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Wo lassen Sie denken? - Warum der Glaube an die Wissenschaft uns dumm macht

Reinhard Kreissl

 

Verlag Diederichs Verlag, 2011

ISBN 9783641055158 , 176 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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13,99 EUR


 

"WEGE IN DIE WISSENSCHAFT − ODER: DIE SELBSTSELEKTION DER GRAUEN MÄUSE (S. 64-65)

Zu Beginn, so die allgemeine Vorstellung einer gelungenen wissenschaftlichen Karriere, wird das Interesse an den wissenschaftlichen Fragen mit etwas Glück durch pädagogisch begabte Lehrkräfte in den Gymnasien geweckt. Berühmte Ausnahmen wie Albert Einstein, von dem kolportiert wird, dass er in Mathematik während der Schulzeit ein ziemlicher Versager war, bestätigen, dass es auch ohne frühes Interesse an einem speziellen Thema geht. Vermutlich aber ist der Schulerfolg überhaupt kein Indikator für eine entsprechende Vorhersage, ob aus interessierten Gymnasiasten später gute Wissenschaftler werden.

Oft zeigt sich, dass sich Karrieren eher im Zickzack entwickeln und erst in späteren Jahren ein Interesse heranwächst, das schließlich zur nachhaltigen Beschäftigung mit einem speziellen Thema führt. Zudem muss es gar nicht das Interesse an der Sache sein. Wie viele Studienanfänger entscheiden sich für ein bestimmtes Fach, weil es gerade en vogue ist oder auf mittlere Sicht erkleckliche Einkünfte in der späteren Berufslaufbahn verspricht?! Oder die Wahl fällt einfach auf ein Fach, weil die Zugangsschranken dort so hoch sind, dass nur wenige aufgenommen werden und man zufällig gerade den erforderlichen Logik der Auswahl hat uns vermutlich eine ganze Generation von Medizinern beschert, deren Persönlichkeitsprofil sie zwar für eine Schulkarriere in den modernen Lernanstalten qualifiziert, nicht aber für eine Tätigkeit als Arzt, die Empathie und Wissen, Erfahrung und Fingerspitzengefühl erfordert.

Lassen wir unsere jungen Abiturienten also auf die Universität gehen. Dort werden sie zunächst mit überfüllten Veranstaltungen, gestresstem Lehrpersonal und schlechter Ausstattung mit Büchern konfrontiert sein. Es herrscht Knappheit an Laborplätzen oder an was auch immer das jeweilige Fach erfordern mag. Böse Zungen behaupten, manchen jungen Talenten gelinge es, etwas zu lernen, obwohl sie an einer normalen Universität sich der Tortur einer akademischen Ausbildung unterziehen. Möglicherweise gelingt es unseren Nachwuchskräften, einem der Lehrenden durch kluge Fragen und Antworten oder eigene Ideen aufzufallen.

Das kann dann zu einem ersten persönlichen Kontakt mit einem ausgewachsenen Akademiker an der Universität führen. Meistens aber sind in der Ausbildung der nachwachsenden wissenschaftlichen Fachkräfte neue Ideen gar nicht gefragt, ebenso wenig wie Kritik. Da die meisten Universitäten nicht nur überfüllt und schlecht ausgestattet, sondern ihrem Wesen nach auch strukturell konservativ sind, wird der Nachwuchs dort erst einmal mit dem Kanon der jeweiligen Disziplin vertraut gemacht. Er lernt die Standardverfahren, wird mit den etablierten Interpretationen, Theorien und Autoren des Fachs vertraut gemacht und bekommt, je nach Disziplin, mit der er es zu tun hat, mehr oder weniger sinnvolle Nebenfächer vorgesetzt, in denen er entsprechende Scheine oder seit neuestem: Punkte erwerben muss.

Da ist »Lernen« angesagt, Reproduktion des Stoffes nach dem jeweils vor Ort herrschenden Ritus der Vertreter des Faches. Gelingt es ihm oder ihr – in dieser Phase sind die Studierenden weiblichen Geschlechts meist noch in der Überzahl – , sich bis zur ersten Hürde durch den Dschungel an Wissen durchzuarbeiten und ein prüfungsrelevantes Verständnis des gewählten Fachs zu entwickeln, so hat sich sehr wahrscheinlich eine von mehreren möglichen Haltungen gegenüber der Wissenschaft herausgebildet. Erstens die Haltung des zukünftig möglicherweise erfolgreichen akademischen Wissenschaftlers: Zwischen den Seiten der Bücher, in den Formeln der Modellberechnungen oder den im Grundstudium bearbeiteten Artefakten zeichnet sich in Konturen eine neue Welt ab, die so gar nichts mit der zu tun hat, in der sich der Rest der Menschheit bewegt."