dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Chronisch hoffnungsvoll - Stärke finden in einem Leben mit Krankheit

Kerstin Wendel

 

Verlag SCM Hänssler im SCM-Verlag, 2017

ISBN 9783775173797 , 240 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

11,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

Derzeit können über den Shop maximal 500 Exemplare bestellt werden. Benötigen Sie mehr Exemplare, nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf.


 

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

2 | HEIKLE FRAGE: WIE GEHT’S DENN SO?


Stark werden durch aktuelle Bestandsaufnahme


Diagnosen verändern das Leben. Besonders chronische Erkrankungen. Starke negative Gefühle können die Folge sein. Die Bestandsaufnahme des eigenen Lebens hilft, sich zeitnah zu entlasten.

Krankheiten kennen wir alle. Sie begleiten uns von Kindesbeinen an. Wer von uns hat keine Erfahrungen mit Masern, Windpocken, Grippe, verstauchten Gelenken oder aufgeschlagenen Knien? Für letzteren Fall haben wir Wendels eine uralte, chronisch schöne Hansaplastschachtel im Badezimmer stehen. Vorne drauf Mama im Kleid, die einem netten, artigen Jungen liebevoll ein Pflaster aufklebt. »Heile, heile Segen und alles ist wieder gut.« War doch so, stimmt’s? So hat man es mit uns gemacht und wir haben es später ähnlich mit unseren beiden Kindern gemacht: Wunde säubern, Pflaster drauf, Trost ins Ohr – und die Welt ist wieder in Ordnung.

Genau das ist der Unterschied: Es gibt die üblichen Krankheiten, die kommen und gehen, und alles ist wieder gut. Aber es gibt auch chronische Krankheiten, die einfach nur kommen. Dann bleiben sie. Es ist eben nicht so schnell wieder alles gut. Es bleibt schlecht. Vielleicht weiß keiner, wie lange es schlecht bleiben wird. Vielleicht sehr lange? Doch nicht etwa für immer?

Ein aufgeschürftes Knie bemerkt jeder Betroffene. Ob man chronisch krank ist, das merkt man nicht so leicht, nicht sogleich. Und wenn man es merkt, dann will man es vielleicht nicht gleich wahrhaben, dass es so ist.

Bettina hat’s erwischt


Bettina ist verheiratet und hat flügge werdende Kinder. Sie und ihr Mann stehen morgens auf, gehen ihren Pflichten nach und freuen sich abends auf einen erholsamen Feierabend. Beide Ehepartner sind berufstätig, pflegen Freundschaften und gehen sonntags gern in einen Gottesdienst. Ab und an können sie sich einen Urlaub gönnen. Haben sie mal einen freien Tag extra zur Verfügung, können sie sogar noch den Keller ausmisten, bei einem Projekt ihrer Gemeinde mithelfen oder ins Museum fahren. Alle aus der Familie sind meistens gesund. Fazit: Bettina kann leben wie viele andere. Bis es sie erwischt.

So vor gut einem Jahr fing »es« dann an. Es kamen gesundheitliche Probleme und seitdem ist nichts mehr normal. Bettina hat seither ganz oft Schmerzen. Die sitzen im Darm und strahlen in den gesamten Unterleib hinein. Sie haben sich in diesen hineingeschlichen wie ein Mäuschen in eine Speisekammer. Und sie benehmen sich auch so wie Mäuse: Sie sind nicht leicht zu fangen und wollen einfach nicht verschwinden.

Am Anfang hat Bettina das gemacht, was sie kannte: zum Arzt gehen, sich beraten lassen, etwas ausprobieren. Sie nahm Medikamente gegen die Beschwerden. Probierte später auch naturheilkundliche Präparate, weil sie von den üblichen Tabletten so viele Nebenwirkungen bekam. Aber es wurde nicht besser. Sie konnte vieles nicht mehr essen und hatte deshalb keine Lust mehr, abends eingeladen zu werden. Plötzlich war sie eine Problem-Esserin. Sie hatte mit Durchfall zu kämpfen, litt häufig unter starken Bauchschmerzen und spürte außerdem, dass Aufregung und Stress die ganze Sache verschlimmerten. Nach einer Darmspiegelung und weiteren Untersuchungen stand die Diagnose: Reizdarmsyndrom. Ihre Hausärztin sagte: »Damit lernen Sie zu leben.« Aber Bettina wusste überhaupt nicht, wie sie das machen sollte. Sie hatte keine Erfahrungen damit. Sie fühlte sich hilflos und überfordert.

Sie probierte dann noch mehr. Sie surfte im Internet, machte sich Gedanken, erfragte Tipps von anderen Patienten, suchte einen neuen Arzt. Bis sie plötzlich merkte, dass sie schon Monate mit dieser Sache beschäftigt war. Ehrlich musste sie sich eingestehen: Es war nicht besser geworden. Vielleicht war es gestern sogar etwas schlimmer gewesen als in der letzten Woche? Vielleicht wusste sie manchmal gar nicht so richtig, ob es heute besser oder schlechter war. Was sie aber sehr genau spürte, war der riesengroße Wunsch in ihrem Herzen: Ach, könnte doch alles so sein wie früher! Könnte »es« doch endlich wieder verschwinden! Leider kam dann ein halbes Jahr später noch eine Schmerzsymptomatik im Rücken dazu, bei der ihr kein Arzt entscheidend weiterhelfen konnte. Sie hat mittlerweile viele Fehltage auf der Arbeit. Auch zu Hause schafft sie nicht mehr das, was früher alles problemlos lief. Sie ist innerlich am Boden.

Wie wirkt sich das auf die Menschen um sie herum aus? Der Mann an ihrer Seite kannte eine fröhliche, belastbare Partnerin, bis die Erkrankung kam. Nun muss er unterstützen, ermutigen, helfen – und zwar länger als vierzehn Tage. Außerdem muss er mit seinen eigenen Gefühlen klarkommen. Und die Freunde? Sie kannten eine aktive Bettina, die bei diversen Aktionen gern mit von der Partie war. Jetzt muss sie manchmal absagen, weil es ihr nicht gut geht. Bettina hört die gut gemeinten Sprüche: »Geht’s dir wieder besser? Wie, immer noch nicht? Hast du denn schon Flohsamen versucht? Oder Iberogast? Wie – und das hilft nicht?« Wieder andere Freunde reagieren hilflos, sagen gar nichts mehr zu ihr, ziehen sich zurück.

Bettinas Leben hat sich innerhalb eines Jahres sehr verändert. Seit die Schmerzen in ihr Leben gekommen sind, läuft nichts mehr normal, nicht mehr so wie immer. Auch nicht in ihrer Familie und den Freundschaften. Irgendwie ist alles anders. Irgendwie hat sie seitdem ein anderes Leben …

So wie viele andere auch: Marc hat seit Jahren mit Tinnitus zu tun, Ina leidet unter Depressionen, Kathy kämpft seit der Geburt ihres zweiten Kindes mit Erschöpfungszuständen. Lara geht es auch schlecht, aber sie weiß noch nicht mal, was sie hat. Sie kann ihre Symptome beschreiben. Mehr nicht. Und Sie? Wie geht es Ihnen mit Ihren Beschwerden?

Eines ist vielen chronisch Kranken gemeinsam: Viele von uns kannten ein Leben »davor«. Und wir lernen nun ein anderes Leben kennen: das Leben mit unserer chronischen Erkrankung. Entsetzt spüren wir, dass sie nicht in zwei Wochen ausgestanden ist, sondern uns Monate, Jahre, vielleicht Jahrzehnte begleiten wird. Keiner weiß das so genau. Wir sind jetzt chronisch krank. Wir haben Diagnosen zu hören bekommen. Manche von uns haben nicht mal Diagnosen erhalten, aber schlecht geht es uns trotzdem. Immer mal wieder. Schon wieder.

Trotzdem gut weiterleben?


Wie jetzt – man soll von nun an mit den Beschwerden weiterleben? Da bleibt einem erst einmal die Luft weg. Die Lebensfreude wird im Keim erstickt. Kriecht die Angst in einem hoch. Jetzt muss man sich mit so etwas »herumschlagen«? Unsere Sprache verrät schon, dass manche von uns nicht das beste Verhältnis zu einer Krankheit haben. Als wäre Krankheit ein Ding, das wie ein Boxsack am Hals hängt, auf den man einprügeln kann.

Irgendwie gut damit leben? Das geht ja mal gar nicht! Das liegt völlig außerhalb unserer Vorstellungskraft. Damals, ja, damals ging das. Ohne »es«. Aber doch nicht mit! Ein chronisch Kranker kennt diese ätzende Sorge, die man irgendwann tief in sich spürt: Hilfe, werde ich dieses Problem je wieder los – und wenn ja, wie?

Von Gefühlen überschwemmt


Zurück zu Bettina. Irgendwann nach den ersten fünf Monaten mit ihren Darmproblemen wurde sie von mächtigen Gefühlen überrollt. Von Wut, Trauer, Angst und Fassungslosigkeit. Früher kamen und gingen solche Gefühle, wenn sie überhaupt in ihrem Leben mal auftauchten. Jetzt blieben sie.

Wie gut!

Denn »Menschen, die die Kraft und innere Freiheit haben, über ihr Leiden zu klagen, haben die meiste Aussicht zu überleben«, so Lowell G. Colston.8

In Bettina stiegen klagende Fragen hoch: Wie soll mein Leben auf Dauer weitergehen? Wie bekomme ich meinen ganz normalen Alltag geregelt? Was wird aus meiner Berufstätigkeit? Was aus meinen Hobbys, meinen Vorlieben, meinen Zukunftsträumen? Wie soll ich weiterleben, wenn die Erkrankung tatsächlich nicht mehr weggeht? Wird meine Familie an dem allen zerbrechen? Werde ich die Kraft haben, dieses Leben zu leben? Und die vielleicht allerschlimmste Frage noch obendrauf: Wo, Gott, bist du eigentlich in all diesem Schmerz und den schrecklichen Unsicherheiten? Bettina war einfach nur noch angst und bange.

Bei mir war es so, dass die Fragen und negativen Gefühle eine Weile auf sich warten ließen. Erstaunlich lange sogar. Die kamen nicht nach fünf Monaten mit immer wiederkehrenden Schmerzen. Lange hielt ich irgendwie durch und verdrängte alles, was mich irgendwie hätte erschüttern können. Es dauerte Jahre, bis ich wütend, fassungslos, ängstlich und abgrundtief traurig wurde. Dann aber ging es richtig los. Negative Gefühle überschwemmten mein Leben bis auf die Grundfesten. Ich klappte zusammen.

Kennen Sie dieses Gefühlschaos von sich selbst? Oder hängen Sie vielleicht gerade jetzt richtig fest im Sumpf des Negativen? Oder gehören Sie – so wie ich früher – zu den scheinbar Obertapferen und haben noch wenig davon gespürt? Egal, wo Sie stehen, es gibt gute Aussichten: Jeder kann mit diesen starken Gefühlen besser zurechtkommen. Sie sind ein Teil des gesundheitlichen Problems. Sie gehören ganz einfach dazu. Wir werden im Kapitel 5 noch darüber nachdenken, wie wir mit diesen starken Gefühlen umgehen können.

Zum Weiterdenken:

Was empfinden Sie, wenn Sie an Ihre Erkrankung denken?

Wo bist du, Gott?


Bettina hatte schon viele Jahre als Christin gelebt, bevor die Krankheiten in ihr Leben kamen. Gott war da. Als Freund und Herr. Für vieles war sie ihm dankbar. Die kleinen und größeren Probleme konnte sie auch ganz gut mit ihm besprechen. Pubertierende Kinder, ein nerviger Arbeitskollege, ein Wasserrohrbruch. Sie erlebte...