Küche, Balkon, schickes Bad. Dorthin zog das cleane Königspaar und öffnete erneut das Versprechen im Glas mit den Millionen Bläschen.

Nur knapp zwei Wochen noch bis zum Beginn des Studiums, das Gericht hatte in Erics Urteil eine Falle gelegt. Bewährung, keine Fehler. Jedes Vergehen hätte ins Gefängnis geführt, Lollies klauen, leise fluchen. Zu schnell fahren oder in Autobahnraststätten über die Sperrkreuze der Toiletten springen. Sonst dreieinhalb Jahre in Zeithain, niemals ein Studium, aus der Traum.

Die hundertfünfzig Arbeitsstunden, Teil der Strafe, waren unmöglich in den zwei Wochen zu absolvieren. War das dem Richter überhaupt aufgefallen? Oder Absicht?

Blieben nur zwei Möglichkeiten für Eric, die »Variante Max und Moritz« oder zu scheitern. Genau wie bei der Jacken-Sache, als die Frau an der Kasse fragte: »Wollen Sie das wirklich bezahlen?«

Das Urteil war eine Herausforderung und kein Urteil. Jeder Tag hatte vierundzwanzig Stunden, mal zwei Wochen, Eric wusste es und der Richter auch. Und dass Eric Schauspiel studieren würde.

Lasset die Spiele beginnen!

Wenn Verurteilte gemeinnützige Arbeitsstunden absolvieren müssen, schickt man sie in gemeinnützige Einrichtungen. Kindergärten, Behinderteneinrichtungen oder Rentner-Ressorts. Irgendwohin, wo Menschen Hilfe brauchen. Schon bei den Johannitern saß Eric durch ein vorheriges Urteil seine Arbeitsstunden ab, bekam den rettenden Stempel auf ein Formular, seinen Fahrschein in die Freiheit.

Liane erinnerte sich an einen Onkel, Chef eines eingetragenen Vereins. Von Beruf Wirt, Meister aller Klassen in Broiler und Haxe. Onkel »Heinrich der Dritte« beherrschte die Kunst der doppelten Buchführung wie kein anderer, links die Speisekarte,...