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Das Sams 1. Eine Woche voller Samstage - Der Kinderbuch-Klassiker, modern und farbig illustriert von Nina Dulleck für Kinder ab 7 Jahren

Paul Maar

 

Verlag Verlag Friedrich Oetinger, 2017

ISBN 9783960520238 , 176 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

Sonntag, der 6. Mai


Taschenbier wurde davon wach, dass dicht neben seinem Ohr jemand laut sang.

Einen Augenblick glaubte er zu träumen und drehte sich auf die andere Seite. Aber das Singen hörte nicht auf. Eine helle, durchdringende Stimme sang fürchterlich falsch:

»Schlaf, Papa, schlaf!

Die Rotkohl ist ein Schaf.

Das Sams, das schüttelt’s Bäumelein,

da fällt herab ein Zentnerschwein.

Schlaf, Papa, schlaf!

 

Ruh, Papa, ruh!

Die Rotkohl ist ’ne Kuh.

Das Sams, das schüttelt’s Abflussrohr,

da kriecht ein Elefant hervor.

Ruh, Papa, ruh!«

Mit einem Mal war Herr Taschenbier hellwach und setzte sich im Bett auf. Draußen schien schon die Sonne. Es war früher Morgen, Sonntagmorgen. Und neben ihm im Bett saß das Sams und sang. Jetzt fiel ihm alles wieder ein: Gestern hatte er ja dieses Wesen mitgebracht, dieses ständig lärmende Sams, das er mit dem besten Willen nicht mehr loswurde.

»Du bist ja immer noch da«, seufzte er.

»Natürlich, Papa.« Das Sams nickte.

»Warum hast du denn so laut gesungen?«, fragte Herr Taschenbier vorwurfsvoll.

»Das war ein Schlaflied für dich, Papa. Hast du nicht gehört:

Horch, Papa, horch!

Die Rotkohl ist ein Storch …«

»Sei still, gleich kommt Frau Rotkohl und kündigt mir!«

»Das kann sie nicht!«

»Warum soll sie nicht können?«

»Weil sie nicht hereinkann. Ich habe die Tür abgeschlossen. Da ist der Schlüssel.«

»Gib sofort den Schlüssel her! Wenn sie nicht ins Zimmer kann, ist sie stocksauer und schimpft wie ein …«

»Wie ein Regenwurm?«, fragte das Sams.

»Gib sofort den Schlüssel her!«, befahl Herr Taschenbier statt einer Antwort.

»Hol ihn dir doch, Papachen«, lachte das Sams und kletterte schnell auf den Schrank. Dort oben balancierte es den Schlüssel auf seinem Rüssel.

Herr Taschenbier sprang aus dem Bett, griff nach dem Spazierstock und versuchte das Sams vom Schrank herunterzuangeln.

In diesem Augenblick pochte es an seine Tür, und Frau Rotkohl rief von draußen:

»Unerhört! So eine Frechheit! Was soll der ruhestörende Lärm mitten in der Nacht? Noch ein Ton, und Sie können sich Ihr Mittagessen selber machen, Herr Flaschenbier!«

Ehe Herr Taschenbier antworten konnte, schrie das Sams vom Schrank oben zurück:

»Es ist gar nicht mitten in der Nacht, Frau Rosenkohl. Sie lügen ja, die Sonne scheint.«

Dabei ahmte es die Stimme von Herrn Taschenbier so gut nach, dass Frau Rotkohl selbst dann kein Unterschied aufgefallen wäre, wenn sie im Zimmer gestanden hätte.

Einen Augenblick blieb es draußen ruhig. Wahrscheinlich musste sie sich erst von ihrer Verblüffung erholen. Dann schrie sie los: »Das ist der Gipfel! So eine Unverschämtheit! Sie sind ja betrunken, Herr Flaschenbier!« Dabei rüttelte sie an der Türklinke und versuchte ins Zimmer zu kommen.

»Selber betrunken, selber betrunken!«, schrie das Sams und hopste vor Vergnügen auf dem Schrank herum.

»Machen Sie sofort die Tür auf, oder ich hole die Polizei!«, schrie Frau Rotkohl noch wütender von draußen.

»Ich kann nicht …«, rief Herr Taschenbier und versuchte das Sams vom Schrank zu zerren.

»… kann nicht verstehen, warum ich aufmachen soll, Frau Grünkohl«, ergänzte das Sams mit der Stimme von Herrn Taschenbier.

»Sie wollen nicht? Das Zimmer gehört mir!«, schrie Frau Rotkohl von draußen.

»Warum muss ich eigentlich jeden Monat Geld für das Zimmer bezahlen, Rotköhlchen?«, flötete das Sams.

»Das ist die Miete. Außerdem verbitte ich mir Ihre Bezeichnungen. Ich heiße Rotkohl, verstanden?«

»Wenn ich Miete bezahle, habe ich das Zimmer gemietet, und wenn ich ein Zimmer gemietet habe, darf ich es auch abschließen«, erklärte das Sams durch die verschlossene Tür.

Darauf wusste Frau Rotkohl wohl nichts mehr zu sagen. Jedenfalls dauerte es eine Weile, bis sie schließlich rief:

»Sie bekommen heute von mir kein Mittagessen! Nach diesen Frechheiten nicht!«

»Aber Frau Rotkohl!«, rief Herr Taschenbier. Er hatte es aufgegeben, das Sams fangen zu wollen.

Sofort fuhr das Sams mit Herrn Taschenbiers Stimme fort: »Aber Frau Blaukohl, aber Frau Grünkohl!«

»So eine Unverschämtheit! Sie wissen genau, dass ich Rotkohl heiße, Herr Flaschenbier«, fing sie wieder an zu schimpfen.

»Unverschämtheit! Sie wissen genau, dass ich Taschenbier heiße, Frau Rotkohl«, rief das Sams zurück.

Draußen blieb es still. Sicher war ihr die Puste ausgegangen.

Das Sams kletterte vom Schrank herunter, tanzte im Zimmer herum und sang:

»Frau Rosenkohl

ist innen hohl!

Frau Rosenkohl

ist innen hohl!«

»Für diese Beleidigung werden Sie mir büßen!«, rief Frau Rotkohl durch die Tür.

»Welche Beleidigung?«, fragte das Sams.

»Sie haben gesungen: ›Frau Rosenkohl ist innen hohl.‹ Ich habe es genau gehört!«

»Heißen Sie denn Frau Rosenkohl?«, fragte das Sams und tat ganz erstaunt.

»Natürlich nicht.«

»Dann geht es Sie auch überhaupt nichts an, was ich von der Frau Rosenkohl erzähle«, stellte das Sams fest und sang gleich weiter:

»Frau Rosenkohl

ist innen hohl,

Frau Rosenknall

ist wie ein Ball,

Frau Rosenkluft

enthält nur Luft.«

Darauf wusste Frau Rotkohl nichts mehr zu erwidern. Sie hörten, wie sie in die Küche ging und hinter sich die Tür zuknallte.

»Na, Papa, der haben wir es aber gegeben«, sagte das Sams stolz und brachte Herrn Taschenbier den Schlüssel.

»Gegeben, gegeben!«, äffte er zornig nach. »Du wirst schon sehen, wo das hinführt. Bestimmt kündigt sie mir morgen.«

»Wenn sie dir heute nicht gekündigt hat, tut sie das morgen auch nicht«, meinte das Sams gleichmütig und begann am Papierkorb zu knabbern.

»Lässt du sofort den Papierkorb in Ruhe!«, zischte Herr Taschenbier. Er wagte nicht, laut zu schimpfen. Aus Angst vor Frau Rotkohl.

»Ist aus Korb«, stellte das Sams fest. »Schmeckt gut.« Und aß den Papierkorb auf mit allem, was darin lag. Dann schaute es sich schmatzend nach dem Stuhl um.

»Wehe, wenn du in den Stuhl beißt!«, sagte Herr Taschenbier und setzte sich schnell darauf.

»Ist aus Holz«, stellte das Sams fest und schnüffelte am Stuhlbein herum. Aber Herr Taschenbier stellte seine Füße so hin, dass es nicht in den Stuhl beißen konnte. Deswegen stieg das Sams auf den Tisch und machte sich über die Blumen her, die dort in einer Vase standen.

»Mmm, guter Salat«, sagte es und schlang die Blumen hinunter.

»Du sollst hier nicht alle Sachen auffressen!«, rief Herr Taschenbier. Vor Aufregung war er ganz laut geworden.

Das Sams kümmerte sich nicht darum, steckte die Blumenvase ins Maul und zerbiss knurpsend die einzelnen Splitter.

»Glas mit Wasser«, schmatzte es dabei. »Schmeckt gut.« Dann ging es auf die Heizung zu. »Ist aus Eisen«, stellte es fest, nachdem es daran gerochen hatte. »Eisen schmeckt gut.« Es rollte vor Begeisterung mit den Augen und strich sich über den Bauch.

»Ich wünsche, dass du nichts aus meinem Zimmer auffrisst«, sagte Herr Taschenbier schnell, bevor es hineinbeißen konnte. Ihm war gerade noch rechtzeitig eingefallen, dass man bei Samsen anscheinend immer »ich wünsche« sagen musste.

Sofort hörte das Sams auch auf, an der Heizung zu riechen, holte sogar eine Glasscherbe aus dem Maul, die es noch nicht hinuntergeschluckt hatte, legte sie sorgsam auf den Tisch und setzte sich artig daneben.

»So gefällst du mir schon besser«, lobte Herr Taschenbier. »Wo bekomme ich aber einen neuen Papierkorb her?«

»Den kaufen wir morgen, Papa. Wir müssen doch Anziehsachen für mich kaufen«, erklärte das Sams. »Ich freue mich schon auf das Kaufhaus.«

Vor Freude begann es gleich wieder zu singen:

»Kaufhaus, Feldmaus.

Kaufmaus, Kopflaus.

Kauflaus, Blumenstrauß.«

»Bitte, sei doch still«, beschwor es Herr Taschenbier. »Gleich kommt wieder Frau Rotkohl und schimpft …«

»Hast du wirklich Angst vor der?«, fragte das Sams.

»Die hat halt immer was zu meckern«, verteidigte sich Herr Taschenbier. »Ich kann machen, was ich will. Ständig hat sie etwas auszusetzen an mir. Manchmal wünsche ich, sie säße auf irgendeinem Schrank und käme nicht mehr hinunter.«

»Auf einem Schrank?«, sagte das Sams. »Das wünschst du dir, Papa? Tolle Idee!« Es hüpfte im Zimmer herum, lachte und prustete dabei immer wieder heraus: »Auf einem Schrank!«

Schließlich wurde es Herrn Taschenbier zu bunt.

»Ich wünsche, dass du mir jetzt zuhörst«, sagte er streng. Sofort hörte das Sams auf zu lachen und sah Herrn Taschenbier an.

»Du hast ja schon gegessen«, sagte der, »aber ich habe noch Hunger. Ich muss dich wieder in den Rucksack stecken und dich hinausschmuggeln. Wir machen heute einen Ausflug und essen irgendwo im Grünen.«

»Sehr schön, im Grünen, einen Ausflug«, schrie das Sams, stieg gleich in den Rucksack und begann zu singen:

»Segelflugzeug, Düsenjäger,

Zeppelin und Freiballon,

Mondrakete, Doppeldecker,

wartet nur, wir kommen schon!«

»Muss ich dir schon wieder sagen, dass du leise sein sollst? Außerdem fliegen wir nicht, wir gehen zu Fuß«, erklärte ihm Herr Taschenbier.

»Du hast gesagt, wir fliegen aus«,...