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Krieg der Rosen: Hochverrat - Historischer Roman

Toby Clements

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2017

ISBN 9783732549566 , 542 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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1. Kapitel


In der Woche nach Ostern, mitten in einer für diese Jahreszeit ungewöhnlich milden Wetterphase, begannen Thomas Everingham, John Stumpf und Jack Bradford, im Herrenhaus von Sir John Fakenhams Anwesen in Marton, County of Lincoln, einen Kamin zu errichten. Sie mauerten ihn aus hellen Steinblöcken, die Sir John im Jahr zuvor von einem Steinhauer in Ancaster gekauft hatte. Und sie brauchten eine Woche, um ihn vom Kaminboden bis zur Schornsteinspitze hochzuziehen – einschließlich eines Andreaskreuzes, das Thomas in den Sims meißelte und das als Zauberbann gegen Hexen dienen sollte, damit sie nicht den Rauchabzug hinunterflogen. In der ganzen Zeit regnete es kein einziges Mal.

»Seht ihr?«, freute sich Jack. »Hab euch doch gesagt, dass wir gesegnet sind.«

Doch in der darauf folgenden Woche lag Sir John Fakenham krank darnieder, und in der Woche danach starb er. Und so kam es, dass sie Jacks Worte bitterlich bereuten.

»Heilige Muttergottes, du bist ein verdammter Narr, Jack«, tadelte John Stumpf ihn.

Sir John hauchte allerdings seine Seele so aus, wie er es sich gewünscht hätte – wie sie alle es sich wünschen mochten: Er lag in seinem eigenen Bett, hielt eine angezündete dünne Wachskerze in den Händen, um seine Seele aus dem Körper hinauszugeleiten, und neben seinem Kopf war ein wispernder Priester. Seine Frau stand auf der einen Seite, auf der anderen und zu seinen Füßen befanden sich seine Freunde sowie ein kürzlich geschenkter Talbot-Welpe, der sich bis zum Moment des Dahinscheidens seines Herrn mit einem Stück Rotwildhorn zufriedengab.

Der Hund hörte mit dem Knabbern auf, als Sir John von dieser Welt ging, und begann zu heulen. Daher warfen sie das Tier aus dem Zimmer und dann die Treppenstufen hinunter; und der Rest des Haushalts kam hoch und stellte sich um das Bett herum auf wie ein Vorhang aus lebendigem Fleisch, um den Körper des alten Mannes vor den Luftzügen zu schützen, die vom Moor herüberwehten. Die ganze Nacht über blieben sie so stehen und beteten mit Tränen in den Augen für seine Seele. Bei seiner Beerdigung, die ein paar Tage später stattfand, läutete die Kirchenglocke von frühmorgens bis spätabends, und es wurden so viele Kerzen im Innern des Gotteshauses angezündet, dass der Priester, als alles vorüber war, die Rahmen der Fenster entfernen musste, um es vom Talggeruch zu befreien.

»Nun«, sagt John Stumpf auf dem Rückweg von der Kirche. »Das war’s dann wohl. Am besten, wir sammeln unsere Sachen ein und machen uns auf den Weg.«

Es entsteht ein Augenblick verwirrten Schweigens, das nur unterbrochen wird vom Klang der Glocke, die immer noch im Kirchturm hinter ihnen läutet, und von den Geräuschen ihrer Schritte auf der feuchten, dunklen Erde des Pfades.

»Was meinst du damit?«, fragt Thomas.

»Also, wir können nicht hierbleiben, oder?«, erwidert John und zeigt mit seinem halben Arm über die Felder um sie herum. »Jetzt nicht mehr, nachdem Sir John dahingegangen ist. Isabella wird einen neuen Mann brauchen, nicht wahr? Jemanden, der sie versorgt. Jemanden, der uns nicht in der Nähe haben will.«

»Möglicherweise braucht sie nicht zu heiraten«, meint Jack. »Ihre Söhne. Sie könnten doch bleiben, oder?«

John Stumpf spuckt aus.

»Nein«, antwortet er. »Sie werden sich nicht lange hier aufhalten. Sie sind hergekommen, um für diesen Besitz einen Preis bestimmen zu können; du wirst es schon sehen. Und überhaupt, selbst wenn sie dablieben – möchtest du ihr herrschaftliches Wohlwollen? Würdest du darauf vertrauen?«

Jack zögert.

»Na ja –«, beginnt er.

»Nein«, fällt John ihm ins Wort. »Also, bitte schön. Wir hatten unsere Zeit. Fünf Jahre. Das ist alles, was sich ein Mensch erhoffen kann, bevor irgendein Blödmann mit einem Titel kommt, um ihn dorthin zu schicken, wohin zu gehen ihm niemals selbst eingefallen wäre.«

Thomas und Jack tauschen einen Blick. John Stumpf ist ein ungenießbarer kleiner Mann geworden: als ob er sich nicht mehr über die zusätzliche Spanne an Lebensjahren freute, die auf Kosten von seinem linken Arm erkauft wurde. Aber heute, nach all dem, was geschehen ist, rufen seine Worte bei Thomas eine schleichende Kälte hervor – vielleicht, weil John am Ende doch recht hat? Vielleicht sind ja fünf Jahre Frieden alles, was ein Mensch vernünftigerweise erwarten darf?

In nachdenklichem Schweigen gehen sie weiter. Thomas kann nicht anders, als aufzusehen und sich umzuschauen, um auf das zu blicken, was sie, wie John behauptet, gezwungenermaßen bald verlassen werden: auf die Äcker voller blassgrüner Erbsensämlinge; auf die Fischteiche, in denen fette Seeforellen sich in langsam ausbreitenden Kreisen bewegen; auf die Schweineställe, in denen Reihen von Ferkeln mit rötlichen Rücken an den Zitzen ihrer Mütter saugen; auf die zwei Paar nussbraune Ochsen, die ihre mächtigen Hälse beugen, um das saftige Wintergras unter ihren Hufen abzuweiden. Schließlich richtet sich der Blick von Thomas nach vorn auf das, was hinter alldem steht – auf den solide erbauten Hauptteil des Herrenhauses mit seinem Kamin aus grauen Steinen, aus dem nun eine Fahne aus bleichem Rauch in den Himmel steigt, die an das Schlachtenbanner irgendeines Lords erinnert.

Und hinter diesem Bauwerk, eingebettet inmitten von Pappeln, befindet sich sein eigenes Haus. Es ist im Verlauf der letzten drei Jahre errichtet worden. Seine einzelnen Bestandteile wurden Stück für Stück gesammelt und so bearbeitet, dass alles gut zusammenpasst: der Boden, der mit Lehm und Sauermilch festgestampft ist; eine steinerne Feuerstelle in der Mitte des Raums, um die herum Schemel stehen, die er nicht gerade fachmännisch zusammengebastelt hat; ein Holzbrett, das er selbst gespalten hat, um es als Tisch zu benutzen, an dem er mit seiner Frau und seinem Kind isst.

Und mit jedem Schritt spürt Thomas die dicke, längliche Scheibe aus ausgehärtetem Leder unter seiner Fußsohle, das weiche Anschmiegen der fein gesponnenen rostbraunen wollenen Beinlinge, die seine Beine wärmen, und die komfortablen Maße seines Filzwamses. Er ist sich des Gewichts seiner dicken Jacke mit ihrem recht schweren Gürtel um die Taille und seiner von feinem Leinen gesäumten Kammgarnmütze bewusst. Und er denkt daran, wie es war, bevor er all das besessen hat, daran, was sie in jener Zeit taten und wie sie es taten. Daraufhin ist ihm klar, dass er alles tun würde – einfach alles –, um nicht zu jener Lebensweise zurückkehren zu müssen.

Schließlich bricht Jack das Schweigen mit einer Frage.

»Was meinst du damit – dass uns jemand dorthin schickt, wohin zu gehen uns niemals selbst eingefallen wäre?«

»Nach oben in den Norden, darauf wette ich. Da fängt alles an.«

»Was fängt an?«

»Die Kämpfe«, antwortet John. Er imitiert das Ziehen eines Bogens und das Loslassen eines Pfeils, so gut er es mit seinem halben Arm kann.

»Aber das ist alles vorbei«, sagt Thomas zu ihm. »König Henry ist im Tower, nicht wahr? Sicher verwahrt beim Beten hinter Schloss und Riegel – und unter Christus oben im Himmel! Sind seine Anhänger nicht alle tot? Wir haben mit eigenen Augen gesehen, wie die meisten von ihnen getötet wurden.«

»Doch da ist noch sein Sohn, oder etwa nicht?«, entgegnet John. »Was ist mit ihm? Er ist immer noch am Leben.«

»Aber nur mit knapper Not«, meint Thomas. »Und er ist in Frankreich mit seiner Mutter und hat so gut wie keinen roten Heller.«

John schnaubt.

»Du hast doch gehört, was der alte Nadelhändler erzählt hat«, sagt er zu ihm. »Wie jedermann im ganzen Reich wegen irgendetwas in Waffen steht. Dass jeder Lord Männer ausheben und Helme und Hippen austeilen lässt und was weiß ich noch alles. Warum passiert all das?«

Thomas seufzt.

»Herrgott, ich weiß es nicht«, erwidert er. »Ich habe geglaubt, dass er Geschichten erzählt, damit du ihm mehr Ale eingießt. Und wie dem auch sei, selbst wenn sie sich bewaffnen – was soll’s? Was hat das mit uns zu tun? Wir haben keinen Grund, uns ihnen anzuschließen.«

John bleibt stehen und schaut ihn an.

»Was ist mit Edmund Riven?«, fragt er. »Er ist ebenfalls noch am Leben, nicht wahr? Und war er nicht der Grund, weshalb du überhaupt erst in die Kämpfe verwickelt wurdest? Um ihn … und seinen Vater … von … von jenem Schloss zu vertreiben? Von Cornford?«

Thomas starrt John Stumpf schweigend an. Er hätte es niemals gewagt, den Namen von Edmund Riven zu erwähnen, als Sir John noch lebte. Dieser Name blieb unausgesprochen, wie der eines toten Kindes, das niemals ganz vergessen war – so schön der Tag auch sein mochte –, aber auf gar keinen Fall erwähnt werden durfte. Jetzt zu hören, dass dieser Name genannt und dass auf diese Weise über die Sache rumerzählt wird, lässt Thomas’ Herz kurz stillstehen. Und er schaut sich um, als ob gerade gegen irgendeine Refektoriumsregel verstoßen würde.

»Sprich nicht über ihn, John«, mahnt Thomas. »Es bringt nichts, an ihn oder Cornford zu denken; und außerdem …«

Er verstummt. Was außerdem? Er weiß es nicht – nur, dass er sich erinnert, Edmund Rivens Vater getötet zu haben. Und ihn überkommt das Gefühl, dass er womöglich schon genug getan hat, um seine Rechnung mit dieser Familie zu begleichen.

»Also, was machen wir dann, John?«, bohrt Jack nach. »Wie sieht dein Vorschlag aus?«

John hat sich offensichtlich darüber schon ein paar Gedanken gemacht.

»Wir sollten nach Frankreich gehen«, schlägt er vor. »Über die Schmale See. Wir könnten uns dem Herzog von Burgund anschließen. Es heißt, er hat Bedarf an Bogenschützen. An anständigen...