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Thabo. Detektiv & Gentleman 3. Der Rinder-Dieb - Spannender Kinderkrimi ab 10 Jahren

Kirsten Boie

 

Verlag Verlag Friedrich Oetinger, 2017

ISBN 9783960520214 , 320 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

9,99 EUR


 

1


Der Löwe neben uns hat gerade gegähnt, als in meiner Hosentasche das Handy vibrierte. Auf Safaritour stelle ich mein Handy immer auf Vibrationsalarm, meine Damen und Herren. Egal, ob es die Zwei-Stunden-, die Drei-Stunden-, die Dämmerungs- oder die Nacht-Safari ist. Alles andere wäre ja unsinnig. Stellen Sie sich vor, Sie haben gerade eine Gruppe Giraffen aufgespürt oder (auf der Dämmerungs-Safari) vielleicht sogar einen Leoparden, und dann klingelt Ihr Handy! Eish! Das würden Sie auch nicht wollen.

Auch den Touristen sagen Onkel Vusi und ich am Anfang der Tour immer, dass sie ihre Handys ausschalten sollen. Oder wenigstens zum Vibrationsalarm wechseln. Aber es gibt alte Damen, die nicht wissen, wie man es macht. (Verzeihen Sie, wenn das klingt wie mangelnder Respekt vor dem Alter! Es ist aber nur der Respekt vor der Wahrheit.) Manchmal rufen darum ihre Enkelkinder aus England gerade dann an, wenn wir endlich (wie jetzt) eine Löwenfamilie aufgespürt haben, und schon sind die Löwen weg.

Ich weiß natürlich, wie ich mein Handy auf Vibrationsalarm stellen kann, keine Sorge. Darum hat der Löwe auch immer noch neben uns gegähnt, während ich auf dem Beifahrersitz den Text auf dem Display gelesen habe.

SOFORT kommen, Thabo! Eilt!

Ich war verblüfft, als ich den Absender gesehen habe. Es war nicht Miss Agatha. Dabei ist Miss Agatha sonst eigentlich fast die Einzige, die mir SMS schickt. Dafür hat sie mir ja das Handy überhaupt geschenkt und bezahlt meine Karte. Damit sie mich immer und überall schnell erreichen kann, wenn es einen Notfall gibt. Aber diesmal war es kein Notfall. Diesmal kam die SMS von Emma.

Von Emma! Einen Augenblick lang habe ich gedacht, sie will, dass ich zu ihr nach England komme. Da geht Emma nämlich seit einiger Zeit aufs Internat. Emmas Mutter ist Ms Wendy Chapman, der Lion Lodge gehört, und warum sie glaubt, dass die Schulen in England besser sind als die Schulen bei uns im Königreich, verstehen Emma und ich beide nicht. Aber Emma kommt jetzt nur noch in den Ferien zu uns nach Hlatikulu. Zuletzt war sie im Sommer in Lion Lodge, zu Weihnachten.

Aber ich fürchte, ich habe Sie verwirrt, ngiyacolisa! Ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt!

Mein Name ist Thabo, Thabo Sonnyboy Shongwe, und mein Onkel ist Vusi Shongwe, der Ranger in Lion Park. (Ich lebe schon lange bei ihm, schon seit meine Eltern gestorben sind.) Wie alt ich bin, kann ich Ihnen leider nicht enthüllen, weil ein wahrer Gentleman nicht über das Alter spricht, das weiß ich von Miss Agatha. (Ich bin im besten Alter für einen Jungen, so viel kann ich sagen.) Miss Agatha ist die Tante von Emmas Mutter, Ms Wendy Chapman, jetzt verstehen Sie die Zusammenhänge.

Vielleicht fragen Sie sich, warum es einem Jungen, der in Lion Park die Touristen auf Safari begleitet, wichtig ist, wie sich ein wahrer Gentleman benimmt. Ich sage es Ihnen. Später einmal werde ich ein wahrer Gentleman sein, das ist ein Fakt. Ein wahrer Gentleman und ein Privatdetektiv.

Über beides lerne ich viel von Miss Agatha, wenn wir auf dem Seiden-Chintz-Sofa im Wohnzimmer ihres Cottage gemeinsam Filme angucken, auf DVD. Miss Agatha hat viele DVDs über schreckliche Verbrechen. Die meisten werden in England begangen, es muss ein sehr gefährliches Land sein. Am liebsten sehen wir Filme über die englische Dame Miss Marple, die gemeinsam mit ihrem Freund Mr Stringer auch die schwierigsten Verbrechen aufklärt, meistens gegen den Willen der Polizei. Überall auf der Welt ist die Polizei in Fragen der Verbrechensaufklärung nicht sehr hilfreich, das ist bekannt. Miss Agatha und ich mussten das selbst erleben, als wir im Sommer kurz vor Weihnachten unsere ersten beiden Fälle aufgeklärt haben. Gemeinsam mit Emma. Und mit Sifiso.

Sifiso Lovejoy Madlopha ist mein bester Freund, und was er später einmal werden will, kann ich Ihnen nicht mit letzter Gewissheit sagen. (Nicht Gentleman, glaube ich. Aber eventuell, wie ich, Privatdetektiv.) Wahrscheinlich denkt Sifiso nicht so viel darüber nach. Seit seine Eltern an der schrecklichen Krankheit gestorben sind, hat er den ganzen Tag genug Arbeit mit seinen drei jüngeren Geschwistern. Vielleicht wird er später Automechaniker. Autos findet Sifiso sogar spannender als Verbrechensbekämpfung. Trotzdem hat er bei der Aufklärung unserer letzten Fälle eine wichtige Rolle gespielt. (Emma war das nicht immer ganz recht, glaube ich. Emma ist eifersüchtig. Sie möchte allein meine beste Freundin sein.)

Und nun diese SMS, ausgerechnet während der Safari neben der Löwenfamilie!

»Onkel Vusi!«, habe ich leise in das Motorengeräusch des haltenden Jeeps geflüstert. »Ich muss dringend zurück! Können wir Schluss machen?«

Auf der Aussichtsplattform oben auf dem Jeep haben die Touristen glücklich geseufzt und mit ihren Handys und Tablets Fotos oder Videos vom gähnenden Löwen gemacht. Manche hatten sogar echte Kameras dabei.

Onkel Vusi hat auf seine Armbanduhr gesehen. (Er ist sehr stolz, dass er eine Armbanduhr hat. Nicht viele Menschen haben eine Armbanduhr.) »Wir haben noch zweiunddreißig Minuten!«, hat er streng gesagt. »Zwei-Stunden-Safari heißt, dass die Safari zwei Stunden dauert. Ich will von den Gästen keine Beschwerden hören.«

Oben auf den Bänken haben die Touristen sich jetzt gegenseitig mit kleinen Begeisterungsschreien die Bilder auf ihren Displays gezeigt, Onkel Vusi und ich kannten das schon. Das hieß, dass sie die Löwen lange genug gesehen hatten. Wir konnten weiterfahren.

Vor allem möchten die Touristen zu Hause zeigen können, dass sie bei uns in Afrika Löwen gesehen haben. Onkel Vusi und ich wissen das. Giraffen sind gut, Nilpferde sind gut, Nashörner sind gut, Zebras sind gut, Antilopen und Warzenschweine sind eher unwichtig. Aber Löwen und Elefanten müssen sein. Nach einer Safari ohne Löwen und Elefanten geben die Gäste kein Trinkgeld.

»Wir haben die Löwen doch schon geschafft!«, habe ich geflüstert, während Onkel Vusi langsam angefahren ist, um die Löwenfamilie nicht zu erschrecken. (Die Löwenfamilie lässt sich allerdings nicht so leicht erschrecken. Sie kennt Onkel Vusis Jeep.) »Bitte, kehr um, Onkel Vusi! Es geht vielleicht um ein Verbrechen!«

Onkel Vusi hat über das Lenkrad nach vorne geguckt und den Jeep in das Akazienwäldchen mit der Wasserstelle gelenkt, die auch jetzt mitten im Winter und nach drei Monaten ohne Regen noch nicht vollkommen ausgetrocknet war. Sie verstehen, dass sich darum an der Wasserstelle vor allem in der Trockenzeit immer viele Tiere versammeln. Für Onkel Vusi und mich ist das praktisch.

»Nur noch die Elefanten!«, hat er gesagt und fünf Wagenlängen vor der Wasserstelle angehalten. »Dann kannst du zu deinem Verbrechen, Thabo.«

(Ich fand nicht, dass Onkel Vusi so leichtfertig über Verbrechen sprechen durfte. Er hatte schließlich bei meinem ersten Fall am eigenen Leib erlebt, wie wichtig meine Arbeit als privater Ermittler war. Aber Onkel Vusi ist mein Onkel und hat mich bei sich aufgenommen, darum kritisiere ich ihn nicht.)

Oben auf der Plattform haben die Touristen wieder begeisterte Laute ausgestoßen. Drei große Elefanten haben im Schlamm am Rande des Teichs ihre Rüssel ins Wasser gehalten und getrunken. Oder sich mit dem Wasser selbst nass gespritzt. Ich wusste, dass oben jetzt wieder Videos gemacht wurden. Nach dieser Safari durfte ich auf ein gutes Trinkgeld hoffen.

»Bitte beachten Sie auch die Jungen!«, hat Onkel Vusi leise nach oben gesagt. »Sehen Sie sie?«

Drei kleine Elefanten haben im Dickicht hinter der Wasserstelle Blätter von den Zweigen gerupft. Eine ältere Touristin mit Safari-Hut hat glücklich aufgestöhnt.

»Siehst du das, Leonard?«, hat sie geflüstert. »Kriegst du die drauf?«

Ihr Mann trug auch einen Safari-Hut. Viele Touristen tragen kakifarbene Safari-Kleidung, wir verstehen nicht wirklich, warum. Miss Agatha sagt, wenn die Touristen keine Safari-Kleidung tragen, haben sie nicht das Gefühl, dass sie wirklich in Afrika sind. Und dass sie etwas Gefährliches erleben. Gefährlich muss Afrika schon sein.

Das Gefühl konnten wir ihnen zum Abschluss unserer Safari gerne verschaffen.

»Wir können leider nicht auf dem direkten Weg zurück«, hat Onkel Vusi nämlich gesagt. »Sonst müssten wir zwischen der Mutter und ihren Kälbern hindurch. Und das mögen Elefantenmütter gar nicht!«

Oben auf der Plattform haben die Touristen den Atem angehalten. Touristen sind merkwürdig. Wenn sie sich bei ihrer Safari nicht wenigstens ein bisschen fürchten, sind sie unzufrieden. Andererseits möchten sie aber auch gerne lebend nach Hause zurückkommen.

»Greifen die uns sonst an?«, hat die Frau mit dem Safari-Hut begeistert gehaucht. »Oh mein Gott!«

Mein Handy hat wieder vibriert. Wo bleibst du, Thabo, verdammt!, hatte Emma geschrieben. Bin bei Auntie Agatha. Ich habe es ausgeschaltet.

»Manchmal greifen sie an«, habe ich dann nach oben gesagt. »Elefanten. Wenn sie glauben, wir würden ihren Kindern was tun. Was glauben Sie denn, warum Sie hier nicht allein mit Ihren Autos rumfahren dürfen?«

»Oh!«, hat die Frau gesagt. Der Mann neben ihr hat die Augen weit aufgerissen, und ich wusste, dass Onkel Vusi jetzt wenden und zurückfahren konnte. Die Touristen hatten Löwen und Elefanten gesehen und ihren Nervenkitzel gehabt. Danach würde es ihnen nichts ausmachen, wenn die Zwei-Stunden-Safari nicht wirklich zwei Stunden gedauert hatte. Sie hatten genug Bilder für ihre Freunde zu Hause...