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Gottes großer Plan - Eine Reise durch die Geschichte des Universums

Erik Bertram

 

Verlag Tectum-Wissenschaftsverlag, 2017

ISBN 9783828868663 , 250 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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14,99 EUR


 

Abb. 1.15:Verschiedene Topologien für unser Universum. Je nachdem, welche Geometrie der Raum aufweist, ist die Winkelsumme in einem Dreieck größer, kleiner oder gleich 180 Grad für unterschiedliche Dichtewerte.

Stellen Sie sich eine Balkenwaage vor. Solange auf beiden Seiten jeweils die gleiche Masse aufliegt, ist das System im Gleichgewicht. Doch schon ein einziges Staubkorn könnte das sensible Gleichgewicht zugunsten einer Seite kippen und alles ins Wanken bringen. Dasselbe gilt auch für unser Universum, das offenbar haargenau austariert wurde. Aus den obigen Tatsachen folgt demnach: Die individuellen Parameter des Weltmodells bestimmen unsere eigene Geschichte. Oder anders gesagt: Die Tatsache, dass die kosmologischen Parameter in unserem Kosmos so sind, wie sie sind, führt zu einem irren Feinabstimmungsproblem der Raumkrümmung – sie scheint weitaus mehr Probleme aufzuwerfen als zu lösen. Stellen Sie sich vor, Sie müssten einen Speer von der Zugspitze aus so präzise abwerfen, dass er nach einer bestimmten Zeit exakt auf der Spitze des Mount Everest landet. Dafür müssten Sie sicherstellen, dass Sie den korrekten Wurfwinkel eingestellt haben und dass die Abwurfgeschwindigkeit stimmt. Außerdem müssten sie eventuell auftretende Winde korrekt einberechnen. In jedem Fall müssten Sie dafür sorgen, dass die Parameter bis auf mehrere Nachkommastellen genau passen, weil sie das Ziel ansonsten verfehlen würden. Ähnliches gilt auch für unseren Kosmos. Die zentrale Frage ist also: Warum scheint unser Universum fast perfekt flach zu sein und genau diese Gestalt zu haben, die es hat? Man nennt dies das „Flachheitsproblem“.

Welche Auswirkungen hat es? Ganz einfach: In einem Universum mit anderen Parametern wären die Lebenszeitskalen des Kosmos womöglich viel kürzer gewesen als diejenigen, die man zur Bildung von Galaxien, Sternen und Planeten benötigt. Das hätte womöglich dazu geführt, dass sich eine „intelligente“ Spezies wie der Mensch niemals hätte entwickeln können. Demnach können wir heilfroh sein, dass unser Universum mit exakt diesen Werten ausgestattet wurde und nicht mit anderen.

Was aber hat dazu geführt, dass wir in einem Kosmos leben, der so fein austariert ist, dass sich Lebewesen wie wir die Frage nach dem „Warum?“ überhaupt stellen können? Gibt es dafür einen physikalischen Grund? Und wenn ja, wie lautet er? Oder ist unser Universum doch das Produkt eines Schöpfers, der es bewusst mit genau dieser Zusammensetzung ausstatten wollte?

 

1.5Das inflationäre Universum

Und all unsere Probleme sind gelöst!

Das Horizont- und das Flachheitsproblem führten dazu, dass viele Physiker zunächst an der Richtigkeit des kosmologischen Standardmodells zweifelten und einige sich alternativen Lösungen zuwandten. Eine solche war die „Steady-State-Theorie“, welche die Astronomen Fred Hoyle und Hermann Bondi aufgestellt haben. Sie besagt, dass sich die mittlere Dichte im Universum nicht verändert. Dieses befinde sich stets im Gleichgewicht, weil immer wieder neue Materie – etwa ein Atom pro Kubikmeter und Millionen Jahre – im Raum entstehe. Sicher war dies von einem ästhetischen Standpunkt aus gesehen ein äußerst ansprechendes Modell, weil es die Fragen nach einem Anfang des Universums geschickt umging. Später aber stellte man anhand der astronomischen Beobachtungen von Edwin Hubble fest, dass unser Universum in seiner Vergangenheit keineswegs genauso ausgesehen hat wie heute, weshalb die Steady-State-Theorie am Ende nicht mehr haltbar war. Man brauchte Geduld und vor allem bessere Ansätze, um der Erschaffung der Welt auf den Grund zu gehen.

Einen solchen lieferte das Modell eines inflationären Universums, das der amerikanische Physiker Alan H. Guth im Jahr 1981 vorgeschlagen hat. Das Wort „Inflation“ rührt vom Lateinischen her und bedeutet übersetzt „anschwellen“. Die meisten Menschen kennen den Begriff hauptsächlich aus der Wirtschaft, wo er ein stetiges Anwachsen des Preisniveaus und den damit einhergehenden Wertverfall des Geldes beschreibt. Traurige Berühmtheit erlangte er in Deutschland wohl in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts in der Weimarer Republik. Damals vervielfachten sich selbst kleinste Geldbeträge innerhalb weniger Jahre erheblich und enteigneten einen Großteil der Menschen. In der Mathematik beschreibt eine Inflation dagegen nur das exponentielle Wachstum einer Zahl. Zum Beispiel gehorcht die Vermehrung von Bakterien diesen Gesetzen, ähnlich auch der radioaktive Zerfall einer Uran-Probe.

Obwohl Guths Modell am Anfang noch mit einigen Fehlern behaftet war, wurde es schon bald von anderen Gruppen weiterentwickelt, und in der Folge entstanden zahlreiche Ableger des Ursprungs­modells. Kernidee ist jedoch stets, dass sich das Baby-Universum in einer Zeit von 10–35 bis 10–30 Sekunden nach dem Urknall um ein Vielfaches, mindestens aber um den Faktor 1030 explosionsartig ausgedehnt haben soll. Dies wäre, als würden Sie ein zehn Zentimeter langes Gummiband im Bruchteil einer Sekunde auf eine Länge ausdehnen, die unser gesamtes heute sichtbares Universum übersteigt! In solch einer unvorstellbar kurzen Zeitspanne würde selbst ein Lichtstrahl nicht einmal ein Atom durchqueren können. Tatsächlich soll sich der Raum kurzzeitig sogar mit Überlichtgeschwindigkeit ausgedehnt haben, ohne dabei aber Einsteins Theorie zu verletzen, nach der sich nichts schneller als das Licht ausbreiten kann – diese gilt nämlich nur für Objekte innerhalb des Raums, nicht aber für den Raum an sich, der den Gesetzen der Relativitätstheorie nicht zwangsweise unterliegt.

Betrachten wir kurz, welche Vorteile Guths Inflationsmodell mit sich bringt. Denken wir zuerst an das Horizontproblem, das, wie Sie sich sicher erinnern, besagt, dass sich weit entfernte Gebiete im Universum offenbar über den kausalen Horizont hinaus ausgetauscht haben konnten, was aber gemäß Einsteins Relativitätstheorie nicht möglich ist. Doch könnten betreffende Regionen theoretisch schon vor dem Beginn der Inflation in Wechselwirkung miteinander gestanden haben, das heißt, als der Kosmos noch viel kleiner war! Erst die explosionsartige Ausdehnung des Raums hätte sie letztlich „entkausalisiert“. Das Licht innerhalb des Raums würde der Expansion „hinterherhinken“, auf diese Weise den besagten Horizont erzeugen und so das heutige Universum erst zu dem machen, was es ist. Oder kurz gesagt: Die Inflationstheorie würde das Horizontproblem tatsächlich auf eine äußerst elegante Art und Weise lösen!

Doch muss eine erfolgreiche kosmologische Theorie weit mehr können. Das Horizontproblem stellt nur eine erste Hürde dar, die ein neues Modell von der Welt nehmen muss, bevor sie von den Physikern allgemein akzeptiert wird. Eine ungleich höhere Hürde ist das Flachheitsproblem. Wie wir uns erinnern, warf es die Frage auf, warum unser Universum einen verschwindend kleinen Krümmungsterm besitzt. Könnte das Inflationsmodell auch diesem Problem zu einer Lösung verhelfen? Nehmen wir zuerst an, das Universum hätte vor der Phase der Inflation eine gewisse Raumkrümmung gehabt, dann könnte durch die schlagartige Ausdehnung des Raums die Krümmung einfach „weggebügelt“ worden sein. Wie kann man sich das anschaulich vorstellen? Denken wir an eine beliebige dreidimensionale Fläche, beispielsweise ein Tischtuch, das Sie zuvor mit Ihren Händen zusammengeknüllt haben. Wenn Sie das Tuch mit einem Ruck aufreißen, verschwinden alle Krümmungen auf einen Schlag – sie sind durch die Ausdehnung einfach „verloren“ gegangen. Danach ist es praktisch flach und kann auf dem kosmischen Tisch als taugliche Unterlage dienen. In diesem Sinne würde die Inflation auch dem Flachheitsproblem zu einer schnellen und eleganten Lösung verhelfen!

Hinzu kommt noch ein weiterer wichtiger Aspekt, der die Strukturbildung betrifft, über die wir bislang noch nicht gesprochen haben. Die Physiker fragen sich seit einiger Zeit, warum Materie im ganzen Kosmos überhaupt so verteilt ist, wie dies der Fall ist, und warum es überhaupt Strukturen gibt. Tatsächlich erinnert unser Universum auf großen Skalen an ein riesiges Spinnennetz (Abb. 1.16). Dieses wird durch Abermilliarden Galaxien geformt, die sich entlang von Filamenten gruppierten. Dabei hätten sich solche Strukturen niemals herausbilden können, wenn die Materie am Anfang völlig homogen verteilt gewesen wäre. Damit die Strukturbildung in Gang kommen konnte, musste es zu Beginn des Universums winzige lokale Schwankungen in der Dichte gegeben haben, die sich mit der Zeit mehr und mehr exponierten – ein Fall, wie er auch in modernen Gesellschaften immer wieder auftritt: Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer. Dieses wichtige astrophysikalische Ergebnis wurde auch von numerischen Simulationen im Computer etliche Male eindrucksvoll bestätigt. Aber woher könnten die Schwankungen kommen? Und wer hat sie ausgelöst?

Abb. 1.16:Großskalige Verteilung von dunkler Materie im Universum, wie sie von numerischen Simulationen, hier der Millennium-Simulation, vorher­gesagt wird. Sie besitzt die Form eines Spinnennetzes, in dem sich Abermilliarden Galaxien entlang von Filamenten gruppierten. Die nahezu leeren Zwi­schen­räume nennt man Voids. Der gekennzeichnete Abstand 500 Mpc/h entspricht einer Strecke von ungefähr zwei Milliarden Lichtjahren!

Die Antwort hierauf liefert uns die Quantenmechanik. Sie spielte vor allem am Anfang des Universums eine große Rolle und dürfte sich deshalb auch auf seine zukünftige Entwicklung ausgewirkt haben, weshalb Wissenschaftler heute vermuten, dass Quantenfluktuationen die...